Turnaround-Management: Definition, Prozess und Erfolgsfaktoren
Praxis-Wissen

Turnaround-Management: Definition, Prozess und Erfolgsfaktoren

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Oft wird das schwierige Marktumfeld als Grund für die schlechte wirtschaftliche Lage eines Unternehmens genannt. Unternehmen sollten jedoch nicht den Fehler machen, diese Tatsache als gegebenes Schicksal hinzunehmen. Viel wichtiger ist es, dass sie ihren Focus darauf legen, die Wende des Unternehmens hin zu einem Erfolgskurs – den Turnaround- einzuleiten.

Definition und Grundlagen

Als Turnaround-Management bezeichnet man die Implementierung verschiedener Maßnahmen, um auf diese Weise, ein Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Insolvenz zu bewahren.

Gerät ein Unternehmen in eine Krise, ist sehr schnell die – vermeintliche – Ursache gefunden: die allgemeine Marktsituation. Sicherlich trifft es zu, dass Unternehmenskrisen – vor allem im Mittelstand – in der heutigen Wettbewerbssituation ein alltägliches Thema geworden sind. Doch dürfen die betroffenen Unternehmen nicht den Fehler machen, diese Tatsache pauschal als unabänderlich, quasi als Schicksal hinzunehmen.

Vielmehr müssen sie alle denkbaren Anstrengungen unternehmen, die Wende des Unternehmens hin zu einem Erfolgskurs – den Turnaround – zu schaffen, die Metamorphose vom sanierungsbedürftigen Betrieb zum gesunden Unternehmen.

Während es beim Change Management um den Wandel eines gesunden Unternehmens hin zu einer stärkeren Kunden- und Qualitätsorientierung geht, handelt es sich beim Turnaround-Management um die Rettung einer sanierungsbedürftigen Firma vor der Insolvenz. Es geht um die Wende vom Misserfolg zum Erfolg, also um den überlebensnotwendigen schnellen Richtungswechsel eines Unternehmens, das in einer Existenzkrise steckt, von negativen zu positiven Cash-flows.

Der Prozess im Turnaround-Management: Die vier Phasen

Hat ein Unternehmen seine kritische Situation rechtzeitig erkannt und ist es bereit gegenzusteuern, so entwickelt sich der Turnaround in vier Phasen:

1. Die Crash-Phase

Hier geht es primär darum, die Liquidität zu sichern. Sämtliche Barreserven des Unternehmens müssen mobilisiert werden. Die Kernfunktionen und die wesentlichen Geschäftsbeziehungen sind unbedingt aufrecht zu erhalten: »Nach innen und außen, bei Mitarbeitern, Gesellschaftern und Lieferanten gilt es, Troubleshooting zu betreiben.« Dabei ist es notwendig, sehr klar Prioritäten zu setzen, die internen und externen Verantwortlichen festzulegen, gegebenenfalls externe Hilfe hinzuzuziehen und das Krisenmanagement mit den notwendigen Befugnissen auszustatten.

Parallel zu den liquiditätssichernden Aktivitäten muss das Management schnelle und konkrete Restrukturierungsmaßnahmen ergreifen, um die offenkundigen Mängel der Organisation zu beseitigen. Eine wesentliche Aufgabe des Turnaround- Teams in dieser ersten Phase ist es, die Interessen und Aktivitäten aller beteiligten Anspruchsgruppen zu koordinieren, Transparenz herzustellen und bei allen Beteiligten Vertrauen in die Durchführung und Durchführbarkeit des Richtungswechsels zu schaffen.

2. Die Einleitung des Turnarounds

Die zweite Phase im Turnaround-Management ist dadurch gekennzeichnet, dass hier die Ausgangssituation in allen relevanten Unternehmensbereichen durchgehend erfasst und analysiert, ein realisierbares Restrukturierungskonzept erarbeitet und mit den notwendigen Arbeiten für den Turnaround begonnen wird.

3. Die Realisierung der Konzepte

Diese Phase im Turnaround-Management umfasst die konkrete Umsetzung der Turnaround-Konzepte durch die organisatorische und strategische Restrukturierung des Unternehmens. Gemeinsam mit allen Mitarbeitern und Verantwortlichen werden das Sortiment der Produkte oder Dienstleistungen konzentriert und gezielt auf die Märkte und Kundengruppen ausgerichtet. Daran orientiert werden die Aktivitäten und Prozesse im Unternehmen straff aufeinander abgestimmt. Schließlich wird die Organisation funktional umgestaltet. Bei zügigem und effizientem Management bringt diese Phase die schnellsten Ergebnisverbesserungen.

