
„Führen Sie lieber ein schlechtes Verkaufsgespräch als gar keins“
Viele Vertriebsmitarbeitende haben Schwierigkeiten mit dem Einstieg ins Verkaufsgespräch. Im Onpulson-Interview gibt Verkaufstrainer Oliver Schumacher praxisnahe Tipps, wie Verkäufer besser ins Gespräch kommen. Entscheidend sei vor allem, dem Kunden frühzeitig den konkreten Nutzen des Angebots aufzuzeigen – idealerweise so, dass dieser denkt: „Das darf ich mir nicht entgehen lassen.“

Oliver Schumacher ist Vertriebscoach und Verkaufstrainer und hat selbst viele Jahre Praxiserfahrung im Vertrieb gesammelt. Foto: Oliver Schumacher
Onpulson: Herr Schumacher, Sie sind Verkaufstrainer und betreiben die Webseite oliver-schumacher.de. Warum sind gelungene Gesprächseinstiege – insbesondere bei der Neukundenakquise – so entscheidend für den Erfolg eines Verkaufsgesprächs?
Oliver Schumacher: Die ersten Sekunden entscheiden darüber, ob der Zielkunde dem Verkäufer seine Aufmerksamkeit schenkt – oder nicht. Gedanken wie: „Was will der?“, „Soll ich mir dafür wirklich Zeit nehmen?“ oder Vorurteile wie: „Der will mir bestimmt nur etwas aufschwatzen“ bis hin zu: „Darauf habe ich jetzt überhaupt keine Lust – wie werde ich den bloß wieder los?“ schießen vielen spontan durch den Kopf. Gerade deshalb ist es beim Gesprächseinstieg entscheidend, dass der Zielkunde schnell Vertrauen fasst und echtes Interesse an einem Austausch entwickelt.
Onpulson: Ein Großteil der Verkäufer tun sich schwer mit dem Gesprächseinstieg. Welche typischen Fehler beobachten Sie immer wieder – und wie kann man es besser machen?
Oliver Schumacher: Viele Verkäufer bereiten sich nicht ausreichend auf ihr bevorstehendes Akquisegespräch vor. Spürt der Kunde jedoch, dass er nur eine „Nummer“ ist – und kein Mensch mit individuellen Wünschen, Zielen und Hoffnungen –, blockt er oft schnell ab. Denn wer lässt sich schon gern etwas aufschwatzen? Wer sich hingegen im Vorfeld individuell auf seinen Kunden einstellt, kann deutlich punkten. Dabei helfen zum Beispiel ein Blick auf die Website des Kunden oder eine ehrliche Selbstreflexion mit Fragen wie: „Warum sollte gerade dieser Kunde mein Kunde werden – welchen konkreten Nutzen hätte er davon?“ oder: „Welche Erfahrungen oder Vorurteile könnte der Zielkunde gegenüber Anbietern meiner Branche haben?“
Onpulson: Sie sagen, Gewinner erkennt man am Start. Welche konkreten Aufhänger oder Einstiege haben sich in der Praxis besonders bewährt, um gleich zu Beginn Interesse zu wecken?
Oliver Schumacher: Das Zauberwort heißt Relevanz. Im Idealfall denkt der Zielkunde: „Wenn ich jetzt nicht weiter mit diesem Anbieter spreche, könnte mir etwas entgehen.“ Oder anders ausgedrückt: Entscheidend ist nicht, was der Verkäufer dem Kunden sagt – sondern was der Kunde sich selbst durch den Erstkontakt sagt. Es gibt viele Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Besonders wirkungsvoll ist zum Beispiel der Einstieg: „Guten Tag, Herr Kunde. Ich rufe an, um mit Ihnen einen Termin zu vereinbaren.“ Die naheliegende Gegenfrage lautet dann meist: „Aha – und worum geht es?“ Nun hat der Anbieter die Chance, in zwei bis drei kurzen Sätzen sein Anliegen zu erklären. Der große Vorteil dieses Einstiegs: Die Aufmerksamkeit des Kunden ist sofort auf einem hohen Niveau.
Wer sich selbst nicht als klassischen „Verkäufertyp“ sieht, aber dennoch Termine vereinbaren möchte, kann dies ruhig offen zugeben – zum Beispiel so: „Hallo, Herr Kunde. Wissen Sie, ich bin kein Verkäufertyp, denn ich habe immer die Sorge, zu nerven. Aber ich dachte, ich melde mich trotzdem kurz bei Ihnen, denn ich habe eine Idee. Darf ich kurz?“ Das Charmante an dieser Herangehensweise ist, dass viele Zielkunden automatisch offener und wohlwollender reagieren. Wenn sich ein Anbieter selbst als „Einbeiniger“ präsentiert, verspüren nur wenige das Bedürfnis, ihm auch noch das letzte Bein wegzuhauen.
In meinen Seminaren besprechen wir 15 sehr unterschiedliche Gesprächseinstiege – passend zu verschiedensten Verkäufer- und Kundentypen. So kann jeder individuell loslegen. Denn das größte Problem entsteht, wenn alle Verkäufer eines Unternehmens nur eine einzige Methode nutzen. Das wirkt wenig authentisch und führt zwangsläufig zu Ablehnung und Frustration – auf beiden Seiten.
