Wie gehen Führungskräfte mit der neuen Führungsrolle um?
Leadership in Zeiten des Wandels

Wie gehen Führungskräfte mit der neuen Führungsrolle um?

Porträtfoto von Gordon Geisler, Inhaber von Gordon Geisler Unternehmensberatung
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Demografischer Wandel, Digitalisierung, Globalisierung, Corona: All die Herausforderungen unserer Zeit sorgen für eine Veränderung der Rolle des Leaderships, diese führt partizipativ, schafft Freiraum für die Mitarbeitenden und ermöglicht eigenverantwortliches Arbeiten. Sie begleitet ihre hybrid oder komplett remote arbeitenden Teams dezentral, ist eher in der Rolle des Coachs und Mentors als in der Rolle des Leitwolfs und alleinigen Entscheiders – und hält dem Team den Rücken frei.

Mitarbeitende erwarten diese wichtigen und notwendigen Veränderungen in der Führungshaltung. Laut der Studie „Die Kunst des Führens in der digitalen Revolution“ der Unternehmensberatung Kienbaum und dem Personaldienstleister StepStone bevorzugen folgendes:

  • 94 Prozent der befragten Mitarbeitenden eine Führungskraft, „die charismatisch ist, als Vorbild fungiert, eine Vision vermittelt und motiviert“ (transformativer Führungsstil).
  • 88 Prozent der befragten Mitarbeitenden eine Führungskraft, „die konkrete Ziele formuliert und konstruktive Rückmeldungen gibt“ (strategischer Führungsstil).
  • 84 Prozent der befragten Mitarbeitenden eine Führungskraft, „die wertorientiert und transparent handelt sowie Selbstständigkeit fördert“ (ethischer Führungsstil).

Zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit

Die ebenfalls in der Studie befragten Führungskräfte verorten sich zum größten Teil in diesen, von den Mitarbeitenden als positiv wahrgenommenen Führungsstil-Bereichen. Das Problem: Die Umfrage zeigt, wie stark Selbst- und Fremdwahrnehmung hier auseinanderklaffen. Denn die Mitarbeitenden schätzen den Führungsstil ihrer Vorgesetzten anders ein. 54 Prozent sahen den autoritär-direktiven Führungsstil bei ihren Chefs, 29 Prozent den strategischen Führungsstil, 21 Prozent den transformativen – und nur 9 Prozent den ethischen Führungsstil.

Woran das liegt? Oftmals reflektieren die Verantwortlichen nicht ihre inneren Antreiber, ihre Motive, mit den sich verändernden Führungsanforderungen – sondern münzen sie sich so zurecht, dass sie selbst das Gefühl haben, danach zu handeln. Wer aber beispielsweise ein Dominanz-Motiv hat und vor allem durch Alleingänge und Wettbewerb besonders stark performen kann, der wird früher oder später Schwierigkeiten bekommen, sich mit einem partizipativen oder transformativen Führungsstil wohlzufühlen, wenn er seine Motive nicht anderswo auszuleben weiß. Dazu ein Praxisbeispiel:

Von der Ellenbogen-Gesellschaft zur Kooperationseinheit

Ein digitales Dienstleistungsunternehmen ist rasant gewachsen – und hat in kurzer Zeit den „Raketenstart“ vom Start-up zum Digitalkonzern geschafft. So ein großer Sprung hinterlässt Spuren. Während der rasanten Wachstumsphase war der Vertrieb auf internen Wettbewerb ausgelegt. Jedem Vertriebsteam ging es darum, den anderen die Kunden abzujagen und die Boni einzuheimsen. Diese Form des Wettbewerbs war in der Wachstumsphase auch noch gesund – und die Abteilungsleitung war wie geschaffen für diese Organisationskultur: Ein Wettbewerber nach dem anderen wurde geschluckt oder versank in der Unbedeutsamkeit des Marktes.

Als das Unternehmen aber dann die Marktführerschaft erreichte, sich das Wachstum einstellte und aufgrund der Größe die Strukturen angepasst werden musste, passte die Kultur des Wettbewerbs für die Verantwortlichen nicht mehr zur Organisation. Die Geschäftsführung wollte eigenverantwortlich und kooperativ arbeitende interdisziplinäre Teams. Kommunikation und Kollaboration standen im Mittelpunkt. Die Aufgabe der Führungskräfte war es nun, als Wegbereiter und Wegbegleiter das eigenverantwortliche und gemeinschaftliche Arbeiten zu fördern. Für die Vertriebsleitung war das eine sehr schwere Umstellung: Sie war in einem wettbewerbsgetriebenen Umfeld zuhause. Hier blühte sie auf und konnte ihre Teams mitreißen. Einer ihrer größten inneren Antreiber war Wagnis, Dominanz, Gewinnbestreben und Wettbewerb. Diese konnte sie nun nicht mehr in der Form ausleben.

