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Christian Conrad: „Positive Bestärkung führt oft zu signifikanten Produktivitäts-Steigerungen bei Mitarbeitenden“

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Christian Conrad, Trainer und Coach berichtet darüber, dass deutsche Unternehmen in Bezug auf die Produktivität verglichen zu anderen europäischen Ländern und den USA deutlich schlechter abschneiden. Eine der Gründe sei die mangelnde Wertschätzung bei uns, die Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitenden haben. Er plädiert für authentische Kommunikation am Arbeitsplatz und emphatische Führung.

Christian Conrad ist Trainer und Coach und Autor des Buches „Magnetische Unternehmenskultur“. Er bringt über 25 Jahre Führungserfahrung und Know-how in nachhaltiger Unternehmensentwicklung mit. Bildnachweis: Norman Boesche

Onpulson: Herr Conrad, Sie sind Trainer und Coach. Auf Ihrer Website christianconrad.org schreiben Sie, dass es in Bezug auf Fachkräftemangel darum gehe, Mitarbeitende nicht nur zu halten. In Unternehmen sollte man sie begeistern, um sie zu motivieren. Wie ist die Mitarbeitendenmotivation in Bezug zu setzen zur Produktivität in Betrieben?

Christian Conrad: Laut einer aktuellen Studie, dem Gallup Engagement Index 2024, der im März 2025 veröffentlicht wurde, liegt der Anteil der Beschäftigten mit einer hohen emotionalen Verbundenheit mit ihrem Arbeitgeber bei 9 % (runter von 16% im Jahre 2023). 77 % machen demnach „Dienst nach Vorschrift“, während die übrigen 14 % bereits innerlich gekündigt haben.

In den USA liegt der Anteil der „highly engaged“ Beschäftigten dagegen bei
31 %. Eine Harvard Studie zeigt, dass Beschäftigte mit einer hohen emotionalen Verbundenheit mindestens 10 % höhere Produktivität haben als diejenigen mit einer geringen Verbundenheit. Darüber hinaus hat eine Meta-Analyse von Gallup ergeben, dass Unternehmen mit hohem Mitarbeiterengagement eine um 22 % höhere Produktivität aufweisen als solche mit geringem Engagement.

Auch bei skandinavischen Ländern, die im Durchschnitt eine höhere Produktivität aufweisen als Deutschland, lässt sich ein höheres Engagement Niveau beobachten (Schweden und Finnland 21 %, Dänemark 20 %, Norwegen 18 %).

Allerdings ist es mir wichtig anzumerken, dass Produktivität nicht ausschließlich von emotionaler Verbundenheit abhängt, sondern auch viel mit technologischem Fortschritt, effizienten Arbeitsprozessen (z.B. durch Digitalisierung), dem Bildungsgrad und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst wird.

Unterschied zwischen USA und Deutschland

Onpulson: ⁠Sie sprechen von einer geringeren emotionalen Verbundenheit der Mitarbeiter in Deutschland im Vergleich zu den USA. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptursachen für diese Differenz?

Christian Conrad: Ein wesentlicher Unterschied zwischen USA und Deutschland habe ich in Kundenprojekten festgestellt: Das Wertschätzungsniveau ist generell deutlich höher. Sprich: die deutsche Haltung „Nicht g`schimpft ist g`nug gelobt“ ist wesentlich weniger stark verbreitet als im deutschsprachigen Raum.

Mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte ist für 45 % der deutschen Beschäftigten, die ihren Arbeitgeber verlassen, der wichtigste Kündigungsgrund. Das Mehr an Wertschätzung führt zu höherer Motivation und in vielen Fällen daher zu höherer Leistungsbereitschaft und damit häufig zu höherer Produktivität.

Ein Grund für geringere Wertschätzung in Deutschland sind traditionellere, hierarchische Strukturen. Ein weiterer Grund ist generell, dass Arbeit in den USA einen höheren Stellenwert aufweist als bei uns. Während Amerikaner eher der „Leben, um zu arbeiten“-Einstellung folgen, vertreten Beschäftigte in Deutschland eher die Haltung „Arbeiten, um zu leben“.

