
„Mitarbeitende sind oft schneller in der Veränderung als das alte Management“
Was unter Transformation in Unternehmen zu verstehen ist, erläutert Christian Polz, Coach und Autor im Interview auf Onpulson. Viele Betriebe würden diesen Aspekt vernachlässigen, doch man sollte wissen: Umfassende Veränderungsprozesse gingen oft nur mit einer kulturellen Transformation einher. Wenn die Mitarbeitenden das Gefühl hätten, dass beispielsweise die Transformation einen Zugewinn an Effektivität und Zufriedenheit mit sich bringe, seien sie offener für Veränderungen.

Christian Polz ist Inhaber und Geschäftsführer von Team-Polz. Er berät, coacht und trainiert seit über 20 Jahren Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte aller Managementebenen. Bildnachweis: Christian Polz
Onpulson: Herr Polz, Sie sind Coach für Führungskräfte und Geschäftsführer aller Managementebenen und betreiben die Website teampolz.de. Transformation ist ein vielbemühter Begriff. Was genau verstehen Sie unter einer „souveränen Transformation“ – und was unterscheidet sie von gängigen Change-Prozessen?
Christian Polz: Change ist nach meinem Verständnis eine Vorstufe der Transformation. Während es sich bei der Transformation um eine disruptive Umwälzung handelt, stehen beim Change die bisherigen Vorgehensweisen und Prozesse sowie die Unternehmenskultur nicht auf dem Prüfstand.
Eine Transformation hingegen geht stets mit einem Paradigmenwechsel einher. Das ist etwa bei der Transformation von der streng hierarchisch strukturierten Organisation zur Matrixorganisation der Fall, bei der die Mitarbeitenden verschiedenen Funktionsbereichen und Projekten zugeordnet sind, jeder im Team Führungsverantwortung übernehmen kann und dadurch eine viel höhere Performance entsteht.
Onpulson: In Ihrem Buch stellen Sie einen Fünf-Schritte-Plan zur Gestaltung einer transformationalen Unternehmenskultur vor. Welche dieser fünf Phasen erleben Ihre Klienten typischerweise als die größte Herausforderung – und warum?
Christian Polz: Die größte Herausforderung besteht darin, den Gesamtprozess umzusetzen. Analyse der Ist-Kultur, ME-Journey, WE-Journey, Orga-Journey, Transformationssouveränität – das sind die fünf Stationen. Dabei gilt: Nur wer eine saubere Ist-Analyse der Unternehmenskultur durchführt und auf dieser gesicherten Basis die notwendigen Transformationsprozesse auf der Individual-, der Unternehmens- und der organisatorischen Ebene umsetzt, kann zum fünften Schritt und dem Aufbau von Transformationssouveränität gelangen. Das erfordert Durchhaltevermögen, das nicht jedes Unternehmen aufbringt.
Onpulson: Sie betonen, dass Transformation nur gelingt, wenn Menschen aktiv einbezogen werden. Welche Hebel empfehlen Sie Führungskräften, um echte Begeisterung statt bloßer Zustimmung auszulösen?
Christian Polz: Sie sprechen damit vor allem die ME-Journey und die Individualebene an. Transformation gelingt nur mit den Menschen. Um sie zu aktiven Unterstützern zu entwickeln, ist es erforderlich, ihnen die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Transformation zu verdeutlichen. Und zwar konkret bezogen auf ihre Tätigkeit und ihren Verantwortungsbereich.
Die Führungskräfte nehmen dazu ihre Leuchtturm-Funktion wahr und gehen als Vorbilder voran. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden entwickeln sie in iterativen, das heißt sich wiederholenden Prozessen, ein gemeinsames Verständnis der Kultur. Dieser Prozess ist aufwendig und von Beratungsfirmen nicht multiplizierbar und durchführbar – die Führungskräfte stehen selbst in der Pflicht.
Oft sind dann Booster-Effekte zu beobachten: Mitarbeitende, die noch nicht von Notwendigkeit der Transformation überzeugt sind, werden durch die Vorbilder motiviert, doch noch tatkräftig und mit Begeisterung und Leidenschaft mitzuwirken. Wenn die Mitarbeitenden am eigenen Leib spüren, dass etwa die Transformation zum matrixstrukturierten Unternehmen einen Zugewinn an Effektivität und Zufriedenheit mit sich bringt, sind sie eher bereit, sich einzubringen.