Motive: Die inneren Antreiber

Jeder Mensch hat unterschiedlich ausgeprägte Motive. Motive sind im limbischen System des Gehirns fest verankert. Vereinfacht ausgedrückt führen bestimmte Botenstoffe zu Stimulation im Gehirn und stellen somit das wesentliche Element der Motivation dar. Wo diese Stimulation fehlt, benötigen wir mehr Willenskraft.

Beispielsweise kann jemand durch Wettbewerb sehr motiviert werden, durch Harmonie aber demotiviert – oder umgekehrt. Ähnlich der körpereigenen DNA sind Motive tief im Menschen verankert. Sie sind willentlich nicht beeinflussbar, wohl aber Umgang damit. Kein Motiv ist besser oder schlechter als das andere. Wichtig für unser Wohlbefinden ist aber, dass wir unsere am stärksten ausgeprägten Motive ausleben können – im Beruf oder in der Freizeit. Können wir das nicht, entsteht Frust und Demotivation.

Das musste auch die Vertriebsleitung erkennen. Nach einem Coaching begann sie, ihr die Teams als Einheit nach ihrer Leistung zu bewerten – ließ sie aber die Lösungen frei erarbeiten. Auch drehte sie das Dominanzverhalten eher in Richtung Vorgesetzte, in dem sie in Führungsmeetings die Wichtigkeit ihrer Abteilung promotete und größerer Budgets zur Abteilungsentwicklung erkämpfte. Hier spürte sie, dass sie ein anderes stark ausgeprägtes Motiv im Job ausleben konnte, was sie vorher eher im Privaten auslebte: das Streben nach Abwechslung und Gestaltung. Vielen Menschen sind ihre Motive nicht bewusst. Sie agieren unterbewusst nach ihnen – durch Desinteresse, Demotivation, oder Wut, wenn eine Situation das Gegenteil ihrer inneren Antreiber hervorruft.

Oder durch Spaß, Motivation, Energie und Freude, wenn eine Situation die inneren Antreiber hervorruft. Motivation ist pure Emotion. Wer mit Lust handelt, fühlt sich wohl. Und Entscheidungen, die im Einklang mit Motiven getroffen werden, sind in der Regel besser. Darum ist es enorm hilfreich, sich seiner Motive bewusst zu werden. Das gilt für jede Person und insbesondere für Führungskräfte.

Bewusstsein für Motive schaffen

Führungskräfte können beispielsweise ein Bewusstsein für ihre inneren „Motivationskraftwerke“ schaffen, sie analysieren und für sich nutzen. Folgende Fragen können dabei helfen:

  • In welchen Situationen spüre ich dieses oder jenes Motiv?
  • In welchen Situationen spüre ich dieses Motiv nicht?
  • Durch welche „Auslöser“ wird dieses Motiv bei mir aktiviert? Wie kann ich dies beeinflussen?
  • Wie spüre ich dieses Motiv (auch körperlich)?
  • Wie beeinflusst dieses Motiv mein Verhalten in bestimmten Situationen, z. B. Kommunikation, Führung, Partnerschaft u. v. m.? Wie erlebe ich das?
  • Gibt es Motive, die in denselben Situationen ebenfalls angesprochen werden?

Positive Umgebungen schaffen

Das Bewusstwerden der Motive in bestimmten Situationen erfordert etwas Übung. Mit der Zeit können Führungskräfte aber dann schneller bessere Entscheidungen treffen, geschicktere Verhandlungen führen oder stärker kommunizieren. Sie können potenziellen demotivierenden Situationen ausweichen und sich einem motivierenden Umfeld zuwenden, das sie dann auf die Strukturen und Kultur einer Organisation anwenden können. So lernen Führungskräfte, Umgebungen im Unternehmen zu schaffen, die für das neue Selbstverständnis der Mitarbeitenden fördernd wirken. Das ist kein Spaziergang, denn die Führungskraft muss lernen, die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit des Teams als Stärke zu sehen – statt nur den kleinsten gemeinsamen Wertenenner zu finden, nachdem sich alle richten sollen. Doch gelingt das, steigt die Kreativität und Innovationsfähigkeit im Team.

Foto/Thumbnail: ©istockphoto/jacoblund

Über den Autor

Porträtfoto von Gordon Geisler, Inhaber von Gordon Geisler Unternehmensberatung

Gordon Geisler Gordon Geisler ist Speaker, Sparringspartner und Inhaber der GORDON GEISLER Zukunfts-DNA Unternehmensberatung. Mit seinem Team begleitet er Menschen bei der Persönlichkeitsentwicklung sowie Unternehmen bei der Transformation und Geschäftsentwicklung. Als Speaker hinterfragt Geisler bestehende Denkmuster auf intelligente und humorvolle Art – und verbindet dabei modernste Erkenntnisse der Neurowissenschaften und der Epigenetik mit Leadership-Themen. www.gordongeisler.de  
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