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Finanzen

Der Cash Flow als Erfolgsmaßstab

Am

Bis vor wenigen Jahren war der Gewinn je Aktie nach wie vor ein beliebter und entsprechend weit verbreiteter Leistungsmaßstab; passend dazu wurden die Anleger weiterhin für dumm gehalten. Doch die Zeiten ändern sich. Inzwischen haben viele Manager eingesehen, dass die Anleger klüger sind als angenommen und auf den Trick mit den Gewinnen je Aktie nicht mehr hereinfallen.

Dieser Gesinnungswandel ist auch an der Wall Street offensichtlich. Alfred Jackson (1996), der damalige Leiter des Equity Research der CS First Boston, beschreibt, wie er in seiner Bank eine stärkere Orientierung am Cash Flow und am Economic Profit einführte:

„Im Oktober 1994 wurde ich Leiter des Equity Research bei der CS First Boston … Ich war schon lange unzufrieden mit der Qualität und Art der Analysen gewesen, die meine Bank und andere durchführten. Die fast schon an Besessenheit grenzende, fast ausschließliche Ausrichtung der Analysten auf den Gewinn je Aktie – und vor allem die Zeit und Energie, die investiert wurden, um den Gewinn je Aktie für das nächste Quartal bis auf den letzten Penny genau zu ermitteln – erschienen mir geradezu albern. Dieses Verfahren stand in krassem Widerspruch zum DCF-Bewertungskonzept, das ich Jahre zuvor während des Studiums an der Business-School kennen gelernt hatte. Trotz der logischen Überlegenheit kam es mir so vor, als würde es in der Welt der Investmentbanken weitgehend ignoriert – zumindest von Aktienverkäufern.“

Veränderte Erwartungen beeinflussen Aktienrendite

Die Aktienrendite hängt weniger von der absoluten Performance des Unternehmens ab als vielmehr davon, inwiefern die Performance-Erwartungen erfüllt wurden. Als zum Beispiel Intel am 15. Oktober 1997 einen Gewinnanstieg gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent bekannt gab, fiel der Aktienkurs von Intel um 6,3 Prozent, weil die Analysten eine Gewinnsteigerung von 23 Prozent vorausgesagt hatten. Bei einem langfristigen Zeithorizont von mindestens 15 Jahren korrelieren Aktienrendite und Unternehmensgewinn, weil das Gewinnwachstum Cash Flow und Kapitalrenditen widerspiegelt. In kürzeren Zeiträumen jedoch spielt die Performance gemessen an den Erwartungen des Marktes eine größere Rolle für die Aktienrendite als das Gewinnwachstum.

In einer statistischen Analyse stellten wir die Aktienrendite verschiedenen Erfolgskennzahlen gegenüber. Wir bestimmten die Korrelation zwischen der Aktienrendite und traditionellen Kennzahlen wie Gewinn und Gewinnwachstum sowie Economic Profit und Wachstum des Economic Profit. Außerdem ermittelten wir ausgehend von Gewinnprognosen der Datenbank Zacks Research System die Korrelation der Aktienrendite mit den Abweichungen des tatsächlichen vom erwarteten Economic Profit.

Wie gemäß der Theorie zu erwarten war, besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Aktienrendite und Abweichungen von der erwarteten Performance. Hingegen korrelieren die Aktienrendite und andere Erfolgskennzahlen kaum.

Kapitalrendite und Wachstum bestimmen den Wert

Aus der Analyse aus dem Kapitel Veränderte Erwartungen beeinflussen Aktienrendite geht hervor, dass Veränderungen der Aktienrendite in kurzen Zeiträumen enger mit der Erfüllung oder Nichterfüllung von Performance-Erwartungen zusammenhängen als mit der tatsächlichen Performance. Der Wert eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt dagegen von seiner tatsächlichen Performance ab, das heißt von dem erwarteten Wachstum der Umsätze und Gewinne sowie von der Kapitalrendite. Auch dies lässt sich empirisch belegen. Wir verglichen den Marktwert von 340 der größten US-Unternehmen mit ihrem Umsatzwachstum über fünf Jahre und ihrer durchschnittlichen Überrendite (Spanne zwischen Kapitalrendite und Opportunitätskosten des Kapitals in Prozent), ebenfalls über fünf Jahre. Zur Bereinigung von Größenunterschieden wurden die Marktwerte der Unternehmen durch ihre Buchwerte geteilt.