4. Die Konsolidierung des Unternehmens

Hier werden die Strukturveränderungen fest verankert. Doch diese Phase vier birgt eine Gefahr: In ihrer Zufriedenheit mit dem durchgeführten Richtungswechsel und den erreichten Strukturveränderungen übersehen viele Unternehmer, dass sie hier nicht aufhören dürfen, sondern die vorwärts gerichtete, strategisch orientierte Dynamik des Turnarounds konsequent weitertreiben müssen.

Andernfalls erschlaffen alle Bemühungen mit der Folge, dass sich die Prozesse wieder umkehren. Peter Faulhaber und Norbert Landwehr: »Man ruht sich auf den Lorbeeren der harten Arbeit aus, die Lerneffekte verschleißen sich und machen alten Gewohnheiten Platz – bis zur nächsten Krise und zum nächsten Turnaround.«

Erfolgsfaktoren im Turnaround-Management

Erfolgsfaktor 1: Realistisches Turnaround-Konzept

Ein realistisches Turnaround-Konzept, das die Liquidität sichert. Grundvoraussetzung ist ein realistisches und realisierbares Konzept zur Restrukturierung des Unternehmens. Die Qualität dieses Konzepts misst sich daran, wie es die Stärken und Schwächen des Unternehmens in den Richtungswechsel einbezieht und auf welche Weise und wie schnell die vorgeschlagenen Maßnahmen realisiert werden. Diese Realisierungsfähigkeit der erarbeiteten Maßnahmen wiederum hängt von deren konsequenter Durchführung und ihrer Finanzierbarkeit ab.

Erfolgsfaktor 2: Erfahrenes Turnaround-Management

Ein erfahrenes Turnaround-Management, das den Turnaround herbeiführt. Die zweite Säule des erfolgreichen Turnarounds ist die Fähigkeit der Geschäftsleitung und der verantwortlichen Fachleute, ein aktives Turnaround-Management in der notwendigen kurzen Zeit und mit der erforderlichen Schlagkraft zu betreiben.

Erfolgsfaktor 3: Durchsetzungsfähiges Realisierungsmanagement

Ein durchsetzungsfähiges Realisierungsmanagement, welches das neue Konzept realisiert. Immer wieder begegnet man der Vorstellung, dass die existenzgefährdende Situation des Unternehmens auch ohne grundlegende Veränderungen in den vorhandenen Strukturen und Prozessen zu bewältigen sei.

Diese Ansicht ist jedoch falsch und gefährlich. Es sind ja gerade diese Strukturen und Prozesse, die das Unternehmen in die aktuelle Krise gebracht haben: die falsche strategische Richtung, konkrete Fehlleistungen, fehlerhafte Gewichtung der Unternehmensbereiche oder fruchtlose Klagen über die Schwierigkeiten des Marktes oder den unfairen Wettbewerb aus dem Ausland. Deshalb ist die dritte Säule eines erfolgreichen Turnarounds ein Management, das die Realisierung der Restrukturierungsmaßnahmen konsequent durchsetzt. Es muss dafür sorgen, dass die Unternehmensleitung vom gewöhnlichen Vorgehen Abschied nimmt, aus den eigenen Fehlern lernt und diese Lernbereitschaft an die Mitarbeiter weiter gibt.

Der Hebel im Turnaround-Management: Von der Analyse zum Konzept

Bei gesunden Unternehmen benötigen grundlegende Beratungsanalysen meist mehrere Monate. In Turnaround-Situationen fehlt diese Zeit. Die Strategieexperten Peter Faulhaber und Norbert Landwehr stellen deshalb eine Analyse vor, die vier bis sechs, in Einzelfällen maximal zehn Wochen Zeit benötigt und bereits während der laufenden Untersuchungen und Aktivitäten massive Restrukturierungen ermöglicht. Die Turnaround- Analyse bis zum fertigen Konzept erfolgt in neun Stufen:

Stufe 1:

In der ersten Stufe werden die spezifischen Erfolgsfaktoren der Branche und deren Dynamik festgestellt sowie die entsprechenden Kennzahlen des Unternehmens vor diesem Hintergrund verglichen.

Stufe 2:

Mit der zweiten Stufe im Turnaround-Management wird die Stellung des Unternehmens in Markt und Wettbewerb erfasst. Die Kunden werden mit verschiedenen Methoden der Marktforschung befragt und ihre Präferenzen, Einschätzungen des Unternehmens und seiner Wettbewerber ermittelt.

Stufe 3:

In Stufe 3 werden die Struktur und die Historie des Unternehmens analysiert sowie ihre Gesetzmäßigkeiten mit den Branchen- und Wettbewerbsnotwendigkeiten abgeglichen.

Stufe 4:

Dann werden in einer vierten Stufe als Kernstück der Turnaround- Analyse die Werterzeuger und Wertvernichter errechnet. Aus dieser Darstellung wird die zukünftige Strategie nach Sortiment, Leistungen und Zielgruppen entwickelt.

