Mit Kundenworkshops echte Innovationen entwickeln – so gelingt der Sprung vom Feedback zur Produktidee
Kundenworkshops anbieten

Mit Kundenworkshops echte Innovationen entwickeln – so gelingt der Sprung vom Feedback zur Produktidee

Porträtfoto von Mario Neumann, Projektberater und Trainer
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Wer dauerhaft markt- und konkurrenzfähig bleiben will, kann sich nicht auf vermutete Kundenbedürfnisse verlassen. Der Schlüssel: Kunden direkt einbinden – mit gezielten Workshops, kreativen Methoden und klarer Struktur. Erfahren Sie, welche Vorgehensweise sich bewährt hat und worauf es bei Planung und Integration wirklich ankommt.

Wer kennt sie nicht, die legendären bunten Bausteine, die seit 1958 die Spielewelt erobert haben? LEGO – doch wie schafft es das dänische Unternehmen mit Sitz in Billund immer wieder neue Ideen zu sammeln? Eine Antwort darauf lautet: Lego Ideas. Lego Ideas ist mehr als nur eine Plattform – es ist eine kreative Revolution, die Fans weltweit dazu einlädt, ihre wildesten Bauideen zum Leben zu erwecken. Hier werden Träume Wirklichkeit: Jeder kann seine einzigartigen Lego-Modelle entwerfen, teilen und zur Abstimmung stellen.

Wenn eine Idee genügend Unterstützung erhält, wird sie von Lego geprüft und möglicherweise als offizielles Produkt veröffentlicht. Das Beson-dere daran ist die enge Verbindung zwischen Unternehmen und Community: Fans werden zu Mitgestaltern, deren Kreativität direkt in den Handel fließt. Diese offene Zusammenarbeit fördert Innovationen, schafft Produkte, die genau den Wünschen der Nutzer entsprechen, und stärkt die emotionale Bindung zur Marke.

Kunden als Innovationstreiber

Die Idee dahinter ist einfach: Durch tägliche Anwendung kennt sich niemand mit den Produkten des Unternehmens besser aus als der Kunde. Er weiß aus eigener Erfahrung, für welche Probleme es noch keine befriedigenden Lösungen gibt. Warum nicht direkt auf den Kunden zugehen und gemeinsam an Innovationen arbeiten? Studien belegen, dass Kunden zu den wesentlichen Antreibern von Innovationen gehören, weshalb sollte dieses brach liegende Potential nicht genutzt werden?

Ein Stuttgarter IT-Service-Unternehmen tat dies und lud unter dem Motto „Wir möchten für Sie besser werden!“ zu einem Kundenworkshop ein. Ziel der Veranstaltung war es, mit den eigenen Kunden Ideen zu sammeln und zu diskutieren, wie das eigene Produktportfolio kundenorientiert erweitert wird. Neugierig und gespannt folgten knapp 100 Kunden der Einladung. Nach den einleitenden Worten des Geschäftsführers übernahm zügig ein externer Moderator und führte die begeisterten Gäste durch einen interaktiven Workshop.

Ein Abendessen in einem stilvollen Ambiente rundete die Veranstaltung ab. So erfuhr das Unternehmen wertvolle Informationen und Ideen direkt vom Anwender. Gleich am nächsten Tag wurden die Ergebnisse ausgewertet und Verbesserungsinitiativen (Projekte) auf den Weg gebracht!

Detailierte Planung

Bis Innovationen wirklich marktreif sind, braucht es weit mehr als nur eine kreative Zusammenkunft mit der eigenen Kundschaft. Der Weg von ersten Rohideen bis hin zu fertigen Produkten und Dienstleistungen erfordert eine sorgfältige und detaillierte Planung, die von Unternehmen oft unterschätzt wird. Neben dem Eventmanagement ist gerade die methodische Gestaltung der Workshops von besonderer Bedeutung. Kreativität braucht immer einen festen und gelenkten Rahmen, der durch bewährte Methoden vorgegeben wird. Nur so lassen sich Ideen gezielt generieren und weiterentwickeln.

Ein häufiger Fehler: Eine offene Einladung „Lassen Sie uns einfach mal Ideen sammeln“, ohne klare Strukturen oder Zielsetzungen. Solch ein Ansatz führt meist zu Diskussionen, die wenig kreativ und oft ermüdend sind. Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Beschränkungen Kreativität verhindern – ganz im Gegenteil: Sie spornen an und fördern die Kreativität. Sie helfen dabei, den Fokus auf konkrete Probleme zu richten und passende Lösungen zu finden. Durch gezielte Moderation und strukturierte Methoden entsteht ein produktives Umfeld, in dem Ideen systematisch gesammelt, bewertet und weiterverfolgt werden können. So wird aus einer bloßen Ideensammlung ein wirkungsvoller Innovationsprozess.

