Finanzierungen in der Krise: Wie schaffe ich als Unternehmer Liquidität?
Alternativen zum Kredit

Finanzierungen in der Krise: Wie schaffe ich als Unternehmer Liquidität?

Porträtfoto von Nicolay Ofner von fincompare
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Während der Corona-Krise ist bei vielen Unternehmern die Liquidität knapp. Der erste Gang zur Bank für einen Kredit ist häufig ernüchternd, denn die Kreditinstitute sind bei der Vergabe restriktiver geworden. Neben dem klassischen Bankkredit gibt es für Unternehmer jeder Größe noch zahlreiche weitere Optionen.

Die Corona-Krise ist trotz der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Erholung noch lange nicht ausgestanden. Viele Unternehmen haben immer noch dringenden Liquiditätsbedarf, das zeigen Umfragen unter den 30.000 Unternehmenskunden von FinCompare, einer Vergleichsplattform für KMU-Finanzen. Demnach brauchen sieben von zehn Unternehmern dringend Kapital, um wichtige Ausgaben zu decken. Viele der Unternehmer haben jedoch Probleme, an die Gelder aus den staatlichen Förderund Hilfstöpfen zu gelangen. Die erste Ausweichoption, der klassische Bankkredit, ist durch die restriktivere Kreditvergabe der Banken auch nicht immer möglich beziehungsweise nur zu unattraktiven Konditionen realisierbar. Viele Unternehmer stehen damit vor der Frage, welche Alternativen es eigentlich zum Kredit gibt. Wir stellen im Folgenden vier Varianten vor, mit denen sich Unternehmer Liquidität verschaffen können.

1. Factoring: schnelle Liquidität durch Abtretung von Forderungen

Beim Factoring verkauft das Unternehmen seine offenen Forderungen an einen sogenannte „Factor“. Der Factor zahlt bis zu 100 Prozent der Rechnungssumme an das abtretende Unternehmen aus und berechnet dafür eine Gebühr beziehungsweise Zinsen.

Kurzcharakteristik

Grundsätzlich gibt es zwei Varianten beim Factoring:

  1. Revolvierender Forderungsverkauf: Alle Forderungen eines Unternehmens werden an den Factor abgetreten, zusätzlich sind weitere Dienstleistungen beim klassischen Factoring inbegriffen (wie z.B. Debitorenmanagement und Mahn- und Inkassowesen).
  2. Einzelforderungsverkauf: Eine sehr flexible Vorfinanzierungsfunktion, die speziell für Selbstständige und Freiberufler interessant ist. Diese Variante ermöglicht es, Einzelrechnungen vorzufinanzieren.

Am Factoring-Markt gibt es viele Anbieter und viele verschiedene Varianten. Dies reicht vom „echten Factoring“ (Ausfallrisiko geht auf den Factor über) und „unechtem Factoring“ (Ausfallrisiko bleibt beim Unternehmer) bis hin zum „offenen Factoring“ (Debitor wird über den Forderungsverkauf informiert) und „stillen Factoring“ (Debitor wird nicht über den Forderungsverkauf informiert).

Für wen eignet sich Factoring?

Voraussetzung für Factoring ist, dass Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bestehen. Es lohnt sich daher für Unternehmen, deren Liquidität in Forderungen gebunden ist (zum Beispiel bei Zahlungszielen von 30 oder mehr Tagen). Diese Unternehmer erhalten beim Factoring schneller Geld aus ihren offenen Forderungen. Auch kleinere Unternehmen profitieren vom Factoring, da sie beispielsweise ihre Buchhaltung entlasten (etwa durch ausgelagertes Debitorenmanagement) und ihr Ausfallrisiko absichern können.

2. Leasing: liquiditätsschonende Möglichkeit für Investitionen

Braucht ein Unternehmer Liquidität, um zu investieren, bieten sich Leasing beziehungsweise Mietkauf an. Leasing lässt sich auf viele Mobilien anwenden (z.B. Maschinen, Anlagen, Fuhrpark und Geschäftsausstattung) und ist sehr flexibel.

Kurzcharakteristik

Der Leasinggeber schafft das Objekt (z.B. Geschäftsausstattung) an und überlässt es dem Leasingnehmer gegen vorher festgelegte Leasingraten. Höhe der Anzahlung, Zeitraum und Ratengestaltung sind vertraglich individuell gestaltbar. Nach der Laufzeit kann das Objekt vom Leasingnehmer erworben werden oder es geht an den Leasinggeber zurück. Beim Leasing wird das Objekt beim Leasinggeber bilanziert. Das bedeutet, der Leasingnehmer kann damit keine steuerlichen Abschreibungen geltend machen, allerdings sind Leasingkosten vollständig als Betriebsausgaben absetzbar.

