
183-Tage-Regel für Digitalnomaden: Wichtige Steuer- und Aufenthaltsregeln beachten
Eintauchen, abheben, arbeiten – und das weltweit. Klingt für viele Menschen verlockend. Doch wer als Freelancer, Selbstständiger oder Remote Worker dauerhaft in Bali, Lissabon, Madeira oder Kapstadt lebt, läuft schnell Gefahr, in eine steuerliche Grauzone zu geraten. Worauf sollten Sie unbedingt vorher achten?
Bei der Wahl des Arbeitsortes sollte es daher nicht nur um Faktoren wie gutes WLAN, niedrige Lebenshaltungskosten und ausreichend vorhandene Co-Working-Spaces gehen. Es gilt, bürokratische Fragen im Blick zu behalten. Neben der Klärung von Visa-Angelegenheiten bedeutet das vor allem, steuerliche Überlegungen von Anfang an in die Reisepläne einzubeziehen. Ob sich etwa das deutsche Finanzamt mit Forderungen meldet, hängt maßgeblich vom eigentlichen Lebensmittelpunkt ab – und nicht allein von der viel zitierten 183-Tage Regel.
Wer in Deutschland einen Wohnsitz nach § 8 AO oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO hat, gilt als unbeschränkt steuerpflichtig. Das schließt das gesamte Welteinkommen ein. Dabei liegt ein Wohnsitz nicht nur vor, wenn eine eigene Wohnung bewohnt wird. Auch ein WG-Zimmer, ein nicht gekündigter Mietvertrag oder ein dauerhaft zugängliches Zimmer im Elternhaus können steuerlich relevant sein. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wiederum setzt bereits nach sechs zusammenhängenden Monaten im Inland ein – unabhängig davon, ob der Aufenthalt als „Rückkehr“ gedacht ist oder nicht. Auch kurzzeitige Unterbrechungen oder Urlaube im Ausland beeinflussen diese Frist nicht zwingend.
Die berühmte 183-Tage-Regel
Zahlreiche Digitalnomaden verlassen sich auf die sogenannte 183-Tage-Regel, um ihre Steuerpflicht zu klären. Allerdings wird dabei oft übersehen, dass sich diese Regel nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf einen rollierenden Zwölfmonatszeitraum bezieht. Zudem endet die Steuerpflicht nicht automatisch mit der Abmeldung beim Einwohnermeldeamt. Wer etwa zum 31. Dezember offiziell abgemeldet ist, aber erst am 9. Januar das Land verlässt, löst damit zumindest eine Veranlagung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland aus – und zwar für das gesamte Folgejahr. Auch administrative Spuren wie ein deutscher Pkw, eine aktive Krankenversicherung oder Bankverbindungen können als Indiz für eine Rückkehrabsicht gewertet werden. Die Interpretation liegt im Ermessen der Finanzbehörden.
Was bedeutet die 183-Tage-Regel konkret?
Im OECD-Musterabkommen, kurz OECD-MA, befinden sich viele Regelungen zur Ansässigkeit einer Person. Diese sind oft auch für Digitalnomaden relevant, wenn es darum geht, in welchem Land man als steuerlich ansässig gilt.
In den meisten Fällen werden diese Regelungen aber nicht ganz richtig dargestellt und genau hier entstehen Missverständnisse. So ist in vielen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Staaten Folgendes festgelegt: Natürliche Personen sind grundsätzlich in dem Staat ansässig, in denen Sie nach nationalen Regelungen aufgrund eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes steuerpflichtig sind. Ist die Person in mehreren Staaten ansässig, gilt der Staat als Ansässigkeitsstaat, in dem die Person über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, ist der Staat Ansässigkeitsstaat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
Ansässigkeit prüfen
Kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist. Ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen.
Es ist daher immer zuerst eine Prüfung der Ansässigkeit nach nationalen Regelungen vorzunehmen. Viele Digitalnomaden glauben, unter 183 Tagen im Land bedeutet, dass sie keiner Steuerpflicht nachgehen müssen. Das ist aber oftmals gar nicht der Fall:
- Manche Länder ziehen bereits bei wenigen Tagen Steuern auf vor Ort erzieltes Einkommen ein.
- Der Lebensmittelpunkt kann bei manchen Ländern wichtiger sein als die reine Aufenthaltsdauer.
- Deutschland kann auch Personen ohne 183 Tage als unbeschränkt steuerpflichtig ansehen, wenn diese einen „Wohnsitz“ im Sinne der Abgabenordnung (§ 8 AO) haben.
Lebensmittelpunkt als steuerliche Schaltstelle
Fehlt ein eindeutiger Wohnsitz oder lässt sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht präzise ermitteln, greifen Finanzämter auf den Begriff des Lebensmittelpunkts zurück. Dieser sogenannte Mittelpunkt der Lebensinteressen ist zwar im deutschen Steuerrecht nicht exakt definiert, findet aber im OECD-Musterabkommen Anwendung – vor allem bei Staaten mit Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Ausschlaggebend sind persönliche und wirtschaftliche Bindungen. Dazu zählen familiäre Beziehungen, soziale Netzwerke, unternehmerische Aktivitäten und das gewöhnliche Konsumverhalten. Selbst wer als verheiratete Person allein im Ausland lebt, kann einen steuerlichen Mittelpunkt in Deutschland behalten. Dies gilt, sofern sich dort etwa Familie oder unternehmerische Interessen befinden.
Doppelbesteuerung durch fehlende Planung
Wenn sich der Lebensmittelpunkt nicht klar verlagern lässt, kann es zu doppelten oder sogar multiplen Steuerpflichten kommen. Zwar sollen DBAs dies eigentlich verhindern, doch dafür ist eine saubere Dokumentation notwendig. Die Behörden im Ausland erwarten oft eine Ansässigkeitsbescheinigung oder einen steuerlichen Nachweis. Gleichzeitig bleibt Deutschland als Besteuerungsstaat aktiv, wenn Wohnsitz oder Aufenthalt nicht eindeutig aufgegeben wurden. Ohne systematische steuerliche Planung geraten viele Digitalnomaden dadurch in komplexe Verhältnisse mit parallelen Erklärungspflichten in mehreren Staaten.
Globale Freiheit braucht lokale Klarheit
Digitale Mobilität funktioniert nicht ohne steuerliche Struktur. Wer ortsunabhängig arbeiten will, sollte nicht nur an Reiseplanung, Internetverbindung und Unterkunft denken, sondern auch frühzeitig steuerliche Klarheit schaffen. Dazu gehört eine ordentliche Abmeldung in Deutschland, die Aufgabe sämtlicher Wohnsitze, die Dokumentation von Aus- und Einreisen sowie ein tragfähiges Konzept zur Verlagerung des Lebensmittelpunkts. In vielen Fällen lohnt sich eine steuerliche Beratung, insbesondere, wenn mehrere Länder involviert sind oder Unsicherheiten zur DBA-Auslegung bestehen.
Literatur & Weblinks
- BMF Amtliches AO-Handbuch 2024. Bundesministerium der Finanzen.
- BMF Amtliches AO-Handbuch, AEAO vor § 8, 9. Bundesministerium der Finanzen.
Bildnachweis: istockphoto.com/Royalty-free
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