Passgenaue Methoden

Aus Kreativ- und Innovationstechniken lassen sich maßgeschneiderte Methoden entwickeln, die Raum für Kreativität lassen, sich aber weder auf Problemlösungen konzentrieren, noch phantastische Utopien liefern. Sie haben darüber hinaus unterschiedliche Zielsetzungen, von der offenen Problemfindung, über die Bedarfsabfrage, hin zu Inspirationen. So entstehen drei voneinander unabhängig auswertbare Module, um ein Maximum an guten Ideen abzuschöpfen.

Die Module eines Kundenworkshops sollten nicht aufeinander aufgebaut sein! Wenn eine Methode nicht die Menge an Ideen liefert, die für das zweite und dritte Modul benötigt werden, würde die gesamte Planung in sich zusammenbrechen. Stattdessen sollte jedes Modul eigenständige Ergebnisse bringen, unabhängig vom Erfolg der anderen beiden.

Problemolympiade

Im ersten Teil des Workshops wird ein klassisches Brainstorming (Osborn/Clark) abgewandelt. Die ursprüngliche Methode wurde konzipiert, um eben Problemlösungen zu liefern. Ziel dieses Brainstormings ist es aber, „richtig gute Probleme“ zu finden. Richtig gut ist ein Problem dann, wenn es auf dem Markt besteht, den das Unternehmen bedient, aber es bislang noch keine akzeptable Lösung dafür gibt. Nicht selten stellt man dabei fest, dass selbst branchenfremde Probleme mit den eigenen Kompetenzen gelöst werden können. So entstehen „echte“ Innovationen, mit denen sich neue Märkte erschließen lassen. Als Auflockerung treten die Gruppen in einem Wettbewerb gegeneinander an.

Aus der Praxis: Ein Hamburger IT-Beratungsunternehmen erlebte im Rahmen der Problemolympiade eine Überraschung. Eigentlich rechnete das Unternehmen damit, dass ungelöste IT-Probleme angesprochen werden. Doch das Hauptthema der Kunden waren die hohen Anfangsinvestitionen von IT-Projekten, weshalb sie oftmals verschoben wurden.

Das Unternehmen reagierte innovativ und bot beispielsweise einem Star-tup die Finanzierung seines Online-Handels an. Das Startup beteiligte das IT-Unternehmen an jedem verkauften Produkt anteilig und sparte damit die hohe Anfangsinvestition eines professionellen Online-Shops. Mit dieser Innovation konnte das IT-Unternehmen seinen Umsatz innerhalb kürzester Zeit verdoppeln, weil Kunden viel schneller Projekte in Auftrag gaben.

Expertencafé

Die Methode bedient sich des klassischen „Knowledge Cafés“. Neu interpretiert wird dabei die Funktion des „Caféinhabers“, er fungiert nicht als neutraler Moderator, sondern als Fachexperte. Die Spezialisten des Unternehmens verteilen sich auf die vorhandenen Tische und stehen dort ihren Kunden zu speziellen Themen Rede und Antwort. Aus den Fragen der Kunden entstehen Rohthemen, die auf den papierenen Tischdecken festgehalten werden. Die Gruppen rotieren von Tisch zu Tisch, werden über die Arbeit der Vorgruppe informiert und ergänzen das aktuelle Tischthema mit eigenen Fragen und Impulsen.

Aus der Praxis: Ein Touristik-Unternehmen staunte, als die geladenen Reisebüroleiter reihum über viel zu hohe Preise für Kreuzfahrten diskutierten. Man erkannte daraus einen Trend hin zu „bezahlbaren Kreuzfahrten“. Im Anschluss des Kundenworkshops wurde ein Konzept für „Familienkreuzfahrten“ umgesetzt. Das Unternehmen hatte richtig zugehört und betreibt heute eine Kreuzfahrtflotte mit zwölf Schiffen.

Marktplatz der Inspirationen

Zum Abschluss der Veranstaltung wird der Veranstaltungsraum zum großen Marktplatz umgebaut. Angelehnt an die Open Space Methode (Harrison Owen), demonstrieren die Kunden an Ständen, wie sie die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens nutzen. Die Experten fungieren als Besucher des Marktplatzes und informieren sich an den Ständen und sammeln Inspirationen. Der umgekehrte Austausch feuert damit die Innovationsarbeit weiter an.

Aus der Praxis: Ingenieure eines Unternehmens für Holzbearbeitungsmaschinen stellten amüsiert fest, dass ein Kunde eine Anlage völlig zweckentfremdet hatte. Sie kamen mit dem Kunden ins Gespräch. Was zunächst wie ein Workaround aussah, entpuppte sich für das Unternehmen als echte Innovation. Inspiriert von der Idee, die dieser zweckentfremdeten Anlage zugrunde lag, entwickelte man ein völlig neue Produktreihe, die schnell reißenden Absatz fand.