Beim Mietkauf hingegen erwirbt das Unternehmen das Objekt („Asset“), bilanziert dieses auch und kann es demnach steuerlich abschreiben. Das ist der wesentliche Unterschied zum Leasing. Beim klassischen Mietkauf werden Objekte (zum Beispiel Maschinen, aber auch Immobilien) vom Leasinggeber gegen eine Zahlung einer Rate in einem bestimmten Zeitraum an den Leasingnehmer vergeben. Der Mietkäufer wird sofortiger wirtschaftlicher Eigentümer und hat die Option, das Objekt während der Laufzeit vollständig zu erwerben.

Für wen eignet sich die Finanzierungsvariante?

Leasing eignet sich für Unternehmen, die Anlagevermögen anschaffen möchten, dies aber bilanzneutral sowie ohne Belastung der eigenen Kreditlinie und möglichst liquiditätsschonend bewerkstelligen möchten. Der Mietkauf wiederum ist häufig dann attraktiv, um staatliche Investitionszulagen beziehungsweise Fördermittel zu erhalten, die durch eine Finanzierung über Leasing nicht abgerufen werden können. Eine Spezialform des Leasings ermöglicht es auch, dass Unternehmen, die Anlagevermögen kürzlich gekauft haben, dieses nachträglich finanzieren können. Diese Variante nennt sich „Sale & Lease Back“ und wird im nächsten Punkt näher beschrieben.

3. Sale & Lease Back: Spezialfall im Leasing- und Mietkaufbereich

Bei Sale & Lease Back verkaufen Unternehmer Objekte, die sich bereits im Anlagevermögen (z.B. Maschinen und Anlagen) befinden, an einen Leasinganbieter und leasen dieses umgehend zurück.

Kurzcharakteristik

Speziell im produzierenden Gewerbe werden Maschinen häufig bis weit über die Abschreibungszeiträume hinaus genutzt. Während diese Maschinen dann nur noch einen geringen oder gar keinen bilanziellen Restwert haben, ist der Marktwert häufig deutlich höher. Diese Differenz kann sich ein Unternehmer zunutze machen.

Voraussetzung: Die Maschinen beziehungsweise Anlagen müssen einen gewissen Zeitwert haben und es muss einen Sekundärmarkt für den Verkauf geben. Ausgeschlossen sind häufig Sonderanfertigungen, Spezialmaschinen sowie Prototypen und kleinteilige Maschinen. Zudem bevorzugen Gesellschaften, die Sale & Lease Back anbieten, den Erwerb eines Maschinen-Portfolios.

Richtwert: Das Gesamtvolumen einer Transaktion, bezogen auf den aktuellen Zeitwert, sollte mindestens 100.000 Euro betragen.

Für wen eignet sich die Finanzierungsvariante?

Da die Bonität des Unternehmens bei Sale & Lease Back keine Rolle spielt, richtet sich diese Finanzierungsform an Firmen, die ihre Bilanz verkürzen wollen oder dringend Liquidität benötigen, aber keine weiteren Finanzierungsmöglichkeiten mehr haben. Die Finanzierung über Sale & Lease Back kann somit auch im Falle einer Planinsolvenz beziehungsweise einer Insolvenz genutzt werden, nachdem der Insolvenzverwalter dieser zugestimmt hat. Es ist zudem ein gutes Hilfsmittel zur Finanzierung von Übernahmen, da sich über dieses Instrument ein Teil des Kaufpreises finanzieren lässt.

Auch für Unternehmen, die finanziell solide dastehen, kann Sale & Lease Back eine gute Wahl sein. Unternehmen können so ihre Bilanz verkürzen und/oder stille Reserven heben. Dadurch kann sogar das eigene Rating verbessert werden: Maschinen und Anlagen mit einem Restbuchwert gehen aus der Bilanz heraus, wodurch die Bilanzsumme verkürzt wird. Setzt man die gewonnene Liquidität zur Tilgung von Verbindlichkeiten ein, erhöht sich die Eigenkapitalkomponente prozentual zur Bilanzsumme. Der Effekt: Das Eigenkapital steigt, was wiederum dazu führen kann, dass sich das Rating des Unternehmens verbessert. Mit einem verbesserten Rating steigen damit die Möglichkeiten des Unternehmens sich überhaupt oder günstiger über Banken und andere Finanzdienstleister zu finanzieren.

