Trainer Mario Neumann

„Ein guter Chef schätzt es, wenn Sie ihm als Projektleiter vorab Fragen stellen“

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Der Projektberater und Trainer Mario Neumann weiß, wie man kleine und mittlere Projekte realisiert. Leider würden in der gängigen Literatur und in Seminaren vor allen Dingen Großprojekte wie milliardenschwere Kraftwerke diskutiert - erklärt er im Interview auf Onpulson. Dies gehe aber an der Wirklichkeit vieler mittelständischer Unternehmen vorbei.

Mario Neumann, Projektberater und Trainer, setzt in seinen Seminaren auf ein Lernprogramm aus modularen Bausteinen – anpassbar an den Bedarf jeder Zielgruppe. Bildnachweis: Mario Neumann

Onpulson: Herr Neumann, Sie sind Ingenieur mit langjähriger Erfahrung als Projektleiter. Seit 2008 beraten sie Projektleiter und betreiben die Webseite marioneumann.com

Viele Projektmanagement-Trainings setzen stark auf Methoden, Regeln und Checklisten. Warum halten Sie diesen Ansatz für zu eindimensional – und was fehlt aus Ihrer Sicht, damit Projekte wirklich erfolgreich werden.

Mario Neumann: Speziell im Projektmanagement besteht die Gefahr, in Trainings die Methodik überzubetonen und die Teilnehmer mit einer Vielzahl von Mustervorlagen und Checklisten zu „quälen“ – als würden diese den Projekterfolg sicherstellen. Dabei bleiben Flexibilität und situatives Urteilsvermögen oft auf der Strecke.

Als Projektleiter hat man es im Arbeitsalltag mit unterschiedlichen Menschen und Situationen zu tun, die sich nicht immer an die Pläne halten. Selbst wenn man die grundlegenden Methoden und Instrumente des Projektmanagements beherrscht, wird man schnell merken, dass diese für den Projekterfolg nicht ausreichen. Projektleiter brauchen daher nicht nur Struktur, sondern vor allem Führungskompetenz, Konfliktstärke und die Fähigkeit, die Zusammenarbeit im Team gezielt zu gestalten.

Onpulson: Wie unterscheiden Sie Ihrer Meinung nach die Anforderungen kleiner und mittelgroßer Projekte im Mittelstand von Großprojekten der Industrie, und welche pragmatischen Ansätze würden Sie empfehlen, um frühe Fehlentwicklungen zu vermeiden?

Mario Neumann: Meistens ist es nur eine vage Idee, aus der heraus ein kleines oder mittelgroßes Projekt gestartet wird. Weder ist klar, was das eigentliche Projektziel ist, noch was da im Projektverlauf auf die Beteiligten zukommen wird. Viele dieser Projekte werden deshalb nicht richtig eingeschätzt – früher oder später gerät das Vorhaben in Schwierigkeiten.

Da taucht der Chef auf, betraut einen seiner Mitarbeitenden mit einem Projekt – und überlässt ihn mit einem aufmunternden „Machen Sie mal!“ sich selbst. Der Betroffene fühlt sich überfordert und weiß nicht, wie er das Projekt halbwegs ordentlich über die Bühne bringen soll. Er sucht Rat in Büchern und Seminaren, kann aber damit nur wenig anfangen: Die dort vorgestellten Instrumente sind meist weit überdimensioniert.

Diese PM-Techniken wurden für Großprojekte wie Autobahnen oder milliardenschwere Kraftwerke entwickelt, nicht jedoch für kleinere und mittlere Projekte. Sie hierauf anzuwenden ist vergleichbar mit dem Ansinnen, eine Molkerei zu bauen, um ein Glas Milch zu bekommen.

Onpulson: Sie arbeiten mit praxisnahen Werkzeugen, die besonders für kleine und mittlere Projekte geeignet sind. Können Sie ein Beispiel nennen, wie Unternehmer oder Führungskräfte solche Tools im Tagesgeschäft direkt anwenden können?

Mario Neumann: Grundsätzlich gilt: Projektideen sind fast nie durchdacht. Woher auch? Weder nehmen sich Unternehmer oder Führungskräfte dafür die Zeit, noch stecken sie dazu tief genug im Thema. In aller Regel werden sie das Thema deshalb nur kurz anreißen. Wesentliche Eckpunkte wie Zeitrahmen, Kosten und Umfang werden sie höchstens in Ansätzen definieren. Kurzum: Sie nehmen das Projekt auf die leichte Schulter. Es ist nur ein kleineres Projekt!

Wenn Projektleiter die leichtfertige Haltung Ihres Auftraggebers übernehmen und nun einfach loslegen, begeben sie sich in Teufels Küche. Überraschungen und Kehrtwendungen sind unvermeidlich, ein ständiger Zickzackkurs gefährdet den Projekterfolg. Zu spät dämmert dann die Erkenntnis, dass die Ursache in einem Projektauftrag liegt, der nicht zu Ende gedacht war.

Die Frage ist daher: Wie können wir nun konkret vorgehen, wenn wir als Projektleiter einen klaren Kurs fahren möchten? Ein bewährtes Instrument, das ich Projektleitverantwortlichen wie Führungskräften gerne vorstelle, ist der Zielkreis. Er beantwortet vier wesentliche Fragen: Wozu dient das Projektergebnis? Für wen ist das Projekt gedacht? Was konkret soll erreicht werden? Wann ist das Projekt ein Erfolg?

Onpulson: Es hört sich so einfach an: „Frag den Auftraggeber, wenn du einen klaren Auftrag haben möchtest.“ Nur: Der Auftraggeber ist nicht irgendwer, sondern meistens der eigene Chef oder womöglich ein hoher Manager. Was raten Sie den Projektverantwortlichen, wenn sie der Mut verlässt?

