Wenn sich Chefs zu sehr in Details einmischen
Projektarbeit

Wenn sich Chefs zu sehr in Details einmischen

Jürgen Schmid
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Ein altbekanntes Bild auch in scheinbar modernen Unternehmen: kaum geht ein Projekt in die letzten Züge, steht der Chef auf der Matte – und zerstört in mühevoller Kleinarbeit, was sein Team über Monate in hoher Eigenverantwortung aufgebaut hatte. Wo liegt der Haken? Und was passiert mit einem Team, dessen Chef nicht loslassen kann?

Ein gutes Beispiel für eine solche Situation ist das Maschinenbau-Team eines mittelständischen Unternehmens, das Hightech-Kunststoffmaschinen herstellt. „Machen Sie nur!“ So lautete die Ansage des Geschäftsinhabers. Das Projekt lief bereits in vollen Zügen, als dieser plötzlich hereinschneite und das gesamte Team mit seinen Bemerkungen und Vorstellungen zum Startpunkt zurückkatapultierte. Nach der Klärung einiger Fragen war schnell klar, dass das anfängliche „Machen Sie nur!“ eine Falle gewesen war: Er dachte auf der Detailebene und stellte seine persönlichen Vorlieben über alles.

Wie sich Chefs bei Projekten positionieren können

Nun kann sich ein Inhaber grundsätzlich auf zweierlei Arten im Unternehmen positionieren. Entweder er agiert auf der Mikroebene – wie besagter Inhaber – und beschäftigt sich mit Details. Oder aber er schafft für das Projekt unternehmerische Leitplanken: das heißt, das Unternehmen strategisch zu überblicken und auf die nächste Ebene zu heben. Wenn sich ein Chef konsequent und ausschließlich mit dem Ziel befasst, wissen seine Mitarbeiter: Bei jedem Projekt steht die Festlegung der Leitplanken und dem Projektziel immer am Anfang. Wenn das Ziel und der Rahmen klar sind, entscheidet der Projektleiter und das Team, wie die konkrete Lösung aussieht. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass unser unumstößliches Qualitätsniveau beachtet wird. Geschieht das nicht, zwingt mich das Team auf die Detailebene. Die Wirkung ist dann fatal.

Fehlende Struktur führt zur fatalen Kettenreaktion

Niemand mag es, wenn sich ein Dritter in die laufende Arbeit einmischt – auch dann nicht, wenn es sich um einen zu Rate gezogenen Berater handelt. Ein solches Vorgehen signalisiert ganz klar Versäumnisse beim Projektstart oder Nachlässigkeiten in der Umsetzung der Vorgaben. Dafür ist der Chef gleichermaßen verantwortlich wie das Projektteam.

In dem oben genannten Projekt wurden nicht nachdrücklich die Vorgaben des Unternehmers eingefordert. Was natürlich eine fatale Kettenreaktion erzeugt. Selbst wenn ein Team bis zu diesem Zeitpunkt gut und stabil gearbeitet hat, schlägt die Stimmung plötzlich ins Gegenteil um – Verunsicherung macht sich breit, weil der Chef ohne erkennbare Struktur die vorliegenden Ergebnisse in Frage stellt. Und das Team entmündigt. Aus eigenverantwortlichen Mitarbeitern wird eine verlängerte Werkbank: „Ich sage euch mal ganz genau, wie ihr euren Job machen müsst.“ Das Team gleicht jetzt einem Hühnerhaufen. Jeder versucht, es dem Chef recht zu machen. Damit wird aus einem Projekt ein Schrotthaufen.

Eigenverantwortung kommt nicht von ungefähr

Kein Wunder: Führung an kurzer Leine führt zu Ja-Sagern und Befehlsempfängern. Keine Spur von Eigenverantwortung. Schließlich können sie von vornherein davon ausgehen, dass in einem solchen Klima Mitdenken kein Erfolgsrezept ist. Und Anforderungen im Prozess oder gar im Nachgang nach Belieben verändert werden.

Im erwähnten Maschinenbauunternehmen fand das Team nach mehreren Entwicklungsschleifen und Wochen später heraus, dass alle Entwurfsvarianten abgelehnt wurden, weil dem Inhaber die Hausfarbe bzw. die Corporate Identity zu sehr beachtet wurde.

Führungskräfte müssen auch mal einfreifen

Keine Frage, dass sich Führungskräfte so auf die Mikroebene begeben, ist mitnichten nur ihre „Schuld“. Schließlich gehören auch zu einem solchen Eingreifen immer zwei Seiten – und zwar neben dem eingreifenden Chef auch der Mitarbeiter, der dies über sich ergehen lässt und die Informationen nicht rechtzeitig abholt, die er braucht.

Dass es funktionieren kann, dass Mitarbeiter in einem Prozess Einfluss nehmen, erleben andere Unternehmen tagtäglich. Hier legen Teams bei jedem Projekt beim Projektstart die grundlegenden Prozessschritte mit den maßgeblichen Eckpunkten und Fragestellungen fest und schauen vorab gemeinsam: „Wo wollen wir hin?“

Der Chef  sollte sich um die strategische Zielsetzung kümmern

Auf diese Weise vermeiden sie, dass Abstimmungen schnell nebenher zwischen Tür und Angel oder bei einem Kaffee gemacht werden. Und alle davon ausgehen: „Jaja, der andere hat’s schon verstanden.“ Und der Unternehmer ist nur dann dabei, wenn es um Grundlegendes geht.

Somit ist für alle Beteiligten – das heißt auch für den Chef – klar: Der Chef beschäftigt sich nicht mit Details, die strategische Zielsetzung gilt es zu erreichen. Dafür ist er da. Er ist nicht da, um sich hinzustellen und zu sagen: „Ich will die Farbe rot“, sondern: „Wir wollen die Markenfarbe deutlich im Produkt wiederfinden.“ Wenn sich Führungskräfte in der Mikroebene einmischen, schwächen sie ihr Team und im Umkehrschluss ihr Unternehmen.

Die Kompetenz einer Führungskraft liegt eben ganz entschieden nicht darin, immer und überall anzupacken. Ganz im Gegenteil: Den erfolgsentscheidenden Rahmen definieren und von Zeit zu Zeit überprüfen, ob das Team in die richtige Richtung arbeitet. Nur so erhalten Sie Mitarbeiter, die wirtschaftlich denken und eigenverantwortlich arbeiten.

Foto/Thumbnail: ©DragonImages/Depositphotos.com

Über den Autor

Jürgen Schmid

Jürgen R.Schmid Jürgen R. Schmid lebt als renommierter Designer für individuelle und unkonventionelle Lösungen. Nicht erst seit er den weltberühmten Mini-Akkuschrauber erfunden hat. Seine Firma Design Tech ist ein international führendes Unternehmen für zielorientiertes Maschinendesign. www. juergen-schmid.de
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