Restrukturierungen im Unternehmen klug steuern: Strategien für nachhaltigen Erfolg
Budgets sind knapper, Zeitfenster enger und der Blick nach vorne trübt sich häufig ein? Schwächeln Unternehmen, fühlt sich jede noch so kleine Entscheidung gewichtiger an als sonst. Dabei entscheidet nicht nur die operative Exzellenz darüber, wie gut ein Betrieb finanziell durch die Krise kommt. Eine Schlüsselrolle spielt das Steuerrecht. Restrukturierungen, Fusionen oder Carve-outs bergen Chancen, aber auch erhebliche Risiken. Wer steuerliche Fallstricke frühzeitig erkennt, kann Verluste vermeiden, Liquidität schonen und sich strategische Bewegungsfreiheit sparen.
Wie sich bereits 2024 im Deloitte Restructuring Report abzeichnete, sorgen die geopolitischen und volkswirtschaftlichen Entwicklungen dafür, dass die Zahl der Restrukturierungen hierzulande zunimmt, auch wenn die einzelnen Fälle an Komplexität gewinnen. Besonders betroffen sind Bau- und Immobilienwirtschaft, Automobilzulieferer, der stationäre Handel und das Gesundheitswesen. Spätestens seit Sommer 2025 spiegeln auch die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts wider, dass aus abstrakter Unsicherheit realwirtschaftliche Konsequenzen geworden sind.
Im September gab es bei den beantragten Regelinsolvenzen einen Anstieg um 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen. Im Vergleich zu August mit 11,6 Prozent schwächte sich der Anstieg laut Statistischem Bundesamt nur leicht ab. Höhere Zinsen, schwankende Energiepreise und eine deutliche Kaufzurückhaltung setzen Unternehmen spürbar unter Druck und lassen Schwachstellen in Geschäftsmodellen deutlich zutage treten. Entsprechend schnell müssen Betriebe ihre Strukturen anpassen.
Verlustvorträge schützen: Steuerliche Gestaltungsspielräume nutzen
Gerade in Krisenzeiten gilt es steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten. Das hiesige Steuerrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten, Sanierungen zu erleichtern – vorausgesetzt, sie werden rechtzeitig in die Wege geleitet. So begrenzt der Gesetzgeber aktuell zwar den Verlustrücktrag auf 1 Million Euro (2 Millionen bei Zusammenveranlagung), hebt aber für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 die Verlustrechnungsquote auf 70 Prozent an. Der Vorteil? Unternehmen dürfen nun einen größeren Anteil ihrer steuerlichen Verluste mit späteren Gewinnen verrechnen, was Liquidität im Unternehmen hält und das Eigenkapital schont.
Was einige Firmen übersehen: Auch Verlustvorträge können unter bestimmten Umständen verfallen, etwa wenn sich die Eigentümerstruktur ändert. Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 Prozent der Anteile an einer Körperschaft auf einen Erwerber oder eine ihm nahestehende Person übertragen, gehen vorhandene Verlustvorträge steuerlich vollständig verloren. Das gilt auch bei Anteilsübertragungen im Familienkreis oder im Rahmen einer Unternehmensnachfolge.
Egal ob Verkauf an Dritte oder Schenkung innerhalb der eigenen Verwandtschaft, entscheidend ist die Grenze von 50 Prozent und das Zeitlimit von 5 Jahren. Für mittelständische Unternehmen heißt das in der Praxis: Wer neue Investoren aufnimmt, Anteile verkauft oder verschenkt oder die eigene Nachfolge plant, sollte vorher unbedingt prüfen lassen, ob die Verlustvorträge gefährdet sind.
Konzernklausel anwenden: Verlustvorträge erhalten
Schließlich gibt es auch in solchen Fällen gewisse Gestaltungsspielräume – allen voran durch die sogenannte Konzernklausel (§8c KStG). Hat eine beherrschende Muttergesellschaft die Leitung über mindestens eine abhängige Tochtergesellschaft, besteht in einem solchen Fall die Chance, Anteile innerhalb des Konzerns zu übertragen, ohne dass die Verlustvorträge verloren gehen.
Familienunternehmen oder inhabergeführte Gruppen erfüllen die formalen Bedingungen nicht automatisch. Entsprechend sollten Inhaber mehrerer Gesellschaften und Betriebe, die vor einer Umstrukturierung stehen, immer auch prüfen, ob etwa eine Umwandlung in eine Holdingstruktur eine steuerlich sinnvolle Alternative sein kann.
Auch substanzstarke Mittelständler, die nicht unter die bereits erwähnte Ausnahme fallen, können ihre Verlustvorträge über die sogenannte Stille-Reserven-Klausel sichern. Diese greift, wenn die im Unternehmen stillen Reserven – das heißt die Vermögenswerte, die mehr wert sind, als in der Bilanz beziffert – den Verlustvortrag abdecken.
Typischerweise trifft das auf Produktionsbetriebe mit Maschinenparks, Immobiliengesellschaften, Autohaus- oder Handwerksgruppen mit eigenen Betriebsgrundstücken und Beteiligungsgesellschaften zu. Sogar Dienstleister können profitieren, wenn immaterielle Werte wie Marken oder Software erheblich an Wert gewonnen haben. Entscheidend ist, dass diese stillen Reserven der deutschen Besteuerung unterliegen und sich durch ein Bewertungsgutachten nachweisen lassen.