Wir fassten die Unternehmen dann zu Gruppen mit ähnlichem Umsatzwachstum und ähnlicher Überrendite zusammen (also beispielsweise alle Unternehmen mit einem durchschnittlichen Umsatzwachstum zwischen 9 und 13 Prozent und einer Überrendite von 2 bis 6 Prozent). Für jede dieser Gruppen berechneten wir das Verhältnis von Marktwert zu Buchwert.

Das Ergebnis war, dass bei jedem Wachstumsniveau eine höhere Überrendite zu einem höheren Verhältnis von Marktwert zu Buchwert führt. Der gleiche Zusammenhang besteht zwischen hohem Umsatzwachstum und dem Verhältnis von Marktwert zu Buchwert, außer bei Unternehmen mit niedriger oder negativer Überrendite. Diese Analyse bestätigt einmal mehr unsere These, dass der Aktienmarkt Unternehmen auf der Basis ihres Umsatzwachstums und ihrer Überrendite bewertet.

Um die Signifikanz dieser Zusammenhänge zu überprüfen, führten wir eine Regressionsanalyse der Marktwert-zu-Buchwert-Verhältnisse bezogen auf mehrere Kennzahlen wie Überrendite und Wachstum durch. Die Regression von Marktwert-Buchwert-Verhältnissen gegen Umsatzwachstum und Überrendite ergab einen außerordentlich hohen R2-Wert von 46 Prozent. Dabei lieferten die Wachstumsrate des operativen Ergebnisses und das Umsatzwachstum ähnliche Ergebnisse.

Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Überrendite wichtiger ist als das Umsatzwachstum und dass das Wachstum möglicherweise überhaupt keine Rolle spielt. Gemäß der Theorie sollte das Wachstum bei hoher Überrendite die größte Bedeutung haben. Wir fassten daher als Nächstes die Stichprobe von 340 Unternehmen nach ihren Überrenditen in Gruppen zusammen und führten mehrere Regressionen des Marktwert-zu- Buchwert-Verhältnisses gegen das Wachstum durch. Die Ergebnisse bestätigen die Theorie: Das Wachstum spielt für Unternehmen mit hoher Überrendite eine weit größere Rolle. Bei Unternehmen mit hoher Überrendite ist die Steigung der Regressionsgeraden deutlich positiv, während sie bei Unternehmen mit geringer Überrendite relativ gering ist und sich statistisch kaum von null unterscheidet.

In einem weiteren Test wurde die DCF-Methode zur Bewertung von 31 Unternehmen herangezogen. Ausgehend von Hochrechnungen des Value Line Investment Survey erstellten wir Cash Flow – Prognosen und diskontierten die Cash Flows mit dem gewichteten Kapitalkostensatz (Weighted Average Cost of Capital, WACC). Das Ergebnis war, dass es eine hohe Korrelation zwischen Marktwert und DCF-Wert der Unternehmen gab.

Diese Ergebnisse sind kein wissenschaftlicher Beweis, und wir können unsere Hypothese auch nicht durch die Ermittlung zukünftiger Wachstumszahlen und Renditen erhärten. Sie sind jedoch ein weiterer Beleg dafür, dass der Wert eines Unternehmens vom Cash Flow bestimmt wird, der seinerseits auf eine Kombination aus Wachstum und Überrendite zurückzuführen ist.

Gewinnkosmetik hat keinen Einfluss auf Aktienkurse

Wie genau betrachten Anleger die Ergebniszahlen eines Unternehmens? Sehen Sie, was dahinter steckt? Viele Manager sind wie besessen: Für sie dreht sich alles um bilanzielle Gewinne. Aber die Fakten sprechen eine klare Sprache: Der Markt durchschaut kosmetische Korrekturen der bilanziellen Gewinne.

Den einfachsten Beleg dafür liefern Unternehmen, die je nach dem Markt, in dem sie ihre Finanzergebnisse bekannt geben, verschiedene Methoden der Rechnungslegung anwenden. 1997 war Hoechst mit Umsatzerlösen von über 26 Milliarden Euro eines der größten deutschen Industrieunternehmen. 1996 führte das Unternehmen seine Aktien an der New Yorker Börse ein und musste daher seine Finanzergebnisse nach US-amerikanischen Bilanzierungsrichtlinien bekannt geben.

Zuvor hatte Hoechst nur die deutschen Richtlinien angewandt. Wenn Anleger nur die ausgewiesenen Gewinne betrachten würden, von welcher Bilanz sollten sie in diesem Fall ausgehen? Am besten weder von der einen noch von der anderen. Sie müssen nach den dahinter liegenden Zusammenhängen suchen.

