Warum zu defensives Verhalten im Vertrieb dem Kunden mehr schadet als nützt
Nur keine Hemmungen

Warum zu defensives Verhalten im Vertrieb dem Kunden mehr schadet als nützt

Porträtfoto von dem Verkaufstrainer Oliver Schumacher
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„Ich will ja nicht aufdringlich sein!“, „Was soll der denn denken, wenn ich dort (schon wieder) anrufe?“ oder „Nein, dem zeige ich das neue Produkt erst gar nicht. Der hatte das letzte Mal schon kein Geld für so etwas!“ Aussagen, die leider so einige Vertriebler treffen – mit dramatischen Konsequenzen, sowohl für Verkäufer, deren Arbeitgeber, als auch die Kundschaft an sich.

Die Angst, zu nerven, hält viele Verkäufer davon ab, mehr hervorragende Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, als möglich ist. Denn wer hört schon gerne ein Nein? Wer möchte schon als Nervensäge gelten?

Das Interessante daran ist: Aus falscher Bescheidenheit und mangelndem Selbstwert holen sich viele Anbieter gar kein Nein von ihren Kunden ab. Sie glauben bzw. unterstellen, dass ihr Kunde ablehnen wird – und bieten deswegen gewisse Leistungen oft gar nicht erst an.

Hat demnach ein Interessent Pech, dann gerät dieser an einen Verkäufer, der ihm die perfekte Lösung vorenthält, weil der Verkäufer glaubt, für den Kunden ist beispielsweise nur die billigste automatisch die ideale Lösung. Andere Verkäufer trauen sich nicht, ihre schriftlichen Angebote nachzufassen. Mögliche Folge: Der Interessent kauft beim objektiv schlechteren Mitbewerber, nur weil dieser nachfasst, während sich der zu defensive Verkäufer mit dem Satz „Wenn der Kunde Interesse hat, wird er sich ja melden“ von seiner originären Aufgabe, Aufträge einzuholen, abhält.

Verkäufer haben oft ein falsches Selbstbild

Die richtige Balance zwischen Aufdringlichkeit und Gleichgültigkeit ist sehr subjektiv. Doch mal kreativ gefragt: Wenn ein Verkäufer so gut wie nie von seinen Kunden Aussagen wie „Hören Sie doch auf zu nerven!“, „Warum stellen Sie mir solche Ideallösungen vor – sehe ich aus wie Krösus?!“ oder „Ich möchte, dass Sie meine Kontaktdaten löschen!“ hört, muss man sich dann nicht fragen: Ist der Verkäufer im Zweifelsfall zu defensiv, glaubt demnach nur er, er sei zu offensiv?

Nur weil sich mal einer von 100 potentiellen Kunden über das Engagement des Anbieters beschwert, ist dies Grund genug, sich weniger intensiv für sein tolles Angebot einzusetzen? Und wollen so manche Kunden nicht auch spüren, dass der Anbieter wirklich an einem guten Geschäft interessiert ist – und darum am Ball bleibt? Beleidigt ein Verkäufer nicht sogar seine Kunden, wenn