Flucht ins Ausland – Chancen nutzen, Steuerfallen vermeiden
Beispiel Wegzugsteuer

Flucht ins Ausland – Chancen nutzen, Steuerfallen vermeiden

Porträtfoto von Prof. Dr. Christoph Juhn, Geschäftsführender Partner von der JUHN Partner GmbH
Am

Teurer Strom, teure Kredite – und der Umsatz stagniert. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, rücken internationale Märkte zunehmend in den Fokus der Expansionspläne mittelständischer Unternehmen. Besonders gefragt sind wirtschaftlich attraktive Standorte mit schlanker Bürokratie und steuerlichen Vorteilen. Ob Vereinigte Arabische Emirate, Schweiz, Irland oder USA – wer seine unternehmerischen Aktivitäten ins Ausland verlagern möchte, sollte dies mit Bedacht tun.

Wer ohne fundierte Vorbereitung expandiert, riskiert hingegen oftmals kostspielige Fehler – vor allem steuerlich. Dank einer vorausschauenden Planung lassen sich Stolperfallen aber geschickt umgehen und Investitionsspielräume sichern.

Ob Dubai mit 0 bis 9 Prozent Körperschaftsteuer, Irland mit 12,5 Prozent oder die Schweiz mit ihren kantonalen Steuervergünstigungen – international gibt es viele Standorte mit steuerlichen Anreizen für Unternehmen. Auch die USA locken mit attraktiven F&E-Gutschriften und steuerlich geförderten IP-Strukturen. Hinzu kommen oft geringere Bürokratie, schnellere Genehmigungsverfahren und ein unternehmerfreundliches Umfeld. Gleichzeitig winkt Zugang zu neuen Absatzmärkten und Fachkräften. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmer über einen Schritt ins Ausland nachdenken. Doch wo Chancen liegen, lauern auch steuerliche Herausforderungen – insbesondere für all jene, die ihren steuerlichen Hauptsitz in Deutschland beibehalten oder Vermögenswerte verlagern möchten.

Wegzugsteuer: Eine kostspielige Falle

Wer seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagern möchte, sollte sich frühzeitig mit der deutschen Wegzugsteuer und der Entstrickungsbesteuerung auseinandersetzen – sie stellen eine nicht zu unterschätzende Hürde für Auswanderungswillige dar. Ist Vermögen mit stillen Reserven verbunden, bleibt der deutsche Fiskus wachsam und ein Abschied ohne Abrechnung ist kaum möglich. Besonders betroffen sind Anteilseigner von Kapitalgesellschaften, die mindestens 1 Prozent an einer GmbH oder AG halten. Aber auch Unternehmen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz ins Ausland verlagern, müssen in der Regel Steuern zahlen (Entstrickungsbesteuerung).

Hintergrund dieser Regelungen ist der Anspruch des deutschen Staates, Wertzuwächse, die in der Bundesrepublik (BRD) entstanden sind, auch hierzulande zu besteuern – selbst wenn die tatsächliche Realisierung erst im Ausland erfolgt. Relevanz hat die Wegzugsteuer für alle, die in den letzten zwölf Jahren mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland waren. Die Höhe der Abgabe bemisst sich dabei nach dem Unterschied zwischen den Anschaffungskosten der Anteile an der Kapitalgesellschaft und dem aktuellen Marktwert – das heißt den stillen Reserven. Zieht etwa ein Anteilseigner einer GmbH, deren Marktwert bei 3 Millionen Euro liegt und deren Anschaffungskosten sich auf 1 Million Euro belaufen, ins Ausland, hat dieser die stille Reserve von 2 Millionen Euro in Deutschland der Besteuerung zu unterwerfen.

Die darauf entfallenden Steuern betreffen prinzipiell auch immaterielle Güter. Patente, Markenrechte oder der Firmenwert (Goodwill) können erhebliche stille Reserven in sich tragen. Hat ein Patent beispielsweise einen Buchwert von 0,5 Millionen Euro, aber einen Marktwert von 2 Millionen Euro, erfasst der Fiskus auch diese Differenz von 1,5 Millionen Euro steuerlich.

