Regeln für die Nutzung Künstlicher Intelligenz
Eine Frage der Ethik

Regeln für die Nutzung Künstlicher Intelligenz

Porträtfoto von Edgar Ehlers, Gründer der eefactor consulting GmbH
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Im November 2022 machte OpenAI seinen Chatbot ChatGPT der Öffentlichkeit zugänglich. Massiv prägten die Einführung und Verbreitung zahlloser KI-Tools das Jahr 2023. Alles ist künstliche Intelligenz – zumindest auf dem Papier. Die inflationäre Verwendung des Buzzwords beschleunigte den Hype und schürte auch Verunsicherung. In 2024 macht die anfängliche Technikeuphorie nun der Frage Platz, wie Unternehmen KI in der Praxis zukunftsweisend nutzen und einen kompetenten Umgang mit ihr erlernen.

In diesem Zusammenhang geht es auch darum, das Zusammenwirken von Mensch und KI-gesteuerter Technologie zu bewerten und Menschen in ethischen Aspekten zu schulen. Solche Maßnahmen stellen künftig sicher, dass der Einsatz von KI die menschliche Entfaltung erweitert, anstatt sie zu vermindern.

KI-Empowerment

Der große Hype um generative KI verleitet viele Unternehmen dazu, das vermeintliche Wundermittel überstürzt in x-beliebige Arbeitsprozesse einzugliedern. Das Versprechen lautet dabei auf nichts geringeres als maximale Kosteneffizienz bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung. Doch die Einführung der aufstrebenden Technologie mündet nicht an jeder Stelle automatisch im gewünschten Resultat. Sie kann auch in Mittelmäßigkeit oder sogar im Scheitern enden.

Klar ist: Künstliche Intelligenz läutet ein neues Zeitalter ein. Es hält jetzt und in Zukunft Einzug in alle Bereiche des Arbeitsalltags. Unternehmen müssen sich ernsthaft mit dem Thema KI befassen. Dadurch sind sie in der Lage, nachhaltige Entscheidungen zu treffen – und um die Fähigkeiten der disruptiven Tech innerhalb ihrer Organisation optimal zu nutzen. Die Versuchung ist groß, im Zuge dieser rasant voranschreitenden digitalen Transformation ausschließlich an Technologie und Prozesse zu denken – und die sozialen Konsequenzen des Wandels zu übersehen.

Dabei bedeutet den digitalen Wandel auf ganzer Strecke zu leben auch, die Arbeitsweise und Arbeitskultur an die neuen Anforderungen anzupassen und entsprechend zu verändern. Mitarbeitenden die Nutzung und das Verständnis von KI-Tools ermöglichen, so lautet die Handlungsempfehlung für Unternehmen.

Schulungen in technischen und ethischen Aspekten der KI unterstützen sie auf diesem Weg. So können sie das volle Potenzial der Technologie ausschöpfen und gleichzeitig die Grenzen und Verantwortlichkeiten respektieren. Solche Bemühungen sind nicht nur in Bezug auf Kompetenzentwicklung von größter Wichtigkeit. Es geht auch darum, eine Unterschätzung des Menschen bei gleichzeitiger Überschätzung der künstlichen Intelligenz zu vermeiden. Andernfalls laufen Unternehmen Gefahr, KI-Tools zu Zwecken einzusetzen, zu denen sie nicht geeignet sind. Auf Langstrecke müssen Firmen Mensch und Maschine klug miteinander verbinden. Denn: Der Mensch ist noch immer das intelligentere System.

Digitale Ethik als unternehmensinterner Moralkompass

KI-basierte Systeme unterstützen bei der Umsetzung immer komplexer werdender Anforderungen. Die aufstrebenden Technologien ermöglichen Automatisierung und Effizienzsteigerung und schaffen die Basis für neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen. Trotz ihrer immensen Innovationskraft darf der ethische Diskurs im Zusammenhang mit KI nicht zu kurz kommen. Unternehmen müssen sich einiger Fallstricke im Umgang mit künstlicher Intelligenz bewusstwerden. Dadurch können sie sich einen verantwortungsvollen Umgang mit dem mächtigen Instrument sichern. Wer mit dem Gedanken spielt, KI-basierte Systeme in Arbeitsprozesse zu integrieren, sollte ethische Überlegungen deshalb von Anfang an einfließen lassen.

