Kann man Leihmitarbeiter erfolgreich im eigenen Unternehmen integrieren?
Personalleasing

Kann man Leihmitarbeiter erfolgreich im eigenen Unternehmen integrieren?

Christian Flick
Am

Fragen Sie sich als kaufmännischer Personalverantwortlicher, ob es sich auch für ihr Unternehmen lohnen könnte, zeitweise zusätzlich mit Leihmitarbeitern zu arbeiten? Möchten Sie die Vorteile, Risiken, Qualifizierungsanforderungen etc. abschätzen und bewerten können?

Grundlagenwissen Zeitarbeit

Betrachten wir Zeitarbeit in der Begriffserklärung, so ist dies eine zeitweilige Arbeitnehmerüberlassung von einer Zeitarbeitsfirma an eine externe Unternehmung, die für diese Stundendienstleistungen im eigenen Unternehmen eine Rechnung von der jeweiligen Zeitarbeitsfirma zur Zahlung erhält. Zwischen dem Industrieunternehmen und der Zeitarbeitsgesellschaft wird ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen. Die Fürsorgepflichten müssen beachtet werden.

Zum Beispiel bei Leistungsspitzen / Saisongeschäften etc. kann somit die hauseigene Belegschaft durch externe Zeitarbeitnehmer aufgestockt werden, die flexibel bei Abschwung wieder abgezogen werden können und in anderen Unternehmungen weiterarbeiten. Hierbei wechselt der jeweilige Zeitarbeitnehmer in der Regel nicht seinen Arbeitgeber, sondern nur den jeweiligen Tätigkeitsort.

Info

Primär werden Hilfsarbeiter in diesem Arbeitsmodell beschäftigt, jedoch in einigen Gebieten auch gut ausgebildete Fachkräfte, die dann entsprechend zu deutlich höheren Stundensätzen vergütet werden. In Zeiten einer Wirtschaftskrise kann man erkennen, dass Zeitarbeit als wichtige Stellschraube für flexible Arbeitskraft bewertet, genutzt und eingesetzt wurde.

Betrachtung eines klassischen Zeitarbeitsablaufs in der operativen Tätigkeit in Kurzform dargestellt:

1. Entleiher bzw. Kunde / Industrieunternehmen

  • Zahlt einen vereinbarten Stundensatz an den Personaldienstleister.
  • Schließt Überlassungsvertrag mit Personaldienstleister.
  • Erhält operative Arbeitsleistung nach vereinbartem Tätigkeits- und Zeitplan.

2. Verleiher bzw. Arbeitgeber / Personaldienstleister

  • Schließt Überlassungsvertrag mit dem jeweiligen Kunden / Unternehmen
  • Stellt Mitarbeiter ein und schließt mit diesem einen Arbeitsvertrag
  • Zahlt die vereinbarten Gehälter an die eingestellten Mitarbeiter

3. Leiharbeitnehmer / ausführender Leiharbeiter

  • Schließt einen Arbeitsvertrag mit dem Personaldienstleistungsunternehmen
  • Arbeitet operativ für das zugeteilte Industrieunternehmen / erbringt dort die Arbeitsleistung
  • Verpflichtet sich, seine ihm zugeteilte Arbeit bei dem jeweiligen Unternehmen nach bestem Wissen und Gewissen zu leisten
  • Erhält Entlohnung direkt vom Personaldienstleister

Es gibt in Deutschland regionale Unterschiede in den Tarifverträgen. Sollten Sie detaillierte Information zu diesem Thema benötigen, finden Sie auf diversen Portalen tagesaktuelle Angaben:

Wie setzt sich eine Kalkulation der regulären Stundenverrechnungssätze für einen Leiharbeitnehmer zusammen?

Beispielhaft sollen diese Kostenbausteine hiermit in Kurzform genannt sein:

  • Rentenversicherung
  • Krankenversicherung
  • Arbeitslosenversicherung
  • Pflegeversicherung
  • Urlaubsgeld
  • Rückstellungen für gesetzliche Feiertage
  • Rückstellungen für die gesetzliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Tarifliche Ausfallzahlungen
  • Sondervergütungen
  • Unfallversicherung
  • Sonstige allgemeine Gemeinkosten
  • Sonstige allgemeine Personalkosten
  • Risikoanteil
  • Gewinnanteil

Zielunternehmen für Leihmitarbeiter

Aus der Erfahrung heraus haben sich sogenannte primäre Zielunternehmen herausgestellt, bei denen der Einsatz von Leihpersonal bzw. Zeitarbeit besonders interessant ist:

  • Unternehmen, in denen direkte Produktionstätigkeiten stattfinden
    Unternehmen bzw. Produktionsbetriebe mit saisonalen Schwankungen im Betrieb
  • Unternehmen mit deutlichen Nachfragespitzen
  • Unternehmen, die einem deutlichen Trend bzw. Nachfrageverhalten unterworfen sind
  • Unternehmen, die stark von Kunden abhängig sind
  • Unternehmen, die stark von Lieferantenpartnern abhängig sind
  • Unternehmen, die sich in einem sehr starken Kostenwettbewerb befinden
  • Unternehmen, bei denen die eigenen Kapazitäten in den Abteilungen zeitweise sehr stark ausgelastet sind
  • Unternehmen, die mit einem hohen Krankenstand zu kämpfen haben

Den richtigen Dienstleister finden

Natürlich sind aus den vorherigen Zeilen nun bereits zahlreiche Möglichkeiten und Chancen direkt oder indirekt ersichtlich, die für eine Zusammenarbeit mit Personaldienstleistern sprechen werden. Dennoch bleibt die Frage, wie man als Industrieunternehmen den passenden Dienstleister findet, der zum eigenen Bedarfsgerüst und Dienstleistungsspektrum passt.

Häufige Vorteile von großen Dienstleistern:

  • Großes Netz an Standorten und Filialen
  • Großer Bestand an Mitarbeitern
  • Hohe Flexibilität bei spontanen Arbeitsbedarfen
  • Guter Status an technischer Ausstattung vorhanden
  • Große und namhafte Referenzkunden vorhanden

Häufige Nachteile von großen Dienstleistern:

  • Gegebenenfalls nicht in direkter Nähe zum eigenen Firmensitz
  • Gemeinkostenstruktur in der Regel hoch
  • Hierarchien in der Regel fixierter (weniger Verhandlungsspielraum für Preisgespräche)

Notwendige Schritte zur wirtschaftlichen und qualitativen Beurteilung potenzieller Dienstleister im Geschäftsfeld der Personaldienstleistungen:

1. Benchmarking / Angebotseinholung und Ausschreibung der Bedarfe
2. Aktiver Austausch mit Unternehmens- und Betriebsleitung (auch Personalleitung)
3. Auswertung der vorliegenden Angebote

1. Benchmarking / Angebotseinholung und Ausschreibung der Bedarfe

Vor einer ausführlichen Angebotseinholung bzw. vor einem Marktvergleich müssen folgende Informationen als aktueller IST-Zustand vorliegen und aufbereitet werden:

  • Stundensätze und Tariflohn
  • Wochenarbeitszeit
  • Regelung für Überstunden
  • Prämiensysteme
  • Bonusregelungen
  • Zahlungsbedingungen
  • Generelle Arbeitszeiten
  • Bedarf an Zeitarbeitnehmern
  • Forecast / Prognose für Bedarfszeiten (Saisongeschäfte etc.)
  • Kündigungsfristen
  • Elektronische Zeiterfassungssysteme
  • Zahlung von weiteren Leistungen zu erwarten (Fahrtkosten etc.)
  • Fristen für die Personalbereitstellung und den Personalabzug
  • Bindung an den Preis

Die Tätigkeitsprofile und Beschreibungen der Aufgaben, Abläufe und Einsatzgebiete sollten fertiggestellt sein.

Die generellen Anforderungsprofile sollten definiert sein:

  • Geschlechtsangabe
  • Alter
  • Sprachkenntnisse
  • Technisches Verständnis
  • Berufliche Erfahrungen
  • Ausbildungen
  • Fortbildungen
  • Fachseminare
  • Fahrzeugführungsbescheinigungen

2. Aktiver Austausch mit Unternehmens- und Betriebsleitung (auch Personalleitung)

Es ist elementar, die nötigen internen Bereiche vorab zu informieren. Hierbei sollten mindestens die Personalleitung und die Betriebsleitung einbezogen werden.

Folgende beispielhafte Vereinbarungen sind zu besprechen:

  • Wie viele Dienstleister möchte man wählen (1 oder 2-3 Dienstleister)?
    Welche Regelungen sollen zum Thema optionaler Personalübernahme bestehen?
  • Welche Projekt- und Zeitplanung soll für die Umsetzung angedacht werden?
  • Welche Mindestanforderungen sollen die potentiellen Lieferanten erfüllen (z.B. Flexibilität, Mitarbeitereinarbeitungen, Mitarbeiterfachbetreuung etc.)?
  • Welche Chancen und Risiken sieht man allseitig in der Unternehmensleitung für ein solches Projekt?
  • Besteht eine Informationspflicht an den Betriebsrat, wie soll dieser informiert werden?

3. Auswertung der vorliegenden Angebote

Die Anfragen sind etwa vor geraumer Zeit bei den von uns gewählten Personaldienstleistern eingegangen, unsere Ausschreibungsfrist und Angebotsabgabefrist ist nun abgelaufen. Die unmittelbare Bewertung und Auswertung der einzelnen Angebote ist durchzuführen.

