Gendersprache im Marketing richtig einsetzten
Gleichstellung der Geschlechter

Gendersprache im Marketing richtig einsetzten

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Geschlechtergerechte Formulierungen sind Gift für die sprachliche Eleganz. Sie machen Marketing-Texte unleserlich und unverständlich, meinen die einen. Alles Humbug, schimpfen die anderen. Was aber sagt die empirische Wissenschaft?

In vielen Unternehmen wird die Gendersprache noch immer sehr kritisch gesehen. In der Tat ist es nicht allzu schwer, haarsträubende Negativbeispiele geschlechtergerechter Ausdrucksweisen zu finden. Wie aber sieht es mit gut formulierten „gender-fairen“ Texten aus – und zwar im direkten Vergleich mit generisch maskulinen?

Nehmen wir einige Mythen zur geschlechtergerechten Sprache näher unter die Lupe und stellen wir sie auf den wissenschaftlichen Prüfstand. Richtig oder falsch? Überzeugen Sie sich selbst:

Mythos 1: „Geschlechtergerechte Texte sind unverständlicher“

Richtig, aber nur aus Sicht der Männer. Gut formulierte geschlechtergerechte Texte werden ähnlich klar verstanden wie Texte in generisch maskuliner Form. Aber es gibt Unterschiede im Geschlecht. Männer halten generisch maskuline Formulierungen subjektiv am verständlichsten – zum Beispiel „unsere Kunden“. Frauen hingegen meinen, dass in Punkto Verständlichkeit dem „Binnen-I“ der Vorzug zu geben sei – d.h. „unsere KundInnen“. (1, 2, 3)

Mythos 2: „Die Inhalte geschlechtergerechter Texte sind schwieriger zu merken“

Falsch. Die Erinnerungsleistungen sind annähernd gleich – egal ob der Text geschlechtergerecht formuliert wurde oder nicht. Wobei geschlechtergerechte Textinhalte sogar etwas besser abschneiden als generisch maskuline. Männer merken sich beispielsweise Textinhalte mit Paarformulierungen am leichtesten – d.h. „Bürgerinnen und Bürger“. Bei Frauen führt das „Binnen-I“ zur höchsten Erinnerungsleistung. Übrigens: Frauen merken sich Textinhalte prinzipiell besser als Männer. Woran das wohl liegen mag?(4,5)

Mythos 3: „Geschlechtergerechte Texte werden weniger akzeptiert“

Falsch. Untersuchungen zeigen, dass geschlechtergerechte Texte – sofern sie gut formuliert wurden – von der Leserschaft weitgehend akzeptiert werden. Und zwar unabhängig vom Alter oder Ausbildungsgrad. Bei Rechts- bzw. Gesetzestexten werden geschlechtergerechte Ausdrucksweisen sogar deutlich bevorzugt.(6, 7)

Mythos 4: „Geschlechtergerechte Texte sind weniger ästhetisch“

Richtig. Tatsächlich konnten dazu entsprechende Wahrnehmungseffekte identifiziert werden. Empirische Befunde deuten darauf hin, dass die stilistische Ästhetik abnehmen kann, wenn bestimmte Formen der geschlechtergerechten Sprache verwendet werden. Allen voran entsprechen verkürzte Paarformulierungen wie zum Beispiel „Liebe/r Mitarbeiter/in“ am wenigsten dem ästhetischen Empfinden der Leserschaft.(8,9)

Fazit: Die Gendersprache braucht Leute, die gut texten können

„Aus Gründen der Verständlichkeit und Lesbarkeit“ ist kein Argument, Texte im generischen Maskulinum zu formulieren. Sind Frauen die Hauptzielgruppe, ist es aus werbepsychologischer Sicht sogar ratsam, eine geschlechtergerechte Sprache zu wählen. Einen Haken hat die Sache aber trotzdem.

Geschlechtergerecht und gleichzeitig auch ästhetisch zu texten, ist anspruchsvoll. Verwenden Sie daher am besten einschlägige Ratgeber oder Leitfäden. Oder beauftragen Sie eine(n) professionelle(n) Texter(in),die (der) ihr (sein) Handwerk versteht. Ansonsten entstehen so grauenvolle Sätze, wie jener, den Sie soeben gelesen haben.

Tipp: Das Genderwörterbuch hilft Ihnen dabei, wie Sie geschickt gendergerecht formulieren können.

Quellenhinweise zu diesem Artikel:

1. Braun, F. et al.: „Aus Gründen der Verständlichkeit“: Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten, in: Psychologische Rundschau, 58 (3), Seiten 183 – 189, 2007

2. Frank-Cyrus, K. M. & Dietrich, M.: Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Gesetzestexten. Eine Meinungsumfrage der Gesellschaft für deutsche Sprache, in: Der Sprachdienst, 41, Seiten 55 – 68, 1997

3. Rothmund, J. & Christmann, U.: Auf der Suche nach einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch, in: Muttersprache, 112, Seiten 115 – 135, 2003

4. Braun, F. et al.: „Aus Gründen der Verständlichkeit“: Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten, in: Psychologische Rundschau, 58 (3), Seiten 183 – 189, 2007

5. Braun, F. et al.: „Aus Gründen der Verständlichkeit“: Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten, in: Psychologische Rundschau, 58 (3), Seiten 183 – 189, 2007

6. Steiger, V. & Irmen, L.: Recht verständlich und „gender-fair“: Wie sollen Personen in amtlichen Texten bezeichnet werden? Ein Vergleich verschiedener Rezipientengruppen zur Akzeptanz geschlechtergerechter Rechtssprache, in: Linguistische Berichte, Volume 2011, Number 227, Seiten 297 – 322, 2011

7. Frank-Cyrus, K. M. & Dietrich, M.: Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Gesetzestexten. Eine Meinungsumfrage der Gesellschaft für deutsche Sprache, in: Der Sprachdienst, 41, Seiten 55 – 68, 1997

8. Frank-Cyrus, K. M. & Dietrich, M.: Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Gesetzestexten. Eine Meinungsumfrage der Gesellschaft für deutsche Sprache, in: Der Sprachdienst, 41, Seiten 55 – 68, 1997

9. Rothmund, J. & Christmann, U.: Auf der Suche nach einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch, in: Muttersprache, 112, Seiten 115 – 135, 2003

Foto/Thumbnail: ©bacho123456/Depositphotos.com

Über den Autor

Michael Radner Mag. Michael Radner ist selbständiger Markenstratege mit Sitz in Innsbruck (Tirol). Er betreut unter seinem Label brandpi engagierte Unternehmen in der strategischen wie operativen Entwicklung ihrer Marken. www.www.brandpi.at
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