Gestaltungsmodelle für Europa, die USA und Dubai

Die gute Nachricht: Es existieren je nach Zielland legale Wege, die Wegzugsbesteuerung zu umgehen. Für die VAE ist eine davon die Beibehaltung eines Wohnsitzes in Deutschland. Verlagert ein Unternehmer seinen Lebensmittelpunkt etwa nach Dubai, behält aber weiterhin einen steuerlichen Wohnsitz in der BRD – etwa durch eine kleine, nicht vermietete Wohnung –, bleibt er hierzulande weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig. In diesem Fall kann Deutschland auch nach dem Wegzug den Wertzuwachs von GmbH-Anteilen beim späteren Verkauf besteuern, ohne dass eine sofortige Wegzugsbesteuerung ausgelöst wird. Der Vorteil? Deutschland hat zwar das Besteuerungsrecht für die Veräußerungsgewinne, aber aufgrund der fehlenden Einkommensteuer in den VAE erfolgt keine Doppelbesteuerung.

In Staaten wie Irland, der Schweiz oder den USA mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hat, gelten hingegen andere Maßgaben: Zwar schützt das DBA nicht vor der Wegzugsbesteuerung selbst, schränkt jedoch die zukünftigen Besteuerungsrechte Deutschlands ein – insbesondere bei späteren Anteilsveräußerungen. Ein gut strukturiertes Holdingmodell kann hier helfen, rechtliche und steuerliche Klarheit zu schaffen.

Darüber hinaus ermöglichen diese Länder attraktive steuerliche Sonderregime: In Irland und der Schweiz bieten sogenannte Patentboxen niedrigere Steuersätze auf Einkünfte aus geistigem Eigentum, vorausgesetzt, es besteht eine hinreichende Substanz vor Ort. Die USA wiederum fördern mit dem FDII-Regime (Foreign-Derived Intangible Income) die Nutzung von US-entwickeltem geistigem Eigentum im Ausland – bei vergleichsweise niedriger effektiver Besteuerung. In allen Fällen gilt: Eine frühzeitige, länderspezifische Planung der Struktur ist entscheidend, um die deutsche Entstrickungsbesteuerung rechtssicher zu vermeiden.

Clever expandieren, statt teuer umziehen

Eine internationale Ausrichtung eröffnet mittelständischen Unternehmen neue Chancen. Allerdings ist sie kein Selbstläufer. Gerade steuerlich gilt: Wer zu spät plant, zahlt oft doppelt. Ob Dubai, Schweiz, Irland oder USA – jedes Zielland bringt eigene steuerliche Spielregeln mit sich. Wer seinen Lebensmittelpunkt oder Unternehmensstrukturen ins Ausland verlagern möchte, sollte daher frühzeitig analysieren, welche Gestaltungsmodelle rechtssicher und wirtschaftlich sinnvoll sind.

Mit einer durchdachten Struktur, Substanznachweis und steuerlicher Expertise lassen sich viele Stolperfallen umgehen – und gleichzeitig neue finanzielle Spielräume schaffen. Denn strategische Steuerplanung ist kein Schlupfloch, sondern ein klarer Standortvorteil im globalen Wettbewerb.

  1. Base erosion and profit shifting. OECD. Abgerufen am 18.06.2025.
  2. Instructions for form. IRS (amerikanische Steuerbehörde). Abgerufen am 18.06.2025.
  3.  UAE corporate tax to bolster future economic sustainibility. Vereinigte Arabische Emirate, ministry of finance. Abgerufen am 18.06. 2025
  4. Revenue. Knowledge development box. Irish Tax and customs. Abgerufen am 18.06.2025.
  5. Revenue. Corporation tax. Irish Tax and Customs. Abgerufen am 18.06.2025.
  6. KMU-Portal für kleine und mittlere Unternehmen. Schweizerische Eidgenossenschaft. Abgerufen am 18.06.2025.

Bildnachweis: istockphoto.com/MarianVejcik

Über den Autor

Porträtfoto von Prof. Dr. Christoph Juhn, Geschäftsführender Partner von der JUHN Partner GmbH

Prof. Dr. Christoph Juhn Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und Gründer der JUHN Partner GmbH und der JUHN BESAU GmbH. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht und Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A). www.juhn.com
Zum Autorenprofil

Kommentare

Kommentar schreiben:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Erhalten Sie jeden Monat die neusten Business-Trends in ihr Postfach!
X