Ein klassischer Untersuchungsgegenstand in diesem Kontext ist die bilanzielle Bewertung von Vorräten. Das amerikanische Steuerrecht verlangt (ebenso wie das deutsche: Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, Anm. d. Übers.), dass das im Jahresabschluss angewandte Verfahren auch für steuerliche Zwecke zugrunde gelegt wird. Folglich wirkt sich die Wahl des Bewertungsverfahrens sowohl auf den Gewinn als auch auf den Cash Flow aus – allerdings in entgegengesetzter Richtung. Bei steigenden Preisen führt die Lifo-Methode (Last in, first out) immer zu einem niedrigeren Gewinnausweis als die Fifo-Methode (First in, first out), weil die veräußerten oder verbrauchten Güter mit den höheren Anschaffungskosten der zuletzt erstandenen Güter bewertet werden. Niedrigere Gewinne bedeuten niedrigere Steuern. Da der Cashflow vor Steuern unabhängig vom Verfahren der Vorratsbewertung ist, führt die Lifo-Methode trotz des niedriger ausgewiesenen Gewinns zu einem höheren Cashflow nach Steuern als die Fifo-Methode.

Reaktion des Aktienkurs bei Wechsel eines Bewertungsverfahren

Mehrere Untersuchungen sind der Frage nachgegangen, wie der Aktienkurs eines Unternehmens auf einen Wechsel des Bewertungsverfahrens reagiert. Der Buchwert-Ansatz legt die Vermutung nahe, dass der Aktienkurs nach einer Umstellung von der Fifo- auf die Lifo-Methode sinkt, weil die Anleger mit niedrigeren Gewinnausweisen rechnen.

Die Ergebnisse waren zwar nicht völlig eindeutig, doch haben einige Untersuchungen gezeigt, dass der Aktienkurs nach der Umstellung von der Fifo- auf die Lifo-Methode steigt, und zwar aufgrund des höheren Cashflows, wie nach dem DCF-Modell zu erwarten ist. Unter Berücksichtigung der Marktentwicklung und sonstiger, gleichzeitig wirksamer Faktoren zeigte sich, dass Unternehmen, die auf die Lifo-Methode umstellten, beträchtliche Aktienkurssteigerungen verbuchten, während Unternehmen, die zur Fifo-Methode übergingen, sinkende Kurse hinnehmen mussten. Tatsächlich stellten Biddle und Lindahl (1982) fest, dass die Aktienkurse umso stärker stiegen, je größer der Steuervorteil aufgrund der Umstellung war.

Viel aktueller als die Lifo-Fifo-Debatte sind die Bilanzierungsrichtlinien für Fusionen und Akquisitionen. In den USA ist bei einer bilanziell als Kauf behandelten Unternehmensübernahme vorgeschrieben, die Differenz zwischen dem für das erworbene Unternehmen gezahlten Preis und dem Buchwert seiner Aktiva (mit geringfügigen Berichtigungen) als derivativen Firmenwert (Goodwill) zu aktivieren und über einen Zeitraum von bis zu vierzig Jahren abzuschreiben (in Deutschland: a) handelsrechtliches Wahlrecht, b) steuerlich lineare Abschreibung über fünfzehn Jahre).

Bei der Pooling-of-Interests-Methode hingegen wird das übernommene Unternehmen nur mit seinem Buchwert aktiviert. Da die Abschreibung auf den derivativen Firmenwert in den USA steuerlich nicht abzugsfähig ist, bleibt der Cash Flow des Unternehmens von dem gewählten Bilanzierungsverfahren unberührt. Allerdings ist der ausgewiesene Gewinn bei der Pooling-of- Interests-Methode höher, weil der derivative Firmenwert nicht abgeschrieben wird.

Die Ansicht, Anleger würden die Auswirkungen von Fusionen und Akquisitionen auf den Gewinn mechanisch akzeptieren, ist weit verbreitet. Wenn dem tatsächlich so wäre, müssten sie auch Transaktionen, die nach der Pooling-of-Interests- Methode behandelt werden, mit größerem Wohlwollen betrachten. Lindenberg und Ross haben jedoch gezeigt, dass genau das Gegenteil zutrifft. In ihrer Analyse von über 1 400 Transaktionen stellten sie fest, dass der Aktienmarkt positiv auf bar bezahlte Firmenaufkäufe, negativ auf Pooling-Transaktionen und neutral auf durch Ausgabe von Aktien finanzierte Transaktionen reagiert. Nach Auffassung der Autoren könnte die negative Reaktion auf Pooling- Transaktionen auf einen der folgenden Gründe zurückzuführen sein:

1. Der Aktienmarkt glaubt, dass Erwerber, die die Pooling-of-Interests-Methode anwenden, weniger Kaufpreisdisziplin zeigen als Barkäufer.

