Vom Kollegen zum Vorgesetzen: So werden Sie ein guter Chef
Karriere

Vom Kollegen zum Vorgesetzen: So werden Sie ein guter Chef

Gerhard Reichel
Am

Nach dem ersten Höhenflug folgt für viele neu ernannte Führungskräfte die knallharte Landung – denn Mitarbeiterführung will gelernt sein, gerade wenn man in der Hierarchie vom Kollegen zum Vorgesetzten aufsteigt. Aller Anfang ist schwer und oft mit Unsicherheit verbunden

Chef zu werden ist nicht immer leicht

„Plötzlich empfinde ich alles anders. Vor wenigen Tagen habe ich mich noch über die Beförderung zum Teamleiter gefreut. Heute weht mir ein eiskalter Wind entgegen. Warum? Bisherige Kollegen blockieren, verhalten sich nicht kooperativ. Mein Chef erwartet, dass ich mich durchsetze. Der neue Druck setzt mir zu. Fachlich bin ich doch Spitze – und ausgerechnet jetzt falle ich in ein Loch der Unsicherheit.“ Und dabei ist doch gerade der erste Eindruck entscheidend, wie die weitere Zusammenarbeit ablaufen wird.“

Führungskräfte geraten oft in eine schwierige Situation, wenn sie zwar Führungsaufgaben übernehmen sollen, jedoch nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügen. Doch die hohen Anforderungen an die neu ernannten Führungskräfte, insbesondere auf der zwischenmenschlichen Ebene, werden von Unternehmen immer noch häufig unterschätzt.

Nachwuchsführungskräfte müssen sich mit zahlreichen Fragen auseinander setzen: „Wie verhalte ich mich richtig gegenüber Mitarbeitern und bisherigen Kollegen? Wie gelingt es mir, sie zu motivieren und mich gleichzeitig durchzusetzen? Wie meistere ich Krisensituationen? Wie erkenne ich Rollenkonflikte, und wie kann ich sie lösen? Welchen Führungsstil sollte ich mir aneignen?“

So kann Chef sein Spaß machen

In jedem Führungswechsel liegt die Chance des Neuanfangs und damit des „Besser-als-bisher-Machens“. Erkennen dies beide Seiten, ist dies eine ideale Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit auch unter neuen Voraussetzungen. Natürlich bedarf es einer gewissen Einarbeitungszeit, nicht nur für die neuen Mitarbeiter, sondern auch für die neue Führungskraft. In dieser Art Schonfrist oder „Probezeit“ muss es erlaubt sein, Fehler zu machen.

Unter dieser Voraussetzung und ohne Angst, können neu ernannte Führungskräfte ihr Potential am besten ausschöpfen, weil Sie ja grundsätzlich sowieso besonders motiviert sind, erstens die richtigen Dinge und zweitens diese Dinge richtig zu tun.

So geraten Sie als neuer Chef  in Schwierigkeiten

Als neu ernannte Führungskraft können Sie auch schnell in Schwierigkeiten gelangen. Das passiert insbesondere dann,

  • wenn Sie warten, bis Personen, auf die Sie angewiesen sind, Ihnen zufällig über den Weg laufen oder irgendwann auf Sie zukommen.
  • wenn Sie enttäuschte Mitbewerber links liegen lassen und hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt.
  • wenn Sie sich über den Vorgänger oder über die bisherige Leistung der Abteilung abfällig äußern.
  • wenn Sie, um die „eigene Haut zu retten“, Mitarbeiter und Kollegen im „Regen stehen lassen“ und ihnen Hilfe verweigern.
  • wenn Sie, Probleme mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern passiv aussitzen statt aktiv einen Lösungsversuch zu unternehmen.

