„Unterschätzt die Wichtigkeit eurer Mitarbeiter nicht“
Interview mit buddhistischen Trainer

„Unterschätzt die Wichtigkeit eurer Mitarbeiter nicht“

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Unternehmensführung und Buddhismus - der buddhistischer Gelehrte, Meister Tulku Lobsang Rinpoche, vereint diese Elemente in einem Trainingsprogramm für Führungskräfte auf dem Weg hin zu mehr Gelassenheit.

Der buddhistische Meister Tulku Lobsang Rinpoche unterrichtet Führungskräfte auf der ganzen Welt. Foto: ©NangtenMenlangInternational.

Im Gespräch mit dem buddhistischen Meister Tulku Lobsang Rinpoche über Profitgier in Unternehmen und wie Dinge dort durch gute Führung verändert werden können. Grundlage ist sein aus 5 Modulen bestehendes Trainingsprogramm Leading by Living your full Potential. Dieses wurde bereits auf dem „World Economic Forum“ in der Schweiz vorgestellt.

Onpulson: Skizzieren Sie bitte kurz die Inhalte Ihres Programms.

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Unser Programm umfasst drei Ebenen: Die Gesundheit des Körpers, das Glücklichsein des Geistes und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Auf den ersten zwei Ebenen arbeitet man an sich selbst, indem der Körper und der Geist gestärkt werden. Dies geschieht zum Beispiel durch Bewegungs- und Atemübungen. Außerdem ermöglichen wir es mit unserem Programm, die unglaubliche Kraft des eigenen Geistes zu erkennen. Danach wenden wir uns den Beziehungen der TeilnehmerInnen mit ihrem Umfeld zu. Diese Beziehungen sind jene mit Kollegen, mit der Familie, aber auch mit Geld und materiellen Dingen. Hier ist es nämlich umso wichtiger, stark zu sein. Wenn man sich selbst noch nicht gut genug kennt und man sich zu sehr an die Außenwelt anpasst, entsteht zu viel Druck. Man muss erkennen, dass für alle Beziehungen das Geben und Nehmen essenziell ist. Das Ziel ist eine gesunde Balance in allem, was wir tun.

Onpulson: Sie sagen Egomanie ist Gift für das Arbeitsklima und für das Unternehmertum generell – weltweit“. Als Beispiel für das „zerstörerische Verhalten“ von leitenden Mitarbeitern nennen sie die Weltwirtschaftskrise ab 2007. Aber wird eine kapitalistische Welt und ihr Fortschritt nicht grundsätzlich durch die Gier und den Egoismus des einzelnen geprägt und welche Merkmale könnte man anstelle dessen setzen bzw. lehren?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Man muss dies von einem anderen Blickwinkel aus betrachten und von der Selbstzentriertheit wegkommen. Es ist nämlich nicht so, dass nur wegen „mir“, wegen eines Einzelnen, etwas passiert. Ich bin ein Teil des großen Ganzen und um erfolgreich zu sein, müssen alle erfolgreich sein – die MitarbeiterInnen, andere Firmen, andere Länder, usw. Früher mag es mit einem starren System und starren Strukturen noch funktioniert haben. Aber das geht gegen die Natur, da das Leben immer im Wandel ist. In unserem Programm lehren wir, flexibel zu sein und das große Ganze im Auge zu behalten. Man erkennt so, dass man nicht alleine etwas erreicht, sondern nur gemeinsam.

Onpulson: Mit Ihren Übungen sollen die Führungskräfte mehr Respekt und Verantwortung lernen. Sind diese Übungen nachhaltig oder gehen die Führungskräfte mit dem Gefühl nach Hause, was Interessantes gelernt zu haben, dies aber nicht in Ihren Unternehmen realisieren können, weil sie sich gegenüber dem Egoismus der anderen weiterhin durchsetzen müssen?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Was wir in unserem Programm lehren, ist sich selbst zu ändern. Man hat keinen Einfluss auf andere oder auf die äußeren Umstände, sondern nur auf sich selbst. Wir geben die Werkzeuge mit, um von innen heraus führen zu können. Es geht darum, einen besseren Einblick in seine eigenen Emotionen und Reaktionen zu bekommen und gleichzeitig eine klarere, gelassenere Sichtweise auf die Handlung anderer zu entwickeln und nicht sofort negativ zu reagieren. Wenn man sich selbst ändert, merken das die Leute um einen herum. Ohne dass dies je das Ziel war, werden auch sie langsam zu einer Veränderung inspiriert. Solch eine langsame, stetige Veränderung ist wirklich nachhaltig.