2. Die Anleger erkennen, dass der „Pooling-Erwerber“ weder wertsteigernde Maßnahmen, wie Ausgliederungen oder den Verkauf von Aktiva, ergreifen noch in naher Zukunft außerplanmäßige Aktienrückkäufe durchführen kann.

3. Die Anleger befürchten, dass dem Management des erwerbenden Unternehmens Bilanzkosmetik wichtiger ist als finanzielle Flexibilität.

In einem weiteren Schritt haben Lindenberg und Ross überprüft, ob Unternehmen mit Goodwill-Abschreibung anders bewertet werden. Wenn die Anleger den Effekt von Goodwill erkennen, müssten die Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei Unternehmen mit hoher Goodwill-Abschreibung im Vergleich zu anderen Unternehmen deutlich höher ausfallen. Das liegt daran, dass die Goodwill-Abschreibung zwar den ausgewiesenen Gewinn verringert, aber keine Cash Flow-Belastung darstellt. Bewertungs-Multiples auf der Basis von Cashflow-Kennzahlen wie das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibung (EBITDA, Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) müssten sich hingegen auf dem gleichen Niveau bewegen wie bei anderen Unternehmen derselben Branche. Die Autoren untersuchten 3 633 Unternehmen und stellten wie erwartet fest, dass Unternehmen mit Goodwill höhere KGVs aufwiesen, sich aber im Hinblick auf die EBITDA-Multiples nicht von den anderen Unternehmen unterschieden.

Der Aktienmarkt denkt langfristig

Unklarheit herrscht häufig darüber, welchen Zeithorizont Anleger bei der Beurteilung der ausgewiesenen Ergebnisse zugrunde legen. Nach Ansicht vieler Manager konzentrieren sich Investoren allzu sehr auf kurzfristige Erträge, ohne den langfristigen Investitionsprojekten das nötige Vertrauen zu schenken. Schaut man sich an, wie hoch der Aktienmarkt aufstrebende Internet-Unternehmen bewertet – obgleich diese in vielen Fällen noch keine Gewinne und nicht einmal Produkte vorzuweisen haben – wird deutlich, dass die Anleger sehr wohl langfristig denken. Im Oktober 1999 betrug die Marktkapitalisierung von Amazon.com 23 Milliarden Dollar, obwohl Amazon zu diesem Zeitpunkt noch immer Verluste schrieb.

Im folgenden zeigen wir Ihnen zwei von verschiedenen Untersuchungen, die belegen, dass der Aktienmarkt durchaus langfristig denkt. Bei Wissenschaftlern hat sich diese Erkenntnis längst durchgesetzt, und dieses Wissensgebiet gilt als erforscht. Daher sind viele der erforschten Untersuchungsergebnisse schon über zehn Jahre alt.

Methode 1:

Eine einfache Methode, um den Zeithorizont der Anleger zu bestimmen, ist die folgende: Man ermittelt, welchen Prozentsatz des gegenwärtigen Aktienkurses die in den nächsten Jahren zu erwartenden Dividenden ausmachen. Bei einer Zufallsstichprobe von zwanzig Fortune-500-Unternehmen betrug der durchschnittliche prozentuale Anteil der in den nächsten fünf Jahren zu erwartenden Dividenden am Gesamtwert einer Aktie lediglich 9,2 Prozent. Der höchste Anteil der Fünfjahres-Dividenden am Börsenkurs ergab sich mit 20,4 Prozent für Bank Boston. Diesem Test zufolge scheinen sich Anleger eher langfristig zu orientieren.

Methode 2:

McConnell und Muscarella (1985) untersuchten die Reaktion des Aktienmarktes auf die Ankündigung einer bevorstehenden Erhöhung der Investitionsausgaben. Bei der Analyse von 349 derartigen Ankündigungen von Industrieunternehmen (ohne weitere firmenspezifische Informationen) in den Jahren zwischen 1975 und 1981 stellten die Autoren fest, dass der Aktienmarkt fast durchweg positiv auf Steigerungen und negativ auf Verringerungen der Investitionsausgaben reagierte:

Die Autoren stellten außerdem fest, dass entsprechende Ergebnisse für alle Branchen außer der Exploration und Erschließung von Mineralöl- und Erdgasvorkommen galten. Offenbar glaubten die Anleger damals nicht, dass diese Branche ein attraktives Anlageziel sei. In Anbetracht des späteren Verfalls der Mineralölpreise und der höheren Kosten für die Exploration in den USA im Vergleich zu anderen Teilen der Welt hatten sie vermutlich Recht. Jedenfalls steht fest, dass Anleger Unternehmen, die langfristig investieren, dafür nicht willkürlich mit mangelndem Interesse strafen.

