Mehr Finanzierungen, aber weniger Geld
Deutsche Start-ups

Mehr Finanzierungen, aber weniger Geld

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Deutschlands Start-ups haben im ersten Halbjahr 2016 deutlich weniger Geld durch Finanzierungsrunden eingenommen als im Vorjahreszeitraum. Der Gesamtwert ist von knapp zwei Milliarden Euro auf 957 Millionen Euro um über die Hälfte eingebrochen.

Gleichzeitig ist die Zahl der Finanzierungsrunden deutlich nach oben gegangen: Sie stieg um 60 Prozent auf 249. Europaweit fielen die Veränderungen weniger deutlich aus: Der Gesamtwert der Risikokapitalinvestitionen fiel um lediglich vier Prozent von 6,7 Milliarden Euro auf 6,4 Milliarden Euro. Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg dagegen um 40 Prozent auf 1.113.

Berlin verliert den Titel als Europas Start-up-Hauptstad

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Im europäischen Ländervergleich ist Deutschland beim Investitionsvolumen auf den dritten Platz zurückgefallen – Großbritannien mit einem Volumen von 2,2 Milliarden Euro und Schweden mit 1,0 Milliarden Euro haben sich auf die Plätze eins und zwei geschoben, wobei in Schweden vor allem die 900-Millionen-Euro-Finanzierung von Spotify zu Buche schlägt. Vor einem Jahr führte Deutschland noch deutlich die europaweite Rangliste an.

Berlin verliert zur Halbzeit zudem den Titel als Europas Start-up-Hauptstadt. Berliner Start-ups konnten im ersten Halbjahr ein Investitionsvolumen von 520 Millionen Euro auf sich vereinen. London (1,3 Milliarden Euro), Stockholm (1,0 Milliarden Euro) und Paris (673 Millionen Euro) lassen die deutsche Hauptstadt deutlich hinter sich. Im ersten Halbjahr 2015 führte Berlin mit einem Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro noch deutlich vor London (1,0 Milliarden Euro). München hält sich mit 182 Millionen Euro auf Platz acht als einzige weitere deutsche Stadt in den Top Ten.

Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Die Studie beruht auf einer Analyse der Risikokapitalinvestitionen in Europa.

„Auf den ersten Blick wirken die Zahlen bedenklich: Das deutschlandweite Investitionsvolumen bricht um mehr als die Hälfte ein und obendrein verliert das lebendige und kreative Berlin gegenüber anderen europäischen Hauptstädten wie London oder Paris“, sagt Peter Lennartz, Partner bei EY.

„Doch ein zweiter Blick zeigt ein positives Bild: Immer mehr deutsche Start-ups erhalten frisches Kapital, es gibt immer mehr mittelgroße Finanzierungsrunden. Das zeigt, dass deutsche Jungunternehmen für Investoren so attraktiv sind wie nie zuvor. Zudem war ein großer Teil der Rekordzahlen aus dem vergangenen Jahr auf Einmaleffekte zurückzuführen – das hat den Blick auf den Risikokapitalmarkt leicht verfälscht. Ohne die Einmaleffekte des Vorjahres hat sich das Investitionsvolumen im Jahr 2016 in Deutschland sogar erhöht. Unterm Strich zeigen die aktuellen Zahlen, dass die Start-up-Szene in Deutschland erwachsen geworden ist und auf einer breiteren Basis steht als je zuvor.“

Rocket Internet sorgte für positive Einmaleffekte bei Finanzierungen

2015 sorgten Einmaleffekte für Rekordzahlen – 2016 profitieren dafür mehr Unternehmen
2015 mischte vor allem die Start-up-Schmiede Rocket Internet bei den deutschen Risikokapitalinvestitionen mit. Der Börsengang 2014 hatte frisches Geld in die Kassen gespült, das Rocket Internet in eine Beteiligung an Delivery Hero und in andere Start-up-Aktivitäten investierte. Eliminiert man diese einmaligen und damit außerordentlichen Finanzierungen des ersten Halbjahres 2015 sowie die ebenfalls außerordentlich hohe Finanzierung des Online-Kreditgebers Kreditech in Höhe von 173,0 Millionen Euro im Januar 2015, gelangt man zu einer Finanzierungssumme von lediglich 787,3 Millionen Euro und damit zu einem Betrag, der dem aus diesem Jahr deutlich näher kommt.

Info

Als „Unicorn“ (Einhorn) werden Start-ups bezeichnet, die eine Milliarde US-Dollar oder mehr wert sind.

Dass mit dem Rückgang der Investitionssumme gleichzeitig die Anzahl der Investitionen zunahm, wertet Lennartz als gutes Zeichen: „Das ist ein Beleg dafür, dass die Zahl der kleineren Frühphasenfinanzierungen erheblich zugelegt hat und damit eine gesunde Basis für zukünftiges, nachhaltiges Wachstum gelegt wurde. Zwar muss man immer damit rechnen, dass viele Gründungen nicht überleben. Aber je mehr Gründungen und je mehr Finanzierungen im Seedbereich vorgenommen werden, desto größer ist die Chance, dass sich in Zukunft eine höhere Anzahl Start-ups zu gesunden Mittelständlern oder sogar Unicorns entwickeln werden.“

FinTechs sammeln das höchste Investitionsvolumen ein

Das meiste Geld in Deutschland floss im ersten Halbjahr in FinTech-Unternehmen. Insgesamt kamen die Start-ups aus diesem Bereich auf 229 Millionen Euro. Das bedeutet zwar einen leichten Rückgang gegenüber den 252 Millionen Euro im Vorjahr; allerdings überholen die FinTechs damit die Jungunternehmen aus dem E-Commerce. Deren Investitionsvolumen ist – insbesondere aufgrund des Wegfalls der Großinvestitionen aus dem Rocket-Internet-Umfeld – von 1,4 Milliarden Euro auf 144 Millionen Euro gefallen.

Spitzenreiter blieb der E-Commerce-Sektor aber bei den Finanzierungsrunden: Mit 61 Runden im ersten Halbjahr 2016 lag er noch vor Software- und Analyseunternehmen (45 Runden) und den FinTechs (25 Runden).

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