Sanieren heißt führen: Die strategische Rolle von HR in der Unternehmenskrise
5 Handlungsanweisungen

Sanieren heißt führen: Die strategische Rolle von HR in der Unternehmenskrise

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Sanieren ist einer dieser Begriffe, die in vielen Organisationen lieber gemieden werden. Man spricht stattdessen von „Optimierung“, „Anpassung“, „Neuaufstellung“ oder „Transformation“. Doch inhaltlich geht es häufig um das Gleiche: Das Unternehmen wirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen. Dass dies mitunter Einschnitte bedeutet, betrachten viele als Makel. In Wahrheit ist es die Folge betriebswirtschaftlicher Realität und das verlangt eine starke HR.

HR kann man als Frühwarnsystem und Gestalterin des Wandels betrachten. Sie übernimmt in Veränderungsprozessen eine doppelte Schlüsselrolle: Sie ist sowohl Frühwarnsystem als auch aktive Gestalterin des Wandels. Durch ihren direkten Zugang zu Personalkennzahlen, Gesprächen mit Mitarbeitenden und der allgemeinen Stimmung im Unternehmen erkennt sie frühzeitig, wenn sich Probleme anbahnen.

Sei es durch steigende Fehlzeiten, zunehmende Fluktuation oder eine sinkende Leistungsbereitschaft. Um diese Frühindikatoren sinnvoll zu nutzen, sollte HR systematisch Daten analysieren, regelmäßig Stimmungsbilder einholen und im engen Austausch mit den Führungskräften stehen.

Doch die reine Beobachtung reicht nicht aus. Entscheidend ist, dass HR die identifizierten Signale frühzeitig in die Unternehmensführung einbringt und konkrete Handlungsimpulse ableitet. Je früher Maßnahmen angestoßen werden, desto größer ist der wirtschaftliche und personelle Gestaltungsspielraum. In dieser Rolle als aktiver Treiber des Wandels kann HR entscheidend zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens beitragen.

Der Mythos der „menschlichen“ Alternative

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, Sanierungen seien per se ein Widerspruch zu Menschlichkeit. Was ist denn die Alternative zum rechtzeitigen Eingreifen? Oft die Insolvenz. Und mit ihr nicht nur der Verlust von Arbeitsplätzen, sondern auch das Auseinanderbrechen ganzer wirtschaftlicher Netze. Zulieferer, Dienstleister, regionale Betriebe – das ganze Ökosysteme! Der Schaden ist am Ende ungleich größer, wenn zu lange gewartet wird.

Das Onpulson Wirtschaftslexikon beschreibt Sanierung als „sämtliche Maßnahmen des Krisenmanagements“, „[…] die der Vermeidung bzw. Behebung von negativen Unternehmensentwicklungen dienen.“ Genau das ist der Punkt: Sanierung ist kein Zerstörungsakt, sondern ein Stabilisierungsschritt. Sie ermöglicht, dass Unternehmen überleben und damit Arbeitsplätze, Innovationskraft und regionale Wertschöpfungsketten erhalten bleiben.

Fünf konkrete Handlungsmaßnahmen für HR in Sanierungsphasen

Damit HR ihre Rolle aktiv gestalten kann, braucht es praxisnahe, durchsetzbare Maßnahmen, vor allem angesichts der steigenden Komplexität von Restrukturierungsprozessen. Laut Restrukturierungsbarometer 2025 von Atreus berichten fast 45 Prozent der befragten Führungskräfte von einer Zunahme an Herausforderungen im Vergleich zu früheren Sanierungen.¹

Das zeigt: Erfolgreiche HR-Arbeit in Sanierungssituationen erfordert heute deutlich mehr strategisches Denken, Geschwindigkeit und Entscheidungskraft als noch vor wenigen Jahren. Hier sind fünf konkrete Handlungsempfehlungen, wie HR aktiv zur erfolgreichen Sanierung beitragen kann:

1. Vorausschauende Personalstrategie entwickeln

In wirtschaftlich angespannten Situationen muss HR gemeinsam mit der Geschäftsleitung klären, welche Qualifikationen und Rollen in Zukunft noch gebraucht werden und welche nicht mehr zum strategischen Kurs passen. Das umfasst sowohl die Analyse aktueller Strukturen als auch die Entwicklung eines klaren Zielbildes für die Organisation. Auf dieser Grundlage kann HR gezielt entscheiden, wo Weiterbildung sinnvoll ist, welche Stellen mittelfristig entfallen könnten oder wo interne Versetzungen möglich sind. Eine solche strategische Personalplanung ist die Basis für nachhaltige, nachvollziehbare Entscheidungen.

2. Transparente und kontinuierliche Kommunikation etablieren

In Veränderungsprozessen entsteht schnell Unsicherheit, sei es durch Gerüchte, Informationslücken oder widersprüchliche Botschaften. HR sollte hier als Treiber klarer Kommunikation auftreten und die Mitarbeitenden regelmäßig informieren. Dazu gehören z. B. klar strukturierte Q&A-Formate, Newsletter, Intranetbeiträge oder persönliche Briefings für Führungskräfte. Entscheidend ist vor allem die Klarheit und Glaubwürdigkeit der Botschaften. Wer offen kommuniziert, schafft Vertrauen, auch in schwierigen Phasen.

