Wie entwickelt man eine Vertriebsstrategie?
Marketing & Vertrieb

Wie entwickelt man eine Vertriebsstrategie?

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Immer wieder stellt man fest, dass Vertriebsmitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag recht orientierungslos und damit ineffektiv agieren – entweder weil ihr Unternehmen keine Vertriebsstrategie hat oder weil die Strategie wichtige Fragen nicht beantwortet.

„Unsere Verkäufer sind schlecht.“ „Unser Marketing ist ineffizient.“ Solche Klagen hört man häufig von Geschäftsführern und Vertriebsleitern von Unternehmen. Spricht man jedoch länger mit ihnen oder analysiert man die Vertriebsprozesse, dann zeigt sich oft: Der Knackpunkt liegt woanders. Das Unternehmen hat keine schlüssige Vertriebsstrategie. Zwar sind gewisse Unternehmens- oder Vertriebsziele definiert wie: „Wir wollen Marktführer beim Produkt X werden.“ Oder: „Wir wollen unseren Umsatz um 30 Prozent steigern.“ Doch offen bleibt, wie – und häufig auch mit welchen Produkten und Kunden – das Unternehmen diese Ziele erreichen möchte. Entsprechend orientierungslos sind seine Verkäufer und Marketingfachleute im Arbeitsalltag, weshalb die von ihnen ergriffenen Maßnahmen fast wirkungslos verpuffen.

Strategien entwickeln heißt Fragen beantworten

Eine gute Vertriebsstrategie gibt den am Vertriebsprozess direkt und indirekt beteiligten Personen konkrete Antworten auf folgende Frage: Was (Produkt/Leistung) verkaufen wir wem (Zielkunden) mit welchen Argumenten (Positionierung) wie (Vertriebsweg) zu welchen Konditionen (Preis)? Bleibt eine der sich hinter dieser Frage verbergenden Teilfragen unbeantwortet, ist die Strategie ineffektiv.

Für eine gute Vertriebsstrategie gilt zudem: Sie beantwortet die vorgenannte Frage nicht nur für die nächsten zwei, drei Monate, sondern für mehrere Jahre, so dass die Organisation die hierfür erforderlichen Kompetenzen und Strukturen entwickeln kann unddie Mitarbeiter die nötige Orientierung haben.

Dies schließt nicht aus, dass zwischenzeitlich Akzente verschoben werden – zum Beispiel aufgrund von Marktveränderungen. Die grundsätzliche Marschrichtung sollte aber feststehen – zumindest solange nicht unvorhergesehene Ereignisse wie die Finanzkrise die Marktstrukturen völlig verändern, so dass die gesamte (Vertriebs-)Strategie überdacht werden muss.

Keine vorschnellen Antworten akzeptieren

Beim Entwickeln einer Vertriebsstrategie lassen sich mehrere Schritte unterscheiden, die in Wechselbeziehung zueinander stehen. Denn die Frage „Worin sind wir stark?“ kann beispielsweise nicht losgelöst von der Frage nach den Zielkunden beantwortet werden. Ebenso kann die Frage „Wer sind unsere Kunden?“ nicht unabhängig von der Frage „Was sind unsere Stärken?“ beantwortet werden, da ansonsten keine überzeugende Verkaufsargumentation aufgebaut werden kann. Deshalb müssen in den Prozess der Strategieentwicklung Reflexionsschleifen einbaut sein, in denen sich die Prozessbeteiligten zum Beispiel fragen: „Sind die definierten Stärken unserer Organisation tatsächlich Stärken oder doch nicht – zum Beispiel, weil unsere Zielkunden andere Bedürfnisse haben? Oder weil unsere Mitbewerber das, was wir gut können, ebenso gut, wenn nicht sogar besser können?

Mit folgenden Fragen müssen sich die Verantwortlichen in Unternehmen beim Entwickeln einer Vertriebsstrategie unter anderem befassen.

1. Was kann unsere Organisation gut? Die Kompetenzen der eigenen Organisation zu kennen, ist eine Grundvoraussetzung für das Entwickeln einer Vertriebsstrategie. Häufig stellt man gerade bei produzierenden Unternehmen fest: Sie haben bei der Analyse ihrer Kompetenz primär ihre technische Kompetenz im Blick. Sie übersehen, dass ihre Kunden meist ein Bündel von Erwartungen an ihre Lieferanten haben. Zum Beispiel, dass diese ihnen auch einen guten Service bieten. Oder dass diese Produktionsstätten weltweit haben. Oder dass diese stets lieferfähig sind. Oder dass diese in der alltäglichen Zusammenarbeit unkomplizierte Partner sind. Also gilt es bei der Kompetenzanalyse auch solche Faktoren zu untersuchen.

2. Wie „tickt“ unser Markt? Wie entwickelt er sich? Für die Analyse ihres (potenziellen) Marktes benötigen Unternehmen zunächst Zahlen, Daten und Fakten. Zum Beispiel darüber, welche Produkte des eigenen Unternehmens sich in zurückliegenden Jahren gut verkauften? Und bei welchen Produkten sowie Kundengruppen wurden die größten Zuwachsraten und Gewinnmargen erzielt? Entsprechendes Datenmaterial benötigen sie auch bezogen auf den Gesamtmarkt – auch um zu erkennen: Wo gibt es noch Potenzial?

Oft betrachten Unternehmen bei der Analyse des Marktes primär dessen aktuelle Ist-Situation. Sie führen sich nicht ausreichend vor Augen, dass eine Vertriebsstrategie vor allem die Frage beantworten soll: Womit und mit wem verdienen wir künftig unser Geld? Also müssen in die Marktanalyse auch Fragen einfließen wie:

  • Welche neuen (technischen) Problemlösungen sind in drei, fünf oder gar zehn Jahren aufgrund der technischen Entwicklung voraussichtlich möglich?
  • Wie entwickelt sich vermutlich der Markt – zum Beispiel aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben?
  • Wie verändern sich die Kundenbedürfnisse – zum Beispiel aufgrund der steigenden Energiekosten?

Ansonsten geraten Betriebe schnell in eine Situation, die man in den letzten Jahren immer häufiger bei erfolgreichen Unternehmen registriert: Plötzlich, scheinbar über Nacht brechen ihre Märkte und Umsätze weg. Zum Beispiel, weil ein Mitbewerber eine ganz neue Problemlösung auf den Markt bringt. Oder weil gewisse staatliche Fördermaßnahmen auslaufen.

3. Wer sind unsere (künftigen) Mitbewerber? Zur Marktanalyse zählt auch das Sich-Beschäftigen mit der Frage: Wer sind unsere Mitbewerber? Auch hier gilt: Wichtig ist nicht nur der Blick auf die aktuellen Mitbewerber, sondern auch darauf: Welche Unternehmen (auch außerhalb der Branche) könnten sich zu scharfen Mitbewerbern entwickeln? Zum Beispiel, weil die Kunden verstärkt via Internet einkaufen. Oder weil das Thema Energieeffizienz für die Zielkunden an Bedeutung gewinnt.

4. Was sind unsere Stärken? Welchen Nutzen bieten wir Kunden? Oft analysieren Unternehmen beim Entwickeln ihrer Vertriebsstrategie zwar ihre Kompetenzen. Sie fragen sich aber nicht scharf genug: Welche Stärken ergeben sich hieraus bezogen auf den Markt? Dies ist aber wichtig, denn nicht aus jeder Kompetenz ergibt sich unmittelbar ein Kundennutzen. Also interessiert die potentiellen Kunden die betreffende Kompetenz auch wenig. Hinzu kommt: Stärken resultieren meist aus der Kombination mehrerer Kompetenzen, über die ein Unternehmen verfügt. So nutzt es einem Unternehmen zum Beispiel wenig, wenn es technisch zwar sehr innovativ ist, aber aus seinen „Erfindungen“ keine marktfähigen Produkte entwickeln kann. Ebenso nutzt es einem Unternehmen wenig, wenn es zwar über marktfähige Produkte verfügt, seinen Kunden aber nicht den gewünschten Service bietet.

Hilfreich beim Ermitteln der Stärken ist vielfach ein Blick in die Vergangenheit und sich zu fragen: Warum haben wichtige Kunden sich für uns und nicht für unsere Mitbewerber entscheiden? Zum Beispiel, weil unsere Maschinen leichter in ihre Anlagen zu integrieren sind und weniger Wartung bedürfen. Oder weil wir eine Produktionsanlage in ihrer Nähe haben und zuverlässig liefern. Ebenso lohnt sich die Frage: Warum haben sich gewisse Zielkunden für Mitbewerber entschieden? Zum Beispiel, weil ihnen das Design von deren Produkten besser gefällt? Oder weil sie ihre Kunden intensiver betreuen? Aus den Antworten auf diese Fragen ergeben sich meist handfeste Hinweise darauf, was die wahren Stärken des Unternehmens sind, die es auszubauen gilt; des Weiteren, welche Kompetenzen das Unternehmen noch aufbauen muss, damit es seinen Mitbewerbern gewisse attraktive Kunden(-gruppen) abjagen kann.

5. Wer sind unsere Zielkunden? Potenzielle Kunden haben fast alle Unternehmen viele. Doch in der Regel haben sie nur bei einem (kleinen) Teil von ihnen eine realistische Chance, diese mit einem vertretbaren Aufwand als echte Kunden zu gewinnen. Denn kein Unternehmen ist konkurrenzlos. Zudem sind die Bedürfnisse der potenziellen Kunden, selbst wenn sie sich für das gleiche Produkt interessieren, meist so verschieden, dass es eine Illusion ist, ein Unternehmen könne sie alle als Kunden gewinnen.

Also lauten zwei wichtige Frage, die es beim Entwickeln der Vertriebsstrategie zu beantworten gilt: Bei welchen potenziellen Kunden haben wir aufgrund unserer Stärken sowie des Nutzens, den wir ihnen bieten, eine realistische Chance, sie als echte Kunden zu gewinnen? Und: Auf welche Kundengruppen sollten wir folglich unsere Marketing- und Vertriebsaktivitäten fokussieren?

Wichtig ist ein Definieren der Zielkunden auch, weil nicht bei allen potenziellen Kunden(-gruppen) dieselben Umsätze und Gewinnmargen zu erzielen sind. Also gilt es auch aus dieser Warte zu analysieren, wo sich ein Engagement lohnt.

6. Über welche (Vertriebs-)Kanäle erreichen wir unsere Zielkunden? Diese Frage gewinnt für den Vertriebs- und somit Unternehmenserfolg zunehmend an Bedeutung – nicht nur aufgrund des Siegeszugs des Internets, der zu einem veränderten Einkaufsverhalten der Kunden führt. Hinzu kommt: Aufgrund der Globalisierung vertreiben auch immer mehr Mittelständler ihre Produkte weltweit. Also stehen sie vor der Frage: Über welche Vertriebskanäle erreichen wir beispielsweise unsere Zielkunden in den USA und in Fernost? Und häufig müssen sie sich in ihren neuen Märkten für andere Vertriebswege als in ihren angestammten entscheiden. Zum Beispiel, weil die Kunden dort andere Kaufgewohnheiten haben. Oder weil die Märkte anders strukturiert sind. Oder weil ihnen schlicht das nötige Kapital fehlt, um beispielsweise in den USA ein ähnlich dichtes Vertriebsnetz wie im deutschsprachigen Raum aufzubauen.

Für das Definieren der Vertriebswege ist zunächst eine Analyse nötig, welches Kaufverhalten die verschiedenen Kundengruppen zeigen und wie sich dieses entwickelt. Zudem gilt es zu analysieren, welche Bedürfnisse die Zielkunden haben – zum Beispiel hinsichtlich der Beratung, der Liefergeschwindigkeit oder des After-Sales-Services. Hierauf aufbauend kann dann ermittelt werden: Inwieweit lassen sich diese Bedürfnisse über die verschiedenen Vertriebswege befriedigen, und welche Kosten sind damit verbunden? Am Ende dieser Überlegungen kann ein Vertriebskonzept stehen, das zum Beispiel wie folgt aussieht: Im deutschsprachigen Raum betreuen wir die Business-Kunden mit einer eigenen Vertriebsmannschaft, während wir im B-to-C-Bereich auf den Fachhandel setzen. In den USA hingegen suchen wir uns einen Vertriebspartner und forcieren den Online-Handel, um nicht zu viel Kapital zu binden.

7. Mit welchen Argumenten gewinnen wir unsere Zielkunden für uns? Selbst wenn die Produkte oder Leistungen eines Unternehmens einzigartig sind, gilt: Seine Marketingfachleute und Vertriebsmitarbeiter müssen die Zielkunden davon überzeugen,

  • dass sich für sie der Kauf des betreffenden Produkts lohnt, weil …, und
  • dass sie sich nicht für ein Wettbewerber-Produkt entschieden sollten, weil …

Das fällt den Marketingfachleuten und den Vertriebsmitarbeitern oft schwer – unter anderem, weil sie häufig zu wenig mit dem Geschäft und dem Markt ihrer Kunden vertraut sind. Deshalb wissen sie auch nicht, wo es in ihrer Organisation „brennt“ und „klemmt“. Folglich gelingt es ihnen auch nicht, das eigene Unternehmen und seine Leistungen den Zielkunden so zu präsentieren, dass zum Beispiel außer deren Technikern auch deren Betriebswirte und Verkäufer sagen: „Ja, das müssen (beziehungsweise wollen) wir haben.“

Also lautet eine weitere Aufgabe, mit den Marketingfachleuten und den Vertriebsmitarbeitern (oder stellvertretend für sie) ausgehend von den spezifischen Bedürfnissen der verschiedenen Kunden(-gruppen) gezielt Argumente zu entwickeln, warum sich diese für das Unternehmen und seine Leistungen entscheiden sollten. Denn alleine gelingt ihnen dies oft nicht.

Über den Autor

Christian Herlan Christian Herlan arbeitet als Unternehmens- und Managementberater für die international agierende Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, die auch Agile Coaches ausbildet. Sie sind auf die Themenfelder Change- und Projektmanagement beziehungsweise Vertriebsmanagement und -entwicklung spezialisiert.
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