Warum der Mittelstand die Forschungszulage zu selten nutzt – und wie es besser geht
Häufigsten Hürden

Warum der Mittelstand die Forschungszulage zu selten nutzt – und wie es besser geht

Porträtfoto von Sabine Hentschel, Gründerin und Geschäftsführerin der Hentschel Fördermittelberatung GmbH
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Deutschlands FuE-Landschaft (Forschung und Entwicklung) ist international konkurrenzfähig: 2023 flossen rund 129,7 Mrd. € in Forschung und Entwicklung – ein Beleg für ihre wirtschaftliche Bedeutung. Es unterstreicht außerdem die Erwartung, dass öffentliche Förderinstrumente mittelständische Innovationskraft unterstützen sollten. Genau hier setzt seit 2020 die steuerliche Forschungszulage an: Sie gewährt 25 % Zuschuss auf förderfähige F&E-Kosten, für KMU sogar 35 %.

Darüber hinaus wurde der Anwendungsrahmen in den letzten Jahren schrittweise ausgeweitet, dahingehend dass sich die maximale förderfähige Bemessungsgrundlage und die Antragsmodalitäten an aktuelle Bedürfnisse anpassen. Die Bundesregierung und das Bundesfinanzministerium positionieren die Forschungszulage als flankierendes Instrument auf steuerlicher Ebene neben der ganz klassischen Projektförderung.

Antragszahlen seit 2020: Nachfrage ja, aber regionale Schieflagen

Seit Start der statistischen Erfassung wurden für die Forschungszulage seit September 2020 zehntausende Anträge gestellt; die offizielle Bescheinigungsstelle meldet zum Stichtag 30. September 2025 insgesamt 40.276 Anträge und 45.573 Vorhaben. Diese Zahlen signalisieren zweifellos Nachfrage und Akzeptanz des Instruments. Gleichzeitig zeigt die Verteilung der Antragsteller nach Betriebsgröße und Region allerdings deutliche Schieflagen: Anträge kommen überproportional aus großen innovationsstarken Bundesländern und aus Unternehmen, die bereits FuE-Strukturen und -Erfahrungen haben.

Parallel dazu berichten Institutionen wie die KfW, dass die Innovationsbeteiligung im Mittelstand stagniert; die „Innovatorenquote“ lag zwischen 2021 und 2023 bei rund 39 Prozent – das heißt weit mehr als die Hälfte der KMUs meldeten in diesem Zeitraum keine innovationsbezogene Aktivität oder hatten keinen nennenswerten FuE-Aufwand. Deshalb wirken die Antragszahlen zwar positiv, relativieren sich aber vor dem Hintergrund, dass ein viel größerer Teil der Mittelständler die Forschungszulage offenbar nicht in Anspruch nimmt.

Branchenspezifika und Ressourcen: Warum viele KMU außen vor bleiben

Die Beobachtung, dass viele Mittelständler die Zulage nicht aktiv nutzen, lässt sich monokausal nur schwierig erklären. Ein zentraler Faktor steckt in der Heterogenität der KMUs selbst: Während forschungsintensive Mittelständler in Maschinenbau, Automobilzulieferung oder Biotechnologie einen direkten Bezug zu klassischen FuE-Kosten haben, bestehen in anderen Branchen oft weniger klare, formalisierbare Entwicklungsstrukturen. In solchen Fällen fehlt eine offensichtliche Zuordnung von Arbeitszeit zu förderfähigen Forschungsaufgaben, wodurch der Anreiz zur Antragstellung sinkt.

Ein weiterer struktureller Grund liegt in der Verfügbarkeit interner Ressourcen. Mittelständler arbeiten häufig mit knappen Personal- und Führungskapazitäten; Zeit, sich in neue Förderinstrumente einzuarbeiten oder ein internes Projektmanagement für FuE-Aufwände aufzubauen, steht nur begrenzt zur Verfügung. Dies resultiert oft in einer pragmatische Entscheidung zugunsten des Tagesgeschäfts – Investitions- und Innovationsprojekte werden zwar angedacht, aber nicht systematisch für die Beantragung von Fördermitteln aufbereitet.