Erwartungen von Mitarbeitern an die neue Führungskraft

Der/die neue „Vorgesetzte“ hat seine Aufgabe übernommen. Egal ob der/die Neue von „außen“ kommt oder intern aufsteigt, die Fragen und Hoffnungen bzw. Ängste, die Mitarbeiter in der Start-Phase bewegen, sind ähnlich. Häufig unausgesprochen, aber strategisch durchaus bedeutsam, sollten neue Führungskräfte sich damit bereits vorab auseinandersetzen oder diese zumindest kennen:

1. Wenn der/die Neue von „außen“ als „neues Gesicht“ kommt…

  • Wie „sieht mich“ mein neuer Chef? Wie komme ich an?
  • Mit welchem Menschen-Typ habe ich es zu tun?
  • Passt Er/Sie zu uns?
  • Wird über gegenseitige Erwartungen konkret gesprochen?
  • Bessere Vertretung unserer Interessen nach „oben“?
  • Wird sich der Informationsfluss verbessern?
  • Werden bisherige Leistungen respektiert und neue Erfolge honoriert?
  • Ergeben sich für mich neue Chancen?
  • Wird sich für mich, für uns, mehr Freiraum ergeben?
  • Was weiß er/sie schon über uns? Und von wem?
  • Mit wem wird er/sie zuerst den besten Kontakt gewinnen?
  • Welche Veränderungen wird sich der/die Neue in den Kopf setzen?
  • Darf der/die Neue überhaupt Entscheidungen treffen?
  • Was wird sich in den nächsten Tagen „tun“, was verändern?

2. Wenn der/die Neue aus dem Kreis der bisherigen Gruppe kommt…

  • War die Beförderung gerecht oder nur „Vitamin B“?
  • Von wem wird er/sie am meisten beeinflusst?
  • Welche „Vorgaben“ hat er/sie von oben bekommen?
  • Wie entwickelt sich die Beziehung zum „Vorgänger“?
  • Wie wird es mit der bisherigen Lockerheit aussehen?
  • Was haben bisherige Freunde und Widersacher zu erwarten?
  • Wird er/sie lang ersehnte Team-Wünsche tatsächlich anpacken?
  • Wie wird sich X persönlich verändern?
  • Wird X Rückgrat und Stehvermögen für uns spürbar beweisen?

Der richtige Umgang als Vorgesetzter mit älteren Kollegen

Schon als Externer ist es nicht leicht, vielleicht wesentlich älteren Mitarbeitern als Vorgesetzter im wahrsten Sinne des Wortes vorgesetzt zu werden. Haben Sie jedoch einen so genannten Kaminaufstieg hinter sich, sind von nun an also den ehemaligen Kollegen vorgesetzt, wartet ein noch größeres Problem-Potential.

Achten Sie darauf, Sie selbst zu bleiben. Kehren Sie nicht von heute auf morgen die Chefrolle heraus. Ihre Autorität als Führungskraft muss mit der Zeit wachsen. Gewachsene persönliche Beziehungen müssen nicht unter dem neuen Unterstellungsverhältnis leiden. Achten Sie aber auf Gerechtigkeit. Sprechen Sie in jedem Fall offen mit Ihren ehemaligen Kollegen über die Möglichkeiten einer guten Zusammenarbeit. Sprechen Sie mögliche Befürchtungen an. Und: Begleichen Sie als Vorgesetzter in der neuen Funktion keine alten Rechnungen. In vier Schritten gelingt der Kaminaufstieg:

1. Ausgangslage einschätzen

  • Welcher Ruf eilt mir voraus?
  • Wie waren die bisherigen Kontakte?
  • Ist meine Ernennung nachvollziehbar?
  • Gab es andere Wunschkandidaten?
  • Trauen sie mir den Erfolg überhaupt zu?
  • Überwiegen Hoffnungen oder Befürchtungen?
  • Wie stehen meine neuen Mitarbeiter zu mir (ablehnend, skeptisch, neutral, positiv, sehr positiv)?

2. Sich den Erwartungen offensiv stellen

Suchen Sie Kontakt zu Ihren neuen Mitarbeitern, am besten mit einem Erstgespräch mit folgenden Inhalten:

  • Kontakt (entspannte Atmosphäre, persönliches Kennenlernen)
  • Arbeitsgebiet? (Zuständigkeit, momentane Aufgaben, demnächst anstehende Aufgaben)
  • Problem? (Hindernisse und Schwierigkeiten/Lösungsideen und Ansätze)
  • Zufriedenheit? (Alles in allem zufrieden? Allgemeine Stimmung?)
  • Erwartungen? (Erwartungen an die Zusammenarbeit? Persönliche Erwartungen?)