Bedeutungslosigkeit kurzfristiger Ineffizienzen

Bisweilen berufen sich Manager auf Ineffizienzen des Aktienmarktes als Beweis für das ihrer Meinung nach irrationale Verhalten der Anleger. Sie weisen darauf hin, dass auch Finanztheoretiker dem Geschehen an der Börse Unzulänglichkeiten bescheinigen, und halten deshalb auch den DCF-Ansatz für wirklichkeitsfremd. Wir sind der Meinung, dass Manager selbst bei vorübergehend auftretenden Ineffizienzen im Anlegerverhalten gut beraten sind, ihre Entscheidungen am Konzept eines effizient funktionierenden Aktienmarktes auszurichten.

Es ist über dreißig Jahre her, dass die These von der Effizienz des Aktienmarktes aufgestellt wurde. Sie zählt zu den umstrittensten und besterforschten Konzepten der Volkswirtschaft, wenn nicht gar der Sozialwissenschaften überhaupt. Sie wird allerdings auch häufig missverstanden. Viele sind der Meinung, die Theorie der Markteffizienz bedeute, dass der Aktienmarkt immer Recht behält. Dabei sind die Ambitionen der Theorie viel bescheidener. Vereinfacht ausgedrückt ist ein Markt dann effizient, wenn sich neue Informationen schnell oder unmittelbar in den Aktienkursen widerspiegeln. Dies bedeutet, dass Anleger nur schwer überdurchschnittliche Renditen erzielen können, es sei denn, sie sind besser informiert als der Aktienmarkt als Ganzes.

Handelsorientierte Strategien wie der Momentum-Handel sind kaum dazu geeignet, überproportionale Renditen zu erzielen. Seit die Finanztheorie die These von der Effizienz des Aktienmarktes aufgestellt hat, wird nach Anomalien gesucht, um die These zu widerlegen. Die Debatte über diese Frage ist noch in vollem Gang, aber es muss eingeräumt werden, dass bereits einige Anomalien entdeckt worden sind. Uns erscheint in diesem Zusammenhang vor allem die Frage relevant, was Ineffizienzen des Aktienmarktes für Anleger und Unternehmensmanager bedeuten.

Für Anleger bedeuten sie eine Chance, Geld zu verdienen. Aber die Ausnutzung dieser Ineffizienzen setzt leistungsstarke Computersysteme und die Fähigkeit zu blitzschnellen Entscheidungen im Börsenhandel voraus. Deshalb kommen wie bei anderen Unzulänglichkeiten des Aktienmarktes auch meist nur die größten und schnellsten Anleger zum Zuge. Wenn diese Ineffizienzen erst bekannt sind, verschwinden sie schnell, und die Suche nach neuen Ineffizienzen beginnt.

Stellenwert von Marktanomalien

Solange sich der Aktienkurs ihres Unternehmens wieder auf seinen langfristigen DCF-Wert einpendelt, sollten sie sich nicht den Kopf zerbrechen über Anomalien, gegen die sie ohnehin nichts ausrichten können, und für ihre strategischen Entscheidungen beim DCF-Ansatz bleiben. Für ihre Geschäftsentscheidungen sollte nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob die Aktien ihres Unternehmens diese Woche um 5 Prozent unterbewertet sind, sondern die langfristige Entwicklung des Aktienkurses. Wenn sie die Ursachen für eine Fehlbewertung der Aktien ihres Unternehmens systematisch ermitteln können, sollten sie sich diese Informationen natürlich für die Entscheidung über Ausgabe oder Rückkauf von Aktien (oder auch für eine aktienfinanzierte Akquisition) zunutze machen. Auf jeden Fall aber deuten die von uns gesammelten Belege darauf hin, dass der Markt auf lange Sicht viel stärker dem diskontierten Cash Flow als dem Buchwert folgt.

Quelle: Tom Copeland, McKinsey & Company – Unternehmenswert, ISBN: 3593368951

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