3. Faire und strukturierte Trennungsprozesse gestalten

So unangenehm sie sind: Trennungen und Kündigungsgespräche gehören oftmals zu Sanierungen dazu. Wenn solche Personalmaßnahmen notwendig werden, kommt es auf Transparenz, Verlässlichkeit und Menschlichkeit an. HR sollte klare Kriterien für Trennungen entwickeln, diese nachvollziehbar vermitteln und professionell umsetzen. Dazu gehören vorbereitete Gespräche, faire Fristen, sozialverträgliche Begleitmaßnahmen wie Outplacement-Beratung, gerechte Abfindungen oder interne Wechseloptionen. Ein sauber aufgesetzter Trennungsprozess schützt die Betroffenen und auch die Glaubwürdigkeit der Organisation gegenüber den verbleibenden Mitarbeitenden.

4. Führungskräfte gezielt begleiten und stärken

Führungskräfte stehen in Sanierungsprozessen unter Druck: Sie müssen schwierige Entscheidungen vertreten, Unsicherheiten auffangen und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit ihres Teams sichern. HR sollte sie in dieser Rolle aktiv unterstützen, etwa durch rechtliche Beratung, Gesprächsleitfäden, Coaching oder kurzfristige Weiterbildungsangebote. Wer Führungskräfte stärkt und stabilisiert, sichert Prozesse und das gesamte Unternehmen.

5. HR muss im Sinne des Arbeitgebers handeln

Bei all diesen Maßnahmen darf HR aber eines nicht aus den Augen verlieren: Im Sinne des Unternehmens zu handeln. In Restrukturierungsphasen neigt HR gelegentlich dazu, vor allem als „Anwältin der Mitarbeitenden“ aufzutreten. Dabei vernachlässigt sie ihre Verantwortung gegenüber dem Unternehmen. Doch HR ist keine neutrale Vermittlungsstelle, sondern Teil der Führung.

Das bedeutet: Entscheidungen müssen nicht allen gefallen, sie müssen für das Unternehmen tragfähig und notwendig sein. HR sollte klar Position beziehen, strategische Maßnahmen mittragen und konsequent umsetzen, auch wenn das zu Kritik führen kann. Wer nur vermitteln will, wird nicht gestalten. Wer hingegen im Sinne des Unternehmenserfolgs agiert, übernimmt echte Verantwortung und wird als ernstzunehmender Partner der Geschäftsleitung wahrgenommen.

Authentizität statt Symbolpolitik

In Sanierungsphasen darf HR nicht in einer passiven oder moderierenden Rolle verharren, sondern muss mit Authentizität und im Sinne des Unternehmens vorangehen. In Krisenzeiten braucht es Führung, nicht Symbolpolitik. Sanierung darf nicht als moralisches Dilemma verstanden werden, sondern als unternehmerische Notwendigkeit, die aktiv gestaltet werden muss. Das erfordert Mut, unangenehme Entscheidungen klar zu kommunizieren, statt sie hinter weichgespülter Sprache zu verstecken.

HR sollte sich daher als Partnerin des Managements positionieren – mit einem klaren Führungsanspruch und dem Willen, Veränderungen verantwortungsvoll umzusetzen.² Nur so kann sie das Vertrauen der Belegschaft stärken und zur Stabilität des Unternehmens beitragen.

Fazit: Ehrlichkeit statt Emotionalisierung

Sanierung ist mehr als eine betriebswirtschaftliche Maßnahme. Sie ist immer auch ein kulturelles Ereignis. Sie zeigt, wie ernst es ein Unternehmen mit seiner Führungsarbeit meint. Ob es bereit ist, unangenehme Entscheidungen mit Haltung zu treffen. Oder ob es sich in Sprachvernebelung und Symbolpolitik flüchtet. Nur wer klare Entscheidungen trifft, schafft Stabilität. Und nur in einem stabilen Unternehmen können Menschen auf Dauer sinnvoll und wirksam arbeiten. Der Verzicht auf Entscheidung ist keine Menschlichkeit, sondern Führungsschwäche. HR-Abteilungen sollten ihre Rolle als strategischer Partner des Managements stärken und aktiv zur erfolgreichen Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen beitragen.

  1. Restrukturierungsbarometer – Frühjahr 2025. Atreus.
  2. HR Monitor 2025. McKinsey. 03.06.2025.

Bildnachweis: istockphoto.com/Wirestock

Über den Autor

Susanne Krüger-Lampe Susanne Krüger-Lampe ist Betriebswirtin, systemische und psychologische Beraterin, Personalentwicklerin, Interim Managerin und Expertin für die Neuausrichtung administrativer HR-Abteilungen. Ihr Schwerpunkt liegt auf Restrukturierung, Transformation und Change. Sie wurde von der Steinbeis Augsburg Business School zur „Interim Managerin des Jahres 2025“ ausgezeichnet. LinkedIn
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