Wie Sie eine neue Führungskultur entwickeln
Unternehmensführung

Wie Sie eine neue Führungskultur entwickeln

Dr. Daniela Kudernatsch
Am

Wir brauchen eine neue Führungskultur. Zu dieser Überzeugung gelangen immer mehr Unternehmen – aufgrund des hohen Changebedarfs in ihrer Organisation und weil ihre Führungskräfte an ihre Belastungsgrenzen stoßen.

Unternehmen müssen die Qualität ihrer Leistung kontinuierlich steigern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Problem hierbei: Ihr Management kann top-down immer schwieriger erkennen, was nötig ist, um aus Kundensicht Qualität zu produzieren. Deswegen müssen die Mitarbeiter lernen, selbst zu erkennen, was es zu tun gilt, um Qualität zu produzieren, und die erforderlichen Initiativen zu ergreifen.

Das haben in den zurückliegenden Jahren zahleiche Unternehmen erkannt. Entsprechend viele Lean Management-Projekte wurden gestartet mit den Zielen,

  • Verschwendung zu vermeiden
  • die Qualität der Leistung und somit die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und
  • die Innovationsgeschwindigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern.

Dabei lautete ein übergeordnetes Ziel stets: Die kontinuierliche Verbesserung soll ein stabiler Prozess werden, der sich selbst trägt, weil das Streben nach Qualität in den Köpfen der Mitarbeiter verankert ist.

Viele Lean-Projekte scheitern

Ein erstrebenswertes Ziel! Doch bei vielen Lean-Projekten stellen die Unternehmen nach einiger Zeit fest: Wir haben zwar unsere Mitarbeiter im Umgang mit den Lean-Methoden und -Tools geschult. Zudem steht das Einführen von „Lean“ in den Zielvorgaben unserer Führungskräfte, doch leider bleiben die erhofften Ergebnisse aus. Zwar haben wir einige punktuelle Verbesserungen erzielt, ein grundlegender Wandel vollzog sich in unserer Organisation jedoch nicht. Und in den Meetings? Dort wird zwar oft der Geist der kontinuierlichen Verbesserung beschworen, doch im Betriebsalltag ist er nicht spürbar. Vielmehr schlafen, weil wir die Köpfe der Mitarbeiter nicht erreicht haben, unsere Lean-Initiativen immer wieder ein – zumindest wenn wir top-down nicht viel Zeit und Energie investieren, um den Prozess am Leben zu erhalten.

Eine Ursache, warum viele Unternehmen diese Erfahrung sammeln, ist: Sie unterschätzen anfangs oft,

  • welch radikalen Kulturwandel es meist darstellt, eine Kultur der kontinuierlichen Veränderung in einer Organisation zu verankern, und
  • wie viel Ausdauer und Geduld es bedarf, bei den Mitarbeitern den hierfür erforderlichen Mindset zu schaffen.

Eine Lean- und KVP-Führungskultur entwickeln

Beim Start ihrer Lean-Projekte hegen viele Unternehmen die Illusion: Um die angestrebten Ziele zu erreichen, genügt es, die erforderlichen Instrumente zu implementieren und einige ausgewählte Mitarbeiter im Umgang mit ihnen qualifizieren. Dass dies eine Illusion ist, das haben inzwischen die meisten Unternehmen erkannt. Deshalb suchen sie nach Wegen, wie sie trotzdem das Ziel erreichen, eine Kultur der kontinuierlichen Veränderung in ihrer Organisation zu schaffen.

Denn: Hieran führt kein Weg vorbei. Aus folgenden Gründen: In vielen Unternehmen ist aufgrund der Globalisierung, des rasanten technischen Fortschritts und der raschen Veränderungen, die sich in ihrem Markt vollziehen, der Change-, sprich Innovationsbedarf so groß, dass er in Top-down-Projekten allein nicht mehr gemanagt werden kann – auch weil die Mitarbeiter zunehmend in netzwerkartigen Strukturen arbeiten. Deshalb kann der Change- und Innovationsbedarf immer schwieriger zum Beispiel durch eine zentrale Organisationsentwicklungsabteilung erfasst werden. Deswegen muss sich die Initiative zur Innovation und zum Produzieren von Qualität auf die Bereichs- und Prozessebene verlagern.

Entsprechendes gilt für den Lern- und Entwicklungsbedarf, der aus dem Changebedarf resultiert. Auch er ist in vielen Unternehmen so groß, dass er mit top-down organisierten Personalentwicklungsmaßnahmen immer schwieriger gedeckt werden kann. Zudem ist er so individuell, dass er zentral, zum Beispiel durch die Personalabteilung, immer schwieriger erfasst werden kann. Deswegen muss sich auch die Initiative zum Aufbau der zum Produzieren von Qualität erforderlichen Kompetenz und zum Befriedigen des hiermit verbundenen Lernbedarfs stärker auf die Bereichs- und Prozessebene verlagern.

Mitarbeiter müssen „Selbstentwickler“ werden

Viele Personalmanager erkannten diese Entwicklungslinien bereits vor Jahren. Und unter dem Stichwort „Employability“ formulierten sie die These: Die Mitarbeiter müssen „Selbstentwickler“ werden. Das heißt, die Mitarbeiter müssen lernen,

  • selbst zu erkennen, wo bei ihnen ein Entwicklungsbedarf besteht und
  • diesen entweder selbst oder mit selbstorganisierter Unterstützung zu befriedigen.

Und die operativen Führungskräfte? Sie müssen zu Persönlichkeiten heranreifen, die diese Lern- und Entwicklungsprozesse bei ihren Mitarbeitern fördern und so dazu beitragen, dass

  • die Performance ihres Bereichs kontinuierlich steigt und
  • das Unternehmen schneller auf Veränderungen reagieren kann.

Thematisiert wurde dieser Sachverhalt in Personalerkreisen zumeist theoretisch. Konkrete Konsequenzen wurden hieraus selten gezogen und wenn dann primär im Bereich Führungskräfteentwicklung. So haben inzwischen viele Unternehmen in ihren Führungsleitlinien verankert, ihre Führungskräfte sollen Coachs ihrer Mitarbeiter sein, d.h. Entwicklungsprozesse bei ihnen fördern und so dazu beitragen, dass diese auch künftig über die benötigte Kompetenz verfügen.

Führungskräfte sind überfordert

Das ist ein richtiger Ansatz, der jedoch unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu einer Mehrbelastung der ohnehin stark belasteten Führungskräfte führt. Denn zum einen sind sie nicht ausreichend für diese Aufgabe qualifiziert, und zum anderen haben ihre Mitarbeiter oft noch nicht das Bewusstsein verinnerlicht, dass sie ihre Kompetenz kontinuierlich weiterentwickeln müssen. Und schon gar nicht verfügen sie über die Kompetenz, die aufgrund veränderter Anforderungen bei ihnen entstehenden Entwicklungsbedarfe eigenständig zu erkennen und zu befriedigen.

Die Folge: Die Führungskräfte müssen im Arbeitsalltag noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Außerdem müssen sie regelmäßig korrigierend und unterstützend eingreifen, weil die erbrachte Leistung nicht mehr den Kundenanforderungen entspricht. Oder anders formuliert: Das Streben nach einer kontinuierlichen Kompetenz- und somit Qualitätsverbesserung ist noch kein stabiler Prozess. Er muss stets aufs Neue angestoßen werden, was viel Zeit und Energie seitens der Führungskräfte erfordert und ihr Gefühl des Überlastetseins forciert.

Lean Leadership: Ein möglicher Lösungsweg

Diesen Zusammenhang haben einige Unternehmen erkannt. Deshalb stellen sie ihre Personal- und Führungskräfteentwicklungskonzepte grundlegend in Frage und feilen an neuen Konzepten, um dieses Dilemma zu lösen. Dabei orientieren sie sich zunehmend am Lean Leadership-Development-Modell.

Dieses Modell unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften vier Stufen:

  • Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten und Wirken zu reflektieren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen.
  • Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.
  • Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern.
  • Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In die letzte Entwicklungsstufe sind idealerweise alle Führungskräfte und die gesamte Organisation eingebunden. Nun geht es darum, das „Silo-Denken“ zu überwinden und alle Aktivitäten so aufeinander abzustimmen, dass die übergeordneten Unternehmensziele erreicht werden.

Auf dem Weg zur lernenden Organisation

Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich die Unternehmen, dass sich die Innovationskraft ihrer Organisation erhöht; des Weiteren, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt – und zwar in dem Maße wie ihre Mitarbeiter die Kompetenz entwickeln, eigenständig ihr Verhalten und Wirken zu reflektieren und sich zu entwickeln. Insofern sehen die Unternehmen hierin auch eine Maßnahme, einem Burn-out ihrer Führungskräfte vorzubeugen. Denn eine Fiktion ist es, anzunehmen, dass der Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen und ihren Mitarbeitern lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Deswegen gilt es die Resilienz, sprich die Fähigkeit der Mitarbeiter, mit dem Druck umzugehen, zu erhöhen – jedoch nicht durch ein, zwei Stressmanagement-Seminare oder vergleichbare Work-Life-Balance-Angebote.

Ein solcher Ansatz greift zu kurz. Das haben inzwischen viele Unternehmen erkannt. Zentrales Ziel sollte es vielmehr sein, den Mitarbeitern das Bewusstsein zu vermitteln, dass die Notwendigkeit, sich zu verändern und regelmäßig die eigenen Denk- und Handlungsmuster zu überdenken, künftig ein integraler Bestandteil des Arbeitsalltags ist; des Weiteren ihnen das Selbstbewusstsein zu vermitteln „Irgendwie schaffe ich …“ beziehungsweise „… schaffen wir das schon“, so dass sie neue Herausforderungen

  • beherzt angehen und
  • sich eigenständig die erforderlichen Kompetenzen aneignen, um auch künftig Qualität zu produzieren.

Je mehr die Mitarbeiter hierzu bereit und fähig sind, umso stärker werden auch ihre Führungskräfte entlastet, da sie seltener korrigierend und unterstützend eingreifen müssen. Und das Unternehmen? Es hat seine Innovationsfähigkeit und -kraft und somit Wettbewerbsfähigkeit erhöht, da es sich zu einer lernenden Organisation entwickelt hat.

Über den Autor

Dr. Daniela Kudernatsch

Dr. Daniela Kudernatsch Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions, Straßlach bei München, die Unternehmen bei der Strategieumsetzung unterstützt. Die promovierte Betriebswirtin ist ausgebildete OKR-Masterin. Sie ist unter anderem Autorin des Buch „Hoshin Kanri – Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Management-Tools“. www.kudernatsch.com
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