So tricksen Lieferanten den Einkäufer oft aus
Beschaffungsmanagement

So tricksen Lieferanten den Einkäufer oft aus

Dirk Nold
Am

Top-Verkäufer, das heißt Lieferanten, kennen viele Tricks und Kniffe, um mit Unternehmen ins Geschäft zu kommen und hohe Preise zu erzielen. Einkäufer sollten diese kennen, um darauf angemessen zu reagieren.

Versuchen Sie als Einkäufer nicht von einem Lieferanten abhängig zu sein – so sind Sie nicht so leicht erpressbar. Foto: ©sindler1/Depositphotos.com

Mit den unterschiedlichsten Methoden versuchen Lieferanten Einkäufern entgegen zu treten. Auf was Sie dabei achten sollten.

Verkäufer-Trick 1: Den Einkauf umgehen

Lieferanten versuchen oft die Mitarbeiter im Einkauf zu umgehen und direkt in Kontakt mit den firmeninternen Bedarfsträgern zu treten. Dies geschieht insbesondere dann, wenn die Einkäufer:

  • sich nicht offen genug für die (neuen) Produkte und Dienstleistungen eines Lieferanten zeigen,
  • vom Lieferanten als Barriere („gatekeeper“) für eine direkte Kommunikation mit den internen Bedarfsträgern angesehen werden und
  • nicht pro-aktiv mit ihren internen Kunden kommunizieren.

Einkäufer können sich gegen einen solchen Angriff wehren, indem sie aktiv das Gespräch mit ihrer internen Kunden suchen und sich über deren aktuellen und künftigen Bedarf auf dem Laufenden halten – zum Beispiel durch monatliche Meetings. Außerdem sollten Einkäufer offen, mit (bestehenden) Lieferanten über deren Produkt- und Dienstleistungsangebot und dessen (mögliche) Relevanz für das eigene Unternehmen sprechen.

Bei einer Ausschreibung ist die Versuchung für Lieferanten besonders groß, „über die Flanke anzugreifen“, um einen Keil zwischen Einkauf und Bedarfsträger zu treiben. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass die während einer Ausschreibung häufig eingesetzten cross-funktionalen Teams aus Einkauf und Bedarfsträgern nach außen mit einer Stimme sprechen. Lassen Sie sich nicht auseinander dividieren. Informieren Sie zudem das Top-Management Ihres Unternehmens regelmäßig über den Verlauf der Ausschreibung – denn oft hebeln Top-Verkäufer cross-funktionale Teams durch ihre exzellenten Kontakte zur Geschäftsführung aus.

Verkäufer-Trick 2: Nebelgranaten werfen

Häufig erweist sich beim Einkauf gerade das als brisant beziehungsweise als Kostentreiber, was nicht Bestandteil eines Lieferantenangebots ist. Akzeptieren Sie kein Angebot das Phrasen enthält wie „zu verhandeln“, „wird nachgereicht“ oder „auf Anfrage erhältlich“. Verlangen Sie als Einkäufer vom Lieferanten ein vollständiges Angebot. Weigert er sich, schließen Sie ihn vom weiteren Vergabeprozess aus.

Besonders frustrierend ist es, erst während einer Vertragsverhandlung festzustellen, dass

  • das auf den ersten Blick interessante Angebot eines Lieferanten gar nicht alle Kosten oder gewünschten Leistungselemente umfasst und
  • der Lieferant versucht, höhere Preise durch die Hintertür durchzusetzen.

Schieben Sie dieser Taktik einen Riegel vor, indem Sie bereits im Ausschreibungstext sämtliche Preis-/Kostenkomponenten transparent untergliedern, um „Interpretationsspielräume“ auf Lieferantenseite zu verhindern.

Ein fundamentales Prinzip des „strategic sourcing“ ist es, die Gesamtkosten (TCO = total cost of ownership) und nicht nur Einzelkosten zu betrachten. Zusätzlich helfen Klauseln im Ausschreibungstext wie: „Der Anbieter versichert, dass das vorliegende Angebot alle relevanten Preisinformationen enthält“. Treffen Sie grundsätzlich keine Lieferantenauswahlentscheidung, bevor Sie nicht alle relevanten Kosten erfasst und verstanden haben.