Mario Neumann: Viele angehende Projektleiter halten es für ein Zeichen von Schwäche, wenn sie zu Beginn des Projekts noch jede Menge Fragen haben. Deshalb trauen sie sich nicht, ihren Auftraggeber damit zu belästigen. Das Gegenteil ist aber der Fall! Ein guter Chef schätzt es, wenn Sie ihm als Projektleiter vorab Fragen stellen. Das zeigt Interesse und Engagement. Unwirsche Reaktionen sind da eher selten. Außerdem ist eine gute, pragmatische Auftragsklärung die beste Visitenkarte. Daher: Fragen Sie!

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen der Auftraggeber ablehnend reagiert und versucht, sich einer Auftragsklärung zu entziehen. Möglicherweise reagiert er genervt auf Ihr „Sicherheitsbedürfnis“ oder zeigt sich ungehalten über die „unnötige Verzögerung“, die eine sorgfältige Auftragsklärung mit sich bringt.

Wenn sich Ihr Auftraggeber einer sorgfältigen Auftragsklärung entzieht, ist das ein deutliches Warnsignal. Es kann entweder bedeuten, dass Ihr Auftraggeber selbst (noch) nicht genau weiß, was er mit dem Projekt eigentlich bezwecken will. Oder er legt sich prinzipiell nicht gerne fest, weil er damit ja auch eine gewisse Verantwortung übernehmen würde. Beides kann Sie früher oder später in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.

Onpulson: Gerade im Mittelstand laufen Projekte oft parallel zum operativen Geschäft und unter hohem Zeitdruck. Welche Strategien empfehlen Sie, um dennoch den Überblick zu behalten und Projekte erfolgreich abzuschließen?

Mario Neumann: Bei kleineren Projekten hält sich die Komplexität in Grenzen – und das Risiko, den Überblick zu verlieren und sich zu verzetteln, ist nicht so groß wie in umfangreichen Großprojekten. Die viel größere Gefahr liegt im Tagesgeschäft, das den „Nebenerwerbs-Projektleiter“ immer wieder dazu zwingt, seine Arbeit am Projekt hinauszuschieben.

Erfahrene Projektleiter kennen das Problem. Bevor sie das Vorhaben im Detail strukturieren, machen Sie deshalb eine Planung quasi auf einer höheren Ebene: Sie notieren die zeitkritischen Ereignisse im Projekt, deren termingerechte Einhaltung für den Projekterfolg entscheidend ist. Diese Ereignisse sind die „Meilensteine“ des Projekts.

Gibt es hier Verzögerungen, zieht dies in der Regel Verspätungen bei weiteren wichtigen Terminen nach sich. Der große Vorteil eines solchen Meilensteinplans liegt darin, diese Verschiebungen transparent zu machen und allen Beteiligten vor Augen zu führen.

Onpulson: Konflikte im Team oder fehlende Weisungsbefugnis gehören für Projektleiter häufig zum Alltag. Wie können sie dennoch souverän führen und das Team motivieren?

Mario Neumann: „Schluss! Aus! Basta! Wir machen es jetzt so, wie ich es sage!“ Welcher Projektleiter hätte sich nicht schon einmal gewünscht, seinen Willen mit einem einzigen Machtwort durchzusetzen? Meist bleibt das ein Traum, denn ein Projektverantwortlicher besitzt keine disziplinarische Weisungsbefugnis, hat daher im Grunde „nichts zu sagen“.

In vielen Projekten wirft das Problem auf: Teammitglieder stimmen der Erledigung einer Aufgabe erst zu – und verkünden dann in der nächsten Projektbesprechung, sie seien leider nicht dazu gekommen. Auch kleine Projekte stellen Projektleiter immer wieder vor große Führungsanforderungen. Oft übernehmen frischgebackene Projektleiter ihr Projekt, ohne genügend auf ihre Führungsrolle vorbereitet zu sein.

Während der gesamten Projektzeit stehen Projektleiter immer wieder vor der Herausforderung, ihre Teammitarbeiter anleiten zu müssen, ohne auf die Befugnisse eines direkten Vorgesetzten zurückgreifen zu können. Spätestens wenn erste ernsthafte Meinungsverschiedenheiten auftreten, benötigen Sie deshalb ein Mindestmaß an Autorität, um Ihre Vorstellungen dennoch durchsetzen und das Projekt voranbringen zu können.

Onpulson: Sie haben für Ihre Arbeit bereits renommierte Preise erhalten. Was macht Ihren Ansatz im Projektmanagement so innovativ – und warum können mittelständische Unternehmen davon profitieren?

Mario Neumann: Ich setze in meinen Projektmanagement-Seminaren konsequent auf einen sehr praxisnahen „Factory- und Baukasten-Ansatz“. Dies bedeutet, dass das Lernprogramm aus modularen Bausteinen besteht, die sich flexibel kombinieren und auf den konkreten Bedarf der Zielgruppe zuschneiden lassen.

Die Factory-Komponente besteht aus standardisiertem, praxisnahem Musterprozesse, Templates und Methoden, die schnell reproduziert und im Alltag eingesetzt werden können. Die Baukasten-Komponente basiert auf einer Auswahl an Bausteinen, die je nach Branche, Reifegrad und Projektkomplexität zu einem individuellen Curriculum zusammengefügt werden. Ziel ist die maximale Umsetzbarkeit mit kleinem Aufwand: Klare, leicht anpassbare Tools statt komplexer Schulungsmethoden, schnelle Ergebnisse und direkte Transfermöglichkeiten in den Betrieb.

Bildnachweis: istockphoto.com/AnaMOMarques

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