Der steinige Weg zur Innovation

Ein Kundenworkshop liefert keine fertigen Produkte oder Innovationen – es gibt allenfalls eine Reihe von Rohideen, die nun zu vermarktbaren Innovationen weiterentwickelt werden müssen. Der Workshop mit den eigenen Kunden ist nur der zweite Schritt in einem fünfstufigen Prozessmodell.

  • Vorbereitung: Das Ziel der Vorbereitungsphase ist die klare Definition der Workshopziele. Diese Ziele bilden die Grundlage für die Auswahl und Gestaltung der eingesetzten Methoden und sorgen dafür, dass der Workshop fokussiert und zielgerichtet verläuft.
  • Generierung: Im Workshop treffen Kunde und Unternehmen aufeinander, tauschen sich aus, diskutieren aktuelle Trends und erarbeiten gemeinsam innovative Lösungsansätze. Diese Generierungsphase fördert den Ideenaustausch und legt die Grundlage für mögliche Innovationen.
  • Beurteilung: Der Folgetag ist mindestens ebenso erfolgskritisch wie der Kundenworkshop selbst. Nun geht es um die systematische Bewertung und Priorisierung der im Workshop gesammelten Rohideen. Am Folgetag werden diese Ideen sortiert, gefiltert und nach Kriterien wie Marktrelevanz, Trends oder technischer Umsetzbarkeit geordnet.
  • Umsetzung: Nachdem die Geschäftsführung den aussichtsreichsten Ideen Projektbudgets zugewiesen hat und konkrete Innovationsprojekte auf den Weg gebracht wurden, entstehen in der Umsetzungsphase nun greifbare Innovationen.
  • Stabilisierung: In der abschließend stattfindenden Stabilisierungsphase sorgen Anwendungstests für die Beseitigung letzter Schwierigkeiten, um die Innovationen entweder als Prozess in den Regelbetrieb oder als Produkt in den Verkaufsprozess zu überführen.

Die Integration des Kunden

Hier gilt es einen Spagat zu meistern. Einerseits möchte man die Kunden natürlich auf dem Laufenden halten und weiter in die Prozesse einbinden. Sie haben schließlich ihre Zeit, ihre Energie und ihr Know-how in die Innovationskraft eines anderen Unternehmens gesteckt. Andererseits muss man zurückhaltend sein, um mögliche Wettbewerbsvorteile, die durch Innovationen entstehen, nicht fahrlässig zu verspielen.

Ein offener Newsletter oder Informationen auf Onlineplattformen laden die Konkurrenz geradezu ein. Dennoch ist es wichtig, dass sich die Kunden nach dem Workshop weiterhin als Teil des Projekts fühlen und auch in den Folgejahren als Sparrings-Partner gerne wieder zur Verfügung stehen. Informationen über den Prozessstand, die anstehenden Phasen und Einladungen zu Test-, Review-Veranstaltungen oder Pilot-Implementierungen können eine elegante Lösung sein, die obendrein neugierig macht.

  • Lego Ideas – The Platform for Creative Building. Lego Group (2023).
  • Müller, S. Kreativitätsförderung durch Crowdsourcing-Plattformen: Das Beispiel Lego Ideas. Zeitschrift für Spielpädagogik, 2022.
  • Haake, Klaus. Strategie-Workshop: In fünf Schritten zur erfolgreichen Unternehmensstrategie. 2012.
  • Andler, Nicolai. Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting: Kompendium der wichtigsten Techniken und Methoden. 2015.
  • Osborn, A. F. Applied Imagination: Principles and Procedures of Creative Problem Solving. New York: Charles Scribner’s Sons. 1953
  • Brown, J. S., & Duguid, P. The Social Life of Information. Boston: Harvard Business School Press. 2000.
  • Wenger, E., & Snyder, W. M. Communities of Practice: The Organizational Frontier. Harvard Business Review. 2000.

 

Bildnachweis: depositphotos.com/Gajus-Images

Über den Autor

Porträtfoto von Mario Neumann, Projektberater und Trainer

Mario Neumann Mario Neumann ist Ingenieur mit langjähriger Erfahrung als Projektleiter. Seit 2008 berät er als selbstständiger Berater Unternehmen und Projektleiter, um Projekte erfolgreicher zu gestalten. Seine praxisorientierten Bücher, darunter die bekannte "Projekt-Safari", gelten als Standardwerke in der Branche. Für seine innovative Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Weiterbildungs-Innovationspreis. marioneumann.com
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