In echten Krisensituationen schützt zudem das Gesetz Verlustvorträge, wenn der Beteiligungserwerb nachweislich der Sanierung des Unternehmens dient – eine Regelung, die als Sanierungsklausel (§8c Abs. 1a KStG) bekannt ist. Voraussetzung ist jedoch, dass ein betreffendes Unternehmen nicht nur sanierungsbedürftig, etwa aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung, sondern auch sanierungsfähig ist und die wesentlichen Betriebsstrukturen erhalten bleiben. Das heißt konkret: Eine Betriebsvereinbarung muss für den Erhalt von Arbeitsplätzen sorgen, die Lohnsumme darf über fünf Jahre nicht unter 400 Prozent der Ausgangslohnsumme fallen und mindestens 25 Prozent des wesentlichen Betriebsvermögens müssen in das Kapital oder die Kapitalrücklage zurückgeführt werden.
Carve-outs strategisch nutzen: Substanz retten, bevor sie verloren geht
Gerät ein Unternehmen in Schieflage, geht es finanziell auch immer um die Frage, welche Bereiche ebenfalls in Zukunft tragfähig sind und welche das Unternehmen nach unten ziehen. In der Praxis kommen dann sogenannte Carve-outs ins Spiel – das heißt die Abspaltung oder Ausgliederung profitabler Geschäftsbereiche aus einem angeschlagenen Unternehmen. Ziel eines solchen Vorgehens ist es, die „Good Company“ vom Problemteil, der „Bad Company“, zu trennen, Arbeitsplätze und Kundenbeziehungen zu sichern sowie das Kerngeschäft zu retten.
Ob man dabei von einer Abspaltung oder Ausgliederung spricht, hängt vom rechtlichen Aufbau ab: Bei der Abspaltung erhalten die bisherigen Gesellschafter die Anteile an der neuen Gesellschaft direkt, während bei der Ausgliederung die Anteile bei der Muttergesellschaft verbleiben. Die neue Einheit wird somit zur Tochtergesellschaft. Dabei sind solche Abspaltungen oder Ausgliederungen weder organisatorisch noch steuerlich Routine. Daher steht auch unter hohem Zeitdruck planvolles Vorgehen an oberster Stelle. Andernfalls steigt das Risiko, dass steuerliche Vorteile verloren gehen oder Sanierungsziele ins Gegenteil umschlagen.
Wichtig dabei: Steuerneutral ist ein Carve-out nur, wenn bestimmte Voraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) erfüllt sind. Entscheidend ist dabei das sogenannte Teilbetriebserfordernis. Demnach muss der ausgegliederte Geschäftsbereich funktional eine eigenständige Einheit bilden, mit eigenen Mitarbeitenden, eigener Kundschaft, eigenen Vermögenswerten und eigenen Prozessen. Nur dann kann der Carve-out zum Buchwert erfolgen, das heißt ohne Aufdeckung stiller Reserven und ohne sofortige Steuerbelastung. Fehlt diese Teilbetriebseigenschaft, wird die Transaktion steuerpflichtig, und das kann in der Krise schnell zur Belastungsprobe werden.
Carve-out hat Stolperfallen: Genügend Kapital notwendig
Und auch nach solch einem Carve-out lauern Stolperfallen. So muss die neu gegründete Gesellschaft beispielsweise über ausreichend Kapital verfügen. Eine Unterkapitalisierung kann im Zweifelsfall dazu führen, dass Zinsen auf Gesellschafterdarlehen steuerlich nicht abzugsfähig sind (Stichwort: Zinsschranke). Hinzu kommt: Bei Spaltungen werden bestehende Verlustvorträge nach dem gemeinen Wert des übertragenen Vermögens aufgeteilt. Das eröffnet nur dann Gestaltungsspielräume, wenn sie bewusst genutzt werden.
Ein Beispiel: Ein mittelständischer Autozulieferer hat einen Verlustvortrag von 5 Millionen Euro. Die profitable Fertigungssparte (Wert 7 Millionen Euro) wird in eine neue GmbH ausgegliedert, während die defizitäre Sparte (Wert 3 Millionen Euro) in der alten verbleibt. Die Verlustvorträge werden entsprechend im Verhältnis 70:30 aufgeteilt, sodass die neue Gesellschaft 3,5 Millionen Euro Verlustvortrag künftig nutzen kann. Dabei muss jede Umstrukturierung in der Krise steuerlich sauber dokumentiert werden. Gerade bei konzerninternen oder familieninternen Transaktionen sind marktübliche Preise (Fremdvergleich) zwingend, andernfalls könnte eine Einstufung als verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 KStG) drohen.
In der Praxis hat es sich außerdem bewährt, vor der Abspaltung eine verbindliche Auskunft (§ 89 AO) zu beantragen. Das kostet zwar Zeit – oft mehrere Monate –, gibt aber Rechtssicherheit und verhindert spätere Steuerkorrekturen. Entsprechend lohnt es sich, in der Vorbereitung mehr Zeit für die Planung und eine saubere Struktur aufzuwenden, damit die Substanz des Unternehmens langfristig erhalten bleibt.
Fazit: Wer steuerlich steuert, gewinnt Handlungsspielraum
Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Steuern kein reines Verwaltungsthema. Klarheit und Strategie entscheiden häufig über Handlungsmöglichkeiten, Liquidität und Sanierungserfolge. Wer aber rechtzeitig die Strukturen prüft, Verlustvorträge schützt und andere Optionen auslotet, schafft sich in der Krise einen entscheidenden Vorteil: Gestaltungspielraum.
Literatur & Weblinks
- Bundesgesetzblatt. 27.03.2024
- Einkommen. nwb Datenbank. 14.07.2025
- Anwendung des Umwandlungssteuergesetz. nwb Datenbank
- Urteil vom 29.09.2021. Bundesfinanzhof
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