3. Veränderungen in Gang setzen – von Mitarbeitern profitieren

  • Als Führungskraft fragen Sie sich vielleicht:  Wie können Sie Veränderungsbereitschaft fördern?
  • Verknüpfen Sie das Bewährte mit dem Neuen durch konstruktives, gemeinsames und regelmäßiges Infragestellen: Was hat sich bewährt? Was läuft gut bzw. ist gut gelaufen? Was sollten wir beibehalten? Was ist nicht so gut (gelaufen)? Was hat sich nicht bewährt? Was schafft uns Probleme? Was können wir daraus lernen? Was sollten wir beim nächsten Mal anders und besser machen?

Die Voraussetzung: Zeigen Sie, dass Sie lernbereit und lernfähig sind. Stellen Sie selbst Ihr Tun von Zeit zu Zeit infrage. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran.

4. Umgang mit älteren und erfahrenen Mitarbeitern

Nützen Sie gerade die Erfahrungen Ihrer älteren Mitarbeiter:

  • Interessieren Sie sich für die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter. Holen Sie deren Rat ein. Geben Sie Ihnen die Gewissheit, dass ihre Erfahrung für Sie als Neuling wertvoll ist.
  • Interessieren Sie sich für Erfolge Ihrer Mitarbeiter („Wie haben Sie das geschafft?). Wertschätzung ist besonders wichtig.
  • Führen Sie durch Fragen. Fragen Sie auch nach dem, was sich bewährt hat, wenn Sie Dinge in Frage stellen.
  • Nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Mitarbeiter, um ein Gefühl für das Machbare zu bekommen.
  • Geben Sie guten Mitarbeitern das Gefühl der Sicherheit, arbeiten Sie an der Glaubwürdigkeit, von „oben“ nicht auf das Abstellgleis geschoben zu werden. „Kann ich weiterhin mit Ihnen rechnen?“
  • Spielen von Anfang an mit offenen „Karten“, lassen Sie sich nicht in die Defensive drängen, sondern kontern Sie auf schwierige Themen mit Fragen, seien Sie ein sehr guter Zuhörer. Schminken Sie sich ab, alle „Knack-Punkte“ gleich lösen zu können …

4. Umgang mit älteren und erfahrenen Mitarbeitern

Nützen Sie gerade die Erfahrungen Ihrer älteren Mitarbeiter:

  • Interessieren Sie sich für die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter. Holen Sie deren Rat ein. Geben Sie Ihnen die Gewissheit, dass ihre Erfahrung für Sie als Neuling wertvoll ist.
  • Interessieren Sie sich für Erfolge Ihrer Mitarbeiter („Wie haben Sie das geschafft?). Wertschätzung ist besonders wichtig.
  • Führen Sie durch Fragen. Fragen Sie auch nach dem, was sich bewährt hat, wenn Sie Dinge in Frage stellen.
  • Nutzen Sie die Erfahrung Ihrer Mitarbeiter, um ein Gefühl für das Machbare zu bekommen.
  • Geben Sie guten Mitarbeitern das Gefühl der Sicherheit, arbeiten Sie an der Glaubwürdigkeit, von „oben“ nicht auf das Abstellgleis geschoben zu werden. „Kann ich weiterhin mit Ihnen rechnen?“
  • Spielen von Anfang an mit offenen „Karten“, lassen Sie sich nicht in die Defensive drängen, sondern kontern Sie auf schwierige Themen mit Fragen, seien Sie ein sehr guter Zuhörer.
  •  Schminken Sie sich ab, alle „Knack-Punkte“ gleich lösen zu können.

Über den Autor

Gerhard Reichel

Gerhard Reichel Gerhard Reichel ist Geschäftsführer des "Institut für Rhetorik" und bietet Trainings für Rhetorik, Dialektik, Schlagfertigkeit und erfolgreich Verhandeln.
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