So sind fundierte Informationen zur Funktion und Trainingsweise der KI-Tools notwendig, um deren Rechtssicherheit abzuschätzen und Datenmissbrauch durch Dritte vorzubeugen. Unternehmen tun gut daran, auch die Qualität der Trainingsdaten der KI kritisch zu hinterfragen. Dadurch unterbinden sie eine stellvertretende Diskriminierung bestimmter Personengruppen. Ethische Richtlinien in der KI helfen Firmen, Vertrauen bei ihren Kunden aufzubauen. Sie gewährleisten Rechtskonformität, um letztendlich gerechte und sichere KI-Systeme zu entwickeln. Transparenz, Fairness und Datenschutz bilden die Eckpfeiler der KI-Ethik.

Auf was Sie achten sollten

Folgende Schritte begleiten eine erfolgreiche Integration von und Sensibilisierung für Digitalethik:

  1. Entwicklung und Implementierung von Ethikrichtlinien: Unternehmen, die im Namen der Kosteneffizienz aller möglichen Arbeitsprozesse mittels KI zur Automatisierung führen, begeben sich im schlimmsten Fall auf ethisch fragwürdiges Terrain. Unternehmensverantwortliche müssen trotz Jubelstimmung lernen, die aktuelle Entwicklung wachsam zu verfolgen. So können sie potenzielle Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz  definieren. Dazu gehört es auch Strategien und Tools aufzusetzen, die mögliche Fehler oder Vorurteile in KI-Systemen erkennen und korrigieren sowie Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zu klären, die aus der Nutzung von KI-Technologie entstehen. Fragen jenseits der Kostenersparnis resultieren in Ethikrichtlinien. Diese berücksichtigen – neben den gängigen ethischen Standards  – auch die spezifischen Bedürfnisse und Werte des Unternehmens. Firmen, die sich etablieren, sollten das Ethikregelwerk regelmäßig überprüfen und aktualisieren, um mit den sich ständig weiterentwickelnden Technologien Schritt zu halten.
  2. Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter: Unternehmensinterne Schulungen und Workshops sind unerlässlich, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Digitalethik in Mitarbeiterkreisen zu stärken. Wie wirkt sich KI-Technologie auf die Teams aus? Welche Fähigkeiten im Umgang mit KI haben die Mitarbeitenden bereits und welche Weiterbildungsmaßnahmen könnten sie ergänzen? Um die Belegschaft mit passgenauen Schulungsangeboten im Change zu unterstützen, sollte sich das Management diese Fragen vorab stellen. Interaktive Szenarien und Fallstudien können dabei helfen, die abstrakten Konzepte der KI-Ethik greifbarer zu machen. Ein gut informiertes Team bildet das Rückgrat einer ethisch verantwortungsvollen KI-Strategie.
  3. Einsatz von Ethikbeauftragten und interdisziplinären Teams: Ethikbeauftragte klären Bedenken im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und sind die Anlaufstelle für Mitarbeitende und Führungspersonen gleichermaßen in allen ethischen Belangen. Im besten Fall arbeiten sie eng mit verschiedenen Abteilungen zusammen, um sicherzustellen, dass die vom Unternehmen ausgerufenen, ethischen Richtlinien in der Praxis gelebt werden. Interdisziplinarität ist in diesem Zusammenhang der Schlüssel – führt die Einbeziehung von Experten aus verschiedenen Arbeitsbereichen wie Recht, Daten- oder Sozialwissenschaften schließlich zu ausgewogenen ethischen Perspektiven.

Agilität als Prozesstreiber

Darüber hinaus erleichtert eine agile Vorgehensweise Implementierung von KI-Methoden immens. Die erfolgreiche Einführung von KI erfordert in erster Instanz ein Grundverständnis über die elementaren Funktionsweisen von künstlicher Intelligenz. Nur so können Unternehmen Möglichkeiten und Grenzen sowie Chancen und Risiken von KI-basierten Systemen realistisch abwägen und schließlich mögliche interne Anwendungsfelder für KI identifizieren. Parallel dazu baut transparentes Wissen Misstrauen gegenüber KI-Technologien ab und schafft eine höhere Akzeptanz im Unternehmen.

Wo mittelständische Unternehmen beim Thema KI in Neuland vordringen, nimmt Agilität die Angst vor dem Unbekannten vorweg. Beschäftigte, die keine oder lediglich wenig Verantwortung tragen, fürchten in der Regel den Fortschritt. Mitarbeitende in agilen Unternehmen hingegen, begreifen interne Veränderungen vollumfänglich und gestalten diese aktiv mit. Flexible Strukturen, eine dialogorientierte Unternehmenskommunikation und umfangreiche Schulungen begleiten und unterstützen die Belegschaft im individuellen Change-Management-Prozess.