Hierbei sind folgende beispielhafte Auswertungspunkte zu den einzelnen Anbietern konkret zu beachten:

  • Stundenpreisangabe
  • Zeit der Preisbindung
  • Welche Bedingungen liegen vor, die Einfluss auf die Preise haben?
  • Erfahrungen des Unternehmens
  • Die Kernkompetenzen der jeweiligen Dienstleister (z.B. fokussiert auf Hilfs- oder Fachkräfte)
  • Flexibilität beim Dienstleister vorhanden (Reaktionsgeschwindigkeit und Servicelevel)
  • Referenzkunden bekannt (Risikominimierung bezogen auf Qualitätslevel des Anbieters)

Pro und Contra-Betrachtungen von Zeitarbeit

Zeitarbeit als allgemeine Projektbetrachtung, spezielle Risiken und auch Chancen in der konstruktiven Betrachtung bei Projekten:

  • Langjährige Verbindungen und Kontakte stehen im Dialog mit neuen Kontakten
  • Neue Persönlichkeiten bieten Chancen, aber auch einige Risiken
  • Grundangst vor Veränderung der guten Produktivität im Unternehmen
  • Grundangst vor Veränderung der hohen Qualität im Unternehmen
  • Die Gesamtkostenbetrachtung muss in allen Facetten im Vorfeld vollzogen werden

Betrachtung der Chancen:

  • Eine schnelle Umsetzbarkeit ist denkbar
  • Ein hohes Volumen mit hohen Einsparungen ist denkbar
  • Eine externe Dienstleistung ggf. aus einer Hand ist denkbar

Betrachtung der Risiken:

  • Bei einem falschen Start ist das Misstrauen im Unternehmen sehr hoch
  • Soziale Komponenten müssen beachten werden (sensible Bereiche)
  • Betrieblicher Frieden kann gestört werden; Unruhe kann entstehen

Generelle Pro- und Contra-Wahrnehmung zum Thema Leiharbeit, Zeitarbeit oder auch Arbeitnehmerüberlassung:

Pro-Argumente und -Wahrnehmungen:

  • Die Zeitarbeit kann ein Sprungbrett für Arbeitssuchende sein
  • Die Zeitarbeit kann ein Sprungbrett für wenig qualifizierte Menschen sein
  • Es werden schneller neue Mitarbeiter gefunden
  • Ein schnellerer Wiedereinstieg wird für Mitarbeiter geboten
  • Berufseinsteiger können breite Erfahrungen sammeln
  • Konjunkturelle Schwankungen können leichter ausgeglichen werden
  • Kontakte zu namhaften Unternehmen können geknüpft werden
  • Ein generell sicherer Arbeitsplatz, da nicht nur an einen einzelnen Arbeitgeber gebunden

Contra-Argumente und Wahrnehmungen:

  • Oftmals gefühlt eigenwillige „Deals“ von der Arbeitsagentur zum Personaldienstleister (aktive Jobvermittlung mit Zuschüssen etc.)
  • Meistens nur Hilfsarbeiter oder „Handlangertätigkeiten“
  • Gefühlte Ausbeutung am Mitarbeiter
  • Hoher Druck durch Konkurrenzsituationen und große Vergleichbarkeit
  • Stammpersonal und Leiharbeiter werden oftmals gegeneinander ausgespielt
  • Häufiger Personalwechsel mit viel Unruhe und Wissensverlusten
  • Nicht selten auch noch staatlich subventionierte Maßnahme

Nutzen Sie bitte alle Möglichkeiten einer wirtschaftlich sinnvollen und dennoch effizienten, harmonischen Integration von Leihmitarbeitern in Ihrer vorhandenen Unternehmenspersonalstruktur.

Sie werden wissen, dass es sehr viele Facetten in diesem Thema zu beachten gilt, dass ein kompetenter Dienstleister (in Punkten wie der Qualität und im Preis) gefunden werden muss.

Tipp zur Integration von Leihmitarbeitern

Ein solches Projekt funktioniert immer am besten, wenn die Integration von zeitweisen Leihmitarbeitern in friedlicher Dualität mit dem Bestandspersonal erfolgt. Ein offener und fairer Dialog ist im Vorfeld meistens ein gutes Investment in den vorhandenen „betrieblichen Frieden“

 

Über den Autor

Christian Flick

Christian Flick Christian Flick (MBA) aus Melle verfügt über langjährige Berufserfahrung im Industrieeinkauf bei renommierten Unternehmen. Von der Motivation angetrieben, die betriebswirtschaftlichen Potenziale für diverse Sektoren zu durchleuchten, entstanden seine zahlreichen praxisnahen Fachbücher. Sein Amazon-Autorenprofil finden Sie unter: www.christian-flick.de und sein Unternehmen unter: www.youneoprojects.de
Zum Autorenprofil

Kommentare

Kommentar schreiben:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Erhalten Sie jeden Monat die neusten Business-Trends in ihr Postfach!
X