Stufe 5:

Darauf abgestimmt werden in Stufe 5 die Kernprozesse des Unternehmens auf Sinnhaftigkeit und Verbesserungsmöglichkeiten untersucht.

Stufe 6:

Stufe 6 baut auf diesen Darstellungen eine Stärken-/Schwächenanalyse mit Verbesserungsvorschlägen auf.

Stufe 7:

In Stufe 7 folgt ein Konzept zur Kostenoptimierung mit Ermittlung der Chancen zur Kostensenkung.

Stufe 8:

Auf der Grundlage der bis dahin gewonnenen Kenntnisse werden im achten Schritt Management- und Personalpotenziale untersucht.

Stufe 9:

Darauf aufbauend wird ein ganzheitliches Turnaround-Management Konzept zur Sanierung des Unternehmens erarbeitet. Dabei besteht das vielleicht wichtigste Element des ganzheitlichen Turnaround-Konzeptes in der personellen Restrukturierung.

Peter Faulhaber und Norbert Landwehr sprechen dies deutlich aus: »Mitarbeiter, die den Turnaround nicht mittragen wollen oder können, müssen ausgetauscht werden. Das ist hart. Aber wir machen in der Praxis immer wieder die Erfahrung, dass mangelnde Konsequenz gerade in diesem Punkt den Turnaround aufs Äußerste gefährdet.«Management und Mitarbeiter müssen an einem Strang ziehen. Geschieht dies nicht, wird das Vorhaben mit größter Wahrscheinlichkeit misslingen.

Frühwarnsysteme

Grundsätzlich lassen sich – am Beispiel eines Produktionsbetriebes –vier Risikofaktoren-Gruppen unterscheiden:

1. Risikofaktoren-Gruppe

Im Bereich der Produktgestaltung sind folgende Frühwarnsignale einer bevorstehenden Krisensituation denkbar: eine hohe Anzahl an Produktvarianten; eine zu hohe oder zu niedrige, der Kundenzielgruppe nicht angemessene Qualität; das Fehlen eines Bau- oder Produktgruppenkonzeptes; eine nicht mit dem Vertrieb beziehungsweise mit dem Kunden abgestimmte Produktentwicklung; die Erfüllung sämtlicher, auch exotischer Kundenwünsche.

2. Risikofaktoren-Gruppe

Betrachtet man die Produktion, so können eine gewachsene Produktionsstruktur, eine über mehrere Standorte verteilte Fertigung, mangelhafte Produktionssteuerung und das Fehlen einer Kostenverfolgung pro Wertschöpfungsstufe als Risikofaktoren gelten.

3. Risikofaktoren-Gruppe

Im Rahmen der Organisation sollte es bedenklich stimmen, wenn der Auftragsdurchlauf durch gewachsene Strukturen gekennzeichnet und die Koordination zwischen Bereichen und beziehungsweise oder Standorten unzureichend ist.

4. Risikofaktoren-Gruppe

Frühwarnsysteme im Bereich Markt/Vertrieb sind beispielsweise die fehlende strategische Positionierung der Produkte, die mangelhafte Vor- und Nachkalkulation des Vertriebs oder ein Vertrieb, der am Umsatz statt am Profit orientiert ist.

Viele Unternehmen, die heute noch schwarze Zahlen schreiben, sind latent oder akut gefährdet. Das Thema »Krise« scheint für sie in weiter Ferne zu liegen und ihr Interesse am Turnaround-Management ist eher theoretisch. Dabei müssten sie sich nur einige wenige, einfache Fragen stellen, um zu erkennen, wie nahe der überlebensnotwendige Richtungswechsel in Wirklichkeit ist.
Die Strategieexperten Peter Faulhaber und Norbert Landwehr nennen Beispiele:

  • Wurden in den vergangenen Jahren wichtige Investitionen gestrichen?
  • Haben wesentliche Know-how-Träger gekündigt oder sind zum Wettbewerber gewechselt?
  • Entwickelt sich die Zahlungsweise des Unternehmens schleppend?
  • Sind in letzter Zeit Anfragen von Banken oder Lieferanten über die Bonität des Unternehmens gestiegen?
  • Wachsen die Kosten schneller als der Umsatz?
  • Ist das Wachstum des Hauptkonkurrenten größer als das eigene?

Für Unternehmen, die einige dieser Fragen mit Ja beantworten, ist Gefahr im Verzug. Für herkömmliche Maßnahmen kann es bereits zu spät sein – ein professionelles Turnaround- Management wird zum Gebot der Stunde.

Quelle: Hermann Simon – Das große Handbuch der Strategiekonzepte, ISBN: 3593364107

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