Onpulson: Viele Unternehmen kämpfen mit Transformationsmüdigkeit. Wie kann eine Führungskraft Teams motivieren, auch nach mehreren Change-Projekten offen und engagiert zu bleiben?
Christian Polz: Ich beobachte eher das Gegenteil. Wenn die Menschen den Duft der Freiheit des selbstbestimmten Arbeitens geschnuppert haben, sind sie gut auf die nächsten Transformationsprojekte vorbereitet. Es gibt so etwas wie den Point of no Return – eine Rückkehr zum Anfangs- oder Ausgangspunkt ist nicht mehr möglich und auch nicht erwünscht. Meine Erfahrung ist: Im transformationalen Unternehmen sind die Mitarbeitenden oft schneller in der Veränderung als das alte Management. Das ist wie ein Tsunami im positiven Sinne. Von Transformationsmüdigkeit ist dann nichts zu spüren.
Welche Rolle spielen Führungspersönlichkeit und Haltung im Transformationsprozess – und woran erkennen Sie souveräne Führung in der Praxis?
Christian Polz: Souveräne Führung liegt vor, wenn eine Führungspersönlichkeit morgens ein Team top-down hierarchisch führt, mittags im autonomen Team als Gleiche unter Gleichen Prozesse lediglich begleitet und abends ein Team unterstützt, das sich im Übergang zum autonomen Team befindet. Das ist ein extremes Beispiel, klar.
Was ich verdeutlichen will: Eine souveräne Führungspersönlichkeit hat die Haltung und die Kompetenz, sich auf die verschiedenen Entwicklungsniveaus und Reifegrade des Teams einzustellen. Das gilt auch für die Mitarbeitenden: Der eine braucht die klare Anweisung, die andere die Begleitung innerhalb eines vorgegebenen Rahmens, der dritte agiert autark, er benötigt keine Führung mehr. Und auch keine Führungskraft.
Onpulson: Transformation betrifft nicht nur Strukturen, sondern auch Denkweisen. Welche Impulse geben Sie Unternehmern und Geschäftsführern, um kulturelle Veränderungen nachhaltig zu verankern?
Christian Polz: Ich spreche lieber von Mindset statt von Denkweisen. Es gilt das Motto „Wiederholung – Wiederholung – Wiederholung“. Ein neues Verhalten und ein neues Mindset lassen sich verankern, wenn sie iterativ trainiert werden, bis sie fest zum Verhaltensrepertoire gehören.
Durch ständige Reflexion und permanentes Neujustieren gelingt es, zum Beispiel einen Prozess als Standard zu etablieren, der von den Mitarbeitenden schließlich als selbstverständliche Reaktions- und Verhaltensweise übernommen wird. Durch die iterative Wiederholung und das ständige Einüben und Training werden auch kulturelle Veränderungen zu einer selbstverständlichen Erfolgsgewohnheit.
Onpulson: Ihr Buch ist bereits das dritte in einer Reihe. Was war Ihr persönlicher Antrieb, „Souverän in Transformation“ zu schreiben – und worin unterscheidet sich dieses Buch von den Vorgängern?
Christian Polz: Meine Bücher entstehen aus der Praxis für die Praxis. Das war sowohl bei „Agile Teamarbeit“ und „Souverän in Führung“ als auch nun bei „Souverän in Transformation“ der Fall. Ich möchte meine Erfahrungen an ein breites Publikum weiterreichen. Viele Unternehmen vernachlässigen den Punkt, dass umfassende Veränderungsprozesse meistens nur auf der Grundlage einer kulturellen Transformation gelingen. Jeder gelungene transformationale Prozess setzt eine soziale Transformation und tiefgreifende Veränderungen auf der Ebene der Unternehmenskultur voraus.
Dafür möchte ich mit meinem neuen Buch sensibilisieren. Im Prinzip gehören die drei genannten Bücher zusammen und bauen aufeinander auf. Derzeit schreibe ich übrigens an einem Buch zum systemischen Coaching für souveräne Führungspersönlichkeiten. Das ist der nächste Schritt.
Bildnachweis: istockphoto.com/Miodrag Kitanovic
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