Verkäufer-Trick 3: Appetit-Häppchen offerieren

Supermärkte offerieren häufig bestimmte Produkte unter Einstandskosten, um Kunden in den Laden zu locken. Diese „loss leader“ bedeuten zwar isoliert betrachtet Verluste für den Supermarkt. Sie werden aber dadurch überkompensiert, dass der Kunde im Hochgefühl des erfolgreichen Schnäppchenkaufs zu anderen Produkten greift, die über höhere Gewinnmargen verfügen.

Dieselbe Taktik praktizieren oft Lieferanten von Unternehmen, um (Neu-)Kunden anzulocken. Eine begrenzte Anzahl von Produkten wird nahe oder unter Einkaufs-/Produktionskosten angeboten. Andere Produkte hingegen sind mehr als profitabel kalkuliert – ohne dass die betreffende Einkaufs- oder Fachabteilung dies bemerkt.

Lassen Sie sich von dieser Taktik nicht blenden. Analysieren Sie die Preisstruktur aller für Sie wichtigen Produkte/Leistungen und nicht nur einiger ausgewählter.

Verkäufer-Trick 4: Entscheidungsdruck erzeugen

Zeit ist ein Druckmittel, auf das erfahrene Verkäufer gerne bei unerfahrenen Einkäufern setzen – zum Beispiel, indem sie kurz vor Ablauf eines Vertrags, wenn der Einkäufer keine alternativen Lieferanten mehr finden kann, plötzlich erklären: „Wir müssen leider aufgrund gestiegener Kosten unsere Preise erhöhen.“ Ebenfalls beliebt: „Unser Angebot gilt nur noch bis Ende der Woche. Danach gelten die genannten Konditionen nicht mehr.“

Zeitdruck ist ein sehr schlechter Einkaufsratgeber. Nehmen Sie Ihren Lieferanten den Wind aus den Segeln, indem Sie folgende Regeln beachten:

Machen Sie es bei einer Ausschreibung zur Bedingung, dass das Angebot des Lieferanten für einen klar definierten Zeitraum gültig ist – zum Beispiel 90 Tage.
Setzen Sie den Lieferanten selbst unter Zeitdruck. Kontaktieren Sie ihn zum Beispiel drei Monate vor Vertragsende und fragen Sie ihn, ob er den Vertrag zu niedrigeren Preisen verlängern will. Sonst wären Sie gezwungen, eine neue Ausschreibung durchzuführen.
Ermitteln Sie, wie der Verkäufer bezahlt wird und nutzen Sie zum Beispiel das Prämiensystem des Lieferanten zu Ihrem Vorteil. So werden zum Beispiel im letzten Quartal eines Geschäftsjahres von den Lieferanten häufig Extra-Prämien ausgelobt, um den Absatz noch einmal anzukurbeln. Entsprechend heiß sind die Verkäufer gerade dann auf Abschlüsse und entsprechend schnell zu Zugeständnissen bereit.

Vermeiden Sie, dass wichtige Verträge zum Beispiel zum Jahreswechsel oder mitten in der Urlaubszeit enden. Denn dann ist es für Sie meist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, in der erforderlichen Zeit von Ihren internen Kunden die Zustimmung zu alternativen Lieferanten zu erhalten. Folglich werden die bestehenden Verträge vielfach einfach fortgeschrieben.

Und noch ein Tipp: Haben Sie für die, für die Leistungserbringung Ihres Unternehmens strategisch relevanten Produkte und Dienstleistungen stets einen alternativen Lieferanten parat, auf den Sie im Bedarfsfall zurückgreifen können. Sonst werden Sie vom Lieferanten abhängig und sind leicht erpressbar.

Über den Autor

Dirk Nold

Dirk Nold Dirk Nold ist Inhaber der Einkaufs- und Beschaffungsmanagement Beratung Köln, die Unternehmen beim Neuausrichten und Optimieren ihres Einkaufs sowie beim Qualifizieren ihrer Einkäufer unterstützt. Außerdem unterstützt der Diplom-Kaufmann Nold, der vor seiner selbstständigen Beratertätigkeit unter anderem Bezirksleiter bei Aldi Süd und Verkaufsleiter bei der Vobis Microcomputer AG sowie Senior-Manager bei A.T. Kearney war, Unternehmen als Interim-Manager beim Umsetzen ihrer Einkaufsstrategie. www.dirknold.de
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