Onpulson: Manche Verkäufer befürchten, mit einem direkten Einstieg zu forsch oder unhöflich zu wirken. Was entgegnen Sie dieser Sorge?
Oliver Schumacher: Wir denken oft viel zu viel für unsere Kunden – und zögern dadurch im entscheidenden Moment. Innere Dialoge wie: „Ich kann da doch nicht einfach anrufen“, „Was soll der bloß von mir denken?“ oder „Ich bin kein Verkäufertyp – das soll lieber das Marketing mit Anzeigen lösen“ sind selbst bei erfahrenen Vertriebsmitarbeitern keine Seltenheit. Mein Appell lautet: Führen Sie lieber ein schlechtes Verkaufsgespräch als gar keins! Natürlich hängt viel vom Gesprächseinstieg ab – keine Frage. Aber auch Verkäufer, deren Einstieg nicht perfekt ist, werden weiterkommen als jene, die gar nicht erst akquirieren.
Onpulson: Gibt es bestimmte Gesprächseinstiege, die man je nach Branche oder Zielkunde variieren sollte? Oder funktionieren gute Aufhänger immer nach einem ähnlichen Prinzip?
Oliver Schumacher: Gute Aufhänger funktionieren in jeder Branche – vorausgesetzt, sie sind im Hinblick auf den konkreten Nutzen individuell auf die Branche und/oder den jeweiligen Ansprechpartner zugeschnitten. Spüren die Angerufenen jedoch, dass der Verkäufer aus echter Überzeugung spricht – und nicht, weil er „es eben so sagen muss“ –, dann ist das optimale Fundament für ein erfolgreiches Gespräch gelegt.
Onpulson: Wie können Vertriebsmitarbeiter trainieren, souveräner und überzeugender in Kundengespräche einzusteigen – insbesondere am Telefon?
Oliver Schumacher: Training wird von vielen Mitarbeitenden unterschätzt. Doch der regelmäßige Austausch mit Kollegen und Trainern ist entscheidend, um dauerhaft fit zu bleiben – und sich immer wieder neu auszurichten. Märkte und Kunden entwickeln sich weiter – und da müssen auch Verkäufer mithalten können. Seit der Corona-Zeit ist bei vielen die Zündschnur spürbar kürzer geworden. Zudem blocken Menschen heute noch schneller ab, wenn Anbieter mit abgedroschenen Verkäuferfloskeln auftreten. Jeder einzelne Kunde möchte gehört und verstanden werden – und genau deshalb muss der Angerufene das Gefühl haben: „Dieser Mensch ruft gerade nur meinetwegen an!“
Onpulson: Wenn ein potenzieller Kunde trotzdem frühzeitig abblockt („Kein Bedarf“, „Schicken Sie Unterlagen“): Wie kann man elegant und doch bestimmt dranbleiben?
Oliver Schumacher: Viele Verkäufer haben Angst, zu aufdringlich zu wirken. Auch ich selbst habe früher viel zu schnell aufgegeben – vom Einstieg mit einem schüchternen „Hallo, ich wollte mal fragen, ob wir einen Termin vereinbaren können“ bis zum überhasteten Rückzug nach einem einfachen „Nein!“, gefolgt von „Darf ich Ihnen wenigstens Unterlagen schicken?“
Natürlich klatschen Zielkunden nicht sofort begeistert in die Hände, wenn man anruft. Es ist ganz normal, dass potenzielle Kunden kritisch – oder auch mal genervt – reagieren, besonders wenn sie bereits von mehreren Anbietern kontaktiert wurden. Genau deshalb braucht es Ausdauer auf Augenhöhe. Solange der Kunde höflich bleibt und sich auf einen Dialog einlässt, spricht nichts dagegen, das Gespräch fortzusetzen. Ein sachlich formuliertes „Danke, kein Bedarf!“ vom Zielkunden kann sogar eine Chance sein – etwa für Rückfragen wie:
- „Gut, dass Sie das sagen. Wie gehen Sie denn aktuell vor?“
- „Okay, lassen Sie es mich noch einmal anders formulieren. Ich habe eine Idee, wie Sie …“
- „Wo wir gerade im Gespräch sind – welche Erfahrungen haben Sie bisher mit … gemacht?“
Wichtig ist: Verkäufer müssen sich ihr eigenes Angebot zuerst selbst „verkaufen“ – und voll und ganz dahinterstehen. Denn wie soll man andere überzeugen, wenn man selbst nicht an den eigenen Mehrwert glaubt?
Und was oft vergessen wird: Nur weil ein Zielkunde heute ablehnt, heißt das nicht, dass man sich nie wieder melden darf. Wer den Erstkontakt auch nutzt, um den Kunden zu qualifizieren – im Sinne von „Ist das ein potenziell lukrativer Kunde, der gut zu uns passt?“ – kann beim nächsten Kontakt priorisieren und darüber hinaus gezielter und strategischer vorgehen.
Bildnachweis: istockphoto.com/AnaMOMarques
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