4. Einkaufsfinanzierung: langfristig das Kunden-Lieferanten-Verhältnis verbessern

Bei der Einkaufsfinanzierung, die auch als Finetrading bei manchen Anbietern bezeichnet wird, finanziert ein Zwischenhändler („Finetrader“) den Einkauf von Waren vor und räumt dem Unternehmen gegen Gebühr ein verlängertes Zahlungsziel (meist zwischen 30 und 180 Tagen) ein.

Kurzcharakteristik

Der Finanzierer erhebt für die Zwischenfinanzierung beziehungsweise Stundung des Zahlungsziels eine Gebühr, welche buchhalterisch betrachtet keine Zinsen, sondern Kosten darstellen und auch so ausgewiesen werden können. Die Höhe der Gebühren hängt von verschiedenen Faktoren ab (z.B. Bonität, Art der Waren, gewünschtes Zahlungsziel etc.). Am Markt gibt es verschiedene Modelle, zentral dabei ist immer die Absicherung des Investors beziehungsweise des Einkaufsfinanzierers.

Der häufigste Fall: Der Einkaufsfinanzierer, der die Ware zunächst ankauft, nutzt den verlängerten Eigentumsvorbehalt als Sicherheit, eine zusätzliche Sicherheit bietet eine Warenkreditversicherung. Andere Anbieter wiederum erwarten eine Abtretung von Forderungen des Unternehmens, welches die Ware verkauft als Sicherheitsleistung. Voraussetzungen, um die Einkaufsfinanzierung nutzen zu können sind: Das Unternehmen muss Waren überhaupt erst einkaufen und das jährliche Einkaufsvolumen sollte 100.000 Euro übersteigen.

Für wen eignet sich die Finanzierungsvariante?

Bei der Einkaufsfinanzierung handelt es sich um ein Handelsgeschäft und nicht um ein Kreditgeschäft, daher ist die Einkaufsfinanzierung bilanzneutral. Durch die sofortige Zahlung der Ware durch den Einkaufsfinanzierer wird das Kunden-Lieferanten-Verhältnis optimiert, was beispielsweise künftig bessere Konditionen ermöglichen kann. Zudem sorgt die Einkaufsfinanzierung für Entlastung der Kontokorrent-Kreditlinien. Somit ist sie geeignet für Unternehmen, die sich unabhängiger von Banken positionieren möchten. Hinzu kommt: Das Skonto wird den Gebühren für die Einkaufsfinanzierung gegen gerechnet. Bei einem hohen Lagerumschlag in Kombination mit einem Skonto, das der Einkaufsfinanzierer für den Kunden zieht und dem Kunden gutschreibt, können so die Kosten für die Finanzierung auf Null gesenkt werden. Unter Umständen kann vom Skontobetrag sogar noch etwas übrig bleiben.

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Es gibt am Finanzierungsmarkt viele Alternativen zum Bankkredit. Zu den oben genannten Möglichkeiten sind auch noch weitere Optionen denkbar, beispielsweise die Crowdfinanzierung. Welche Möglichkeiten sich Unternehmern in der Kapitalbeschaffung bieten, hängt ganz wesentlich von der individuellen Situation des Unternehmens sowie der Mittelverwendung ab. Eine schwere Wirtschaftskrise wie die aktuelle ist in jedem Fall eine gute Gelegenheit, sich im Bereich Unternehmensfinanzierung flexibler aufzustellen. Durch die Etablierung eines vielfältigen Finanzierungsmixes machen sich Unternehmer unabhängiger von einzelnen Finanzierungspartnern. Um einen ausgewogenen Finanzierungsmix zu realisieren, gibt es viele neue Spezialanbieter am Markt. Unternehmen sollten sich daher über eine Internetrecherche einen ersten Eindruck verschaffen.

Foto/Thumbnail: ©Depositphotos.com

Über den Autor

Porträtfoto von Nicolay Ofner von fincompare

Nicolay Ofner Nicolay Ofner ist Mit-Gründer und Head of Placement bei FinCompare. Das Berliner Fintech fokussiert sich auf die Vermittlung und unabhängige Beratung von Mittelstandskrediten. Auf der Vermittlungsplattform stehen über 250 Banken, Leasing- und Factoringgesellschaften zur Auswahl. www.fincompare.de
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