Pilot-Projekte mit KI-Systemen befähigen die Mitarbeitenden, sich den neuen Arbeitsprozessen langsam anzunähern, Blockaden aufzuheben und sich so kleinschrittig in das unbekannte Terrain einzuarbeiten. Fehler, im Rahmen von agilem Arbeiten unvermeidbar, bringen in diesem Zusammenhang Erkenntnisse, aus denen progressive und lösungsorientierte Methodiken hervorgehen. KI-Projekte step by step entwickeln und sinnhaft in Arbeitsprozesse integrieren – darauf zielt Agilität ab. Eine agile Skalierung fördert die frühzeitige Nutzung der Vorteile und gewährt eine zügige Anpassung an die wachsenden Anforderungen in verschiedenen Abteilungen.

Welche Veränderungen das AI-Act bringt

Der Wild-Wild-West-Stimmung am internationalen KI-Markt schob die EU Anfang Dezember den Riegel vor. Ihre Mitglieder einigten sich auf die Grundzüge des lang geplanten, europäischen Digitalgesetzes AI Act – ein weltweites Novum, das KI-Anwendungen nach Risikoklassen reguliert und auch KI-Grundlagenmodelle wie ChatGPT reglementiert. AI-Act könnte künftig zum Vorbild für andere Länder und deren Big Player werden. Denn US-amerikanische Konzerne wie OpenAI unternahmen bislang noch keine rechtlichen Schritte in Richtung Datenschutz nach EU-Vorlage.

KI-Anwendungen beeinflussen Wirtschaft und Gesellschaft enorm und sie lernen in bemerkenswerter Geschwindigkeit. Diese technologisch getriebene Dynamik ist neu – und sie braucht klare Spielregeln, um Missbrauch vorzubeugen. Planen Mittelständler für 2024, KI in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren, müssen sie Sicherheitsrisiken per Nutzung künstlicher Intelligenz mitdenken und in entsprechende Sicherheitsmaßnahmen investieren.

Die Zukunft gehört der Mensch-Maschinen-Allianz

Mit dem flächendeckenden Zugang zu generativer KI entstanden im vergangenen Jahr eine deutlich höhere Dynamik und eine völlig andere Interessenslage dem Thema gegenüber am Markt. KI-Tools wie der Bot ChatGPT schaffen einen niedrigschwelligen Zugang zu der disruptiven Technologie. Das macht künstliche Intelligenz für Unternehmen aller Größen reizvoll – die KI bislang vielfach als einfache Lösung für komplexe Probleme preisen. Doch eine erfolgreiche Integration von KI setzt eine gesunde Daten-Basis sowie digitale Prozesse voraus. Wer Digitalisierung meistern will, tut gut daran, menschliche und maschinelle Intelligenz zu verknüpfen. Erst aus den Kontexten menschlicher Erfahrungen heraus kann KI wirklich „Intelligenz“ erlangen.

Zum jetzigen Zeitpunkt nehmen Benutzer eine zentrale Rolle in dem Mensch-KI-Konstrukt ein, denn sie sind es, die Denkanstöße liefern und Resultate filtern. In einer sich ständig wandelnden digitalen Welt müssen sich Systeme aller Art revolutionieren, um Markt und Gesellschaft bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten.

Die Verantwortung besteht darin, sich kontinuierlich anzupassen und Regulierungen, Standards sowie ethische Grundsätze weiterzuentwickeln, um den Anforderungen einer sich verändernden digitalen Landschaft zu begegnen. Dabei bleibt stets wichtig abzuwägen, ob die Lösung Künstliche Intelligenz für die unternehmensinternen Prozesse und ihre Menschen Sinn ergibt und sie vereinfacht – oder ob es sich lediglich um einen kurzfristigen Hype handelt.

Und trotzdem: Generative KI ist nicht mehr wegzudenken. Künstliche Intelligenz ist die nächste industrielle Revolution und beeinflusst als solche unser Leben und wirtschaftliches Handeln.

Bildnachweis: ©Depositphotos.com

Über den Autor

Porträtfoto von Edgar Ehlers, Gründer der eefactor consulting GmbH

Edgar Ehlers Edgar Ehlers ist Gründer der strategischen Unternehmensberatung ee factor agile consulting GmbH. Der Agilist unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung von agilen sowie schlanken Arbeitsweisen. Einen weiteren Schwerpunkt von ihm bildet die Sanierung von agilen Konzernen. Er hat seine Expertise durch rund 200 Aus- und Weiterbildungen in der systemischen Beratung, New Work, agiler Kompetenz, Strategie, Finanzen und KI-Management erlangt. ee-factor.de
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