Regionale und sektorale Disparitäten verstärken diesen Effekt: Innovationszentren wie Bayern und Baden-Württemberg sind überproportional vertreten, während sich Betriebe in ostdeutschen Regionen weniger aktiv zeigen. Dieser Unterschied rührt nicht allein von Kapazitäten, sondern auch von Netzwerken, Zugängen zu Forschungspartnern und Beratungsinfrastruktur her.

Bürokratie, Wissenslücken und Kultur: Die häufigsten Hemmnisse

Neben strukturellen Ursachen kristallisieren sich in Gesprächen mit Entscheidern vor allem bürokratischer Aufwand und fehlendes Wissen als häufige Hemmnisse heraus. Antragsschritte erfordern formale Nachweise: Eine qualifizierte Projektbeschreibung, eine Bescheinigung durch die zentrale Bescheinigungsstelle, Dokumentation förderfähiger Personalkosten und, je nach Fall, Abstimmungen mit Steuerberatern.

Für KMUs ohne routinierte steuerliche Expertise erscheint dieser Prozess aufwendig. Hinzu kommt, dass viele Unternehmer die Zulage entweder gar nicht kennen, fälschlicherweise glauben, nur große, forschungsintensive Konzerne könnten profitieren, oder sie unterschätzen die Förderhöhe im Verhältnis zum Aufwand.

Obwohl für Antrags- und Bescheinigungsverfahren keinerlei Kosten anfallen, entstehen diese natürlich durch das unvermeidliche Binden von Mitarbeiterkapazitäten. KMUs manövrieren zudem oft risikobewusst und kurzfristig orientiert; Forschung bedeutet jedoch inhärent Unsicherheit und zeitliche Streckung. Viele Entscheider in Familienbetrieben oder Ein-Personen-Unternehmen messen Rentabilität in engeren Zeitfenstern und zeigen sich weniger dazu bereit, Ressourcen in Vorhaben zu binden, deren Erträge erst später kommen. Diese kulturelle Komponente reduziert die Bereitschaft, sich aktiv um FuE-Förderung zu bemühen, selbst wenn Mittel vorhanden und greifbar sind.

So nutzen KMU die Forschungszulage: Hürden abbauen, Chancen heben

Zuvor skizzierte Hemmnisse deuten auf zwei Hebel: Erstens braucht es ein besseres Informations- und Beratungsangebot, das niedrigschwellig, praxisorientiert und regional verankert ist. Zweitens helfen standardisierte Tools und Checklisten, die formale Hürde zu senken – etwa Vorlagen für Projektbeschreibungen oder Tools zur Erfassung förderfähiger Personalkosten. Auf Ebene der Förderpolitik im Gesamten, wäre eine weitergehende Entbürokratisierung wünschenswert, kombiniert mit gezielten Awareness-Kampagnen für Branchen mit geringer Forschungsintensität.

Denn trotz der genannten Hürden bleibt die Kernbotschaft klar: Die Forschungszulage bietet erhebliche Vorteile. Für KMUs kann eine zusätzliche Förderung von bis zu 35 Prozent die Innovationsökonomie nachhaltig verbessern, Liquidität schaffen und Entwicklungen erheblich beschleunigen. Das Instrument bietet eine strategische Chance, Forschungskosten planbar zu machen und Innovationen fest im Unternehmen zu verankern. Entscheidend ist: Die Beantragung ist kein Hexenwerk.

  1. Forschung und Entwicklung. Statistisches Bundesamt. 07.03.2025.
  2. Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung. Bundesministerium der Finanzen.

Bildnachweis: Unsplash

Über den Autor

Porträtfoto von Sabine Hentschel, Gründerin und Geschäftsführerin der Hentschel Fördermittelberatung GmbH

Sabine Hentschel Sabine Hentschel ist Gründerin und Geschäftsführerin der Hentschel Fördermittelberatung GmbH. Sie berät kleine und mittlere Unternehmen sowie Konzerne bei der erfolgreichen Beantragung von Fördermitteln aus Bund, Ländern, EU und Stiftungen. Ihr Schwerpunkt liegt auf Innovations- und Technologieförderung, insbesondere auf Programmen wie der Forschungszulage. hentschel-foerdermittel.de
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