Entsprechend wichtiger ist bei uns das Thema Work-Life-Balance. Sicherlich spielen auch arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle: Wenn der Arbeitsplatz weniger sicher ist, steigt häufig auch die Einsatzbereitschaft, weil von diesem Einsatz mehr abhängt.

Emotionale Bindung entscheidend

Onpulson: ⁠Inwiefern spielt die emotionale Bindung der Mitarbeiter eine Rolle bei der Produktivität eines Unternehmens?

Christian Conrad: Wer Freude an seiner Arbeit hat, seine Tätigkeit als sinnvoll ansieht und sich gut mit seinen Kollegen versteht, wird in der Regel auch leistungsbereiter sein und eher die „Extrameile“ gehen als jemand, der seiner Arbeit und seinem Arbeitgeber gegenüber eher gleichgültig eingestellt ist.

Onpulson: ⁠Amerikanische Führungskräfte setzen stärker auf Wertschätzung und Lob. Warum, glauben Sie, wird dieser Aspekt in Deutschland oft unterschätzt?

Christian Conrad: Deutsche Führungskräfte sind häufig der Auffassung, dass nur für ganz besondere, herausragende Leistungen ein Lob oder positives Feedback ausgesprochen werden sollte. Sie denken auch, dass man Mitarbeitende durch zu viel positives Feedback „verderben“ könne. Sie unterschätzen damit wie wichtig es den meisten Menschen ist, dass ihr Einsatz für das Unternehmen, ihre gute Arbeit, ihre hilfreichen Beiträge gesehen und wertgeschätzt zu werden.

Onpulson:⁠ ⁠Welche konkreten Veränderungen in der Unternehmenskultur wären Ihrer Meinung nach notwendig, um das Engagement der Mitarbeitenden in deutschen Unternehmen zu steigern?

Christian Conrad: Aus meiner Perspektive sind drei Aspekte wichtig:

  1.  Mehr zuhören. Ich nenne diese Art des Zuhörens „Verbindendes Zuhören“, nämlich ein Zuhören, das zum Ziel hat, die Verbindung zwischen mir und meinem Gegenüber zu stärken und nicht primär das Finden von Lösungen im Vordergrund zu haben. Effekt von mehr (verbindend) zuhören: Weniger Missverständnisse (und damit deutlich erhöhte Produktivität) und gesteigertes Vertrauen.
  2. Positiv bestärken. Ich empfehle das klassische Lob („gut gemacht!“) einzutauschen gegen eine an psychologischen Bedürfnissen orientierter positiver Bestärkung, die sehr spezifisch sein sollte. Das bedeutet: Öfters mal Danke sagen, Mitarbeitenden den Rücken stärken und Kollegen, Vorgesetzte und Beschäftigte ermutigen, um sie dabei zu unterstützen, ihr Potenzial zu entwickeln und zu entfalten.
  3. Feedforward einholen. Feedback ist gut, Feedforward stärkt noch eher das Engagement. Der Autor Marshall Goldsmith hat den Begriff geprägt. Wer zu Dingen, die er verbessern will, Kollegen, Mitarbeitende, Vorgesetzte aus anderen Teams oder Bereichen, um Rat einholt, stärkt die emotionale Verbundenheit mit Menschen aus diesen anderen Unternehmensbereichen.

Onpulson:⁠ ⁠Könnten regelmäßige Anerkennung und Lob tatsächlich zu einer Produktivitätssteigerung führen, oder sind andere Maßnahmen ebenso wichtig?

Christian Conrad: Regelmäßige positive Bestärkung führt oft zu signifikanten Produktivitäts-Steigerungen bei Mitarbeitenden. Das bedeutet nicht, dass andere Maßnahmen nicht auch wichtig sind, wie z.B.

  • Prozessverbesserungen
  • Schaffung von Zielklarheit auf allen Ebenen
  • Mitarbeitendenschulungen / Trainings

Bildnachweis: istockphoto.com/Miodrag Kitanovic

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