Onpulson: Stichwort „Überstunden“. Immer mehr Beschäftigte in der westlichen Welt fordern mehr Work-Life Balance. Ist das nicht der erste Schritt in die richtige Richtung?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Ja, es ist ein erster Schritt. Aber da diese Änderung vielleicht nicht so schnell geschehen wird, müssen wir zunächst lernen, stärker und mehr geerdet sein, damit wir mit der aktuellen Situation besser umgehen können. Es geht auch nicht unbedingt um die Anzahl der gearbeiteten Stunden, sondern darum, wie wir in diesen Stunden arbeiten. Man kann mit fünf Stunden Arbeit sehr gestresst sein und man kann mit zehn Stunden auch entspannt sein. Es geht darum, von innen heraus gelassener zu werden und eine klare Sicht zu bekommen auf alles, was man macht. Die Menschen sollen auch lernen, ihre Grenzen zu erkennen und diese nicht mehr zu überschreiten.

Onpulson: Sie lehren, Stress zu reduzieren. Was kann zu viel Stress bei Führungskräften bewirken?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Das kommt auf die individuelle Person an. Für manche führt Stress zum Burn-Out, für andere zur Depression, bei wieder anderen resultieren daraus Probleme mit dem Immunsystem, physische Krankheiten und vieles mehr. Stress wirkt sich auf den Körper und den Geist aus. Wo sich die Folgen als erstes zeigen, hängt von der individuellen Schwachstelle ab. Wenn man über Jahre hinweg kontinuierlich Stress hat, ist einfach irgendwann der Punkt erreicht, an dem der Körper oder der Geist nicht mehr kann. In unserem Programm kann man lernen, wie man aus dieser Situation und den damit einhergehenden Problemen herausfinden kann.

Onpulson: Welche Übungen können Manager in ihren Alltag einbauen, um bewusster im Geschäft zu handeln?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Wir empfehlen, den im Programm erlernten Inhalten 21 Minuten pro Tag zu widmen. In diesen 21 Minuten wird auf den schon genannten drei Ebenen gearbeitet: Körper, Geist und Leben. Für den Körper gibt es Bewegungs- und Atemübungen. Für den Geist wird Meditation geübt. Und für das Leben wird mit ausgewählten Texten, die wir im Programm genau gelernt haben, gearbeitet. So erinnert man sich wieder daran, bewusst im Leben zu stehen und sich darauf vorzubereiten, mit allem umgehen zu können, was das Leben einem bringt.

Onpulson: Unternehmen sind auf Gewinnmaximierung aus. Wie lassen sich nun die von Ihnen gelehrte Ethik mit der Gewinnmaximierung vereinbaren?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Es ist doch sicherlich im wirtschaftlichen Interesse jedes Unternehmens, gute, produktive und gesunde MitarbeiterInnen zu haben. Zudem ist eine hohe Fluktuationsrate zeitintensiv und sehr kostenaufwendig. Es ist daher nicht nur aus menschlicher, sondern eindeutig auch aus ökonomischer Sicht wichtig und sinnvoll, in die Gesundheit, die Ausgeglichenheit und die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen zu investieren. Ziel unseres Programms ist es, diese Win-Win-Situation zu schaffen.

Onpulson: Eine unserer größten Herausforderungen in den nächsten Jahren wird die zunehmende Umweltverschmutzung und der Bevölkerungswachstum sein. Wie können Unternehmen diesen Problemen begegnen?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Natürlich ist der Beitrag, den Unternehmen zur Lösung dieser Probleme beitragen können, individuell sehr verschieden. Ganz allgemein gilt, dass es wichtig ist, dass das Handeln der Führungskräfte nicht von reiner Profitgier und purem Egoismus geprägt ist. Was Problemlösungen angeht, ist es hilfreich zu lernen, dass innere Ruhe und Gelassenheit immer der bessere Ratgeber sind als Emotionen. Wenn man innerlich entspannt ist, erkennt man Möglichkeiten und Lösungen klarer. Dieser Ansatz kann auf alle Probleme übertragen werden und ist auch Teil unseres Programms.

Onpulson: Haben Sie einen Tipp für Startup-Gründer, damit sie bereits in ihrer Anfangsphase nicht die Fehler älterer Führungskräfte machen?

Meister Tulku Lobsang Rinpoche: Unterschätzt die Wichtigkeit eurer Mitarbeiter nicht. Stellt sicher, dass ihr alles tut, damit sie glücklich und gesund sind und bleiben. Die Kosten für Personalsuche und Einschulung sind enorm, im Gegensatz dazu ist es viel günstiger, sich gut um seine bestehenden Mitarbeiter zu kümmern. Außerdem sollte man auch als Unternehmensgründer die richtige Art zu arbeiten nicht aus den Augen verlieren. Versucht nicht immer, noch mehr und mehr zu machen, sondern respektiert eure Grenzen. Nur so könnt ihr langfristig produktiv arbeiten und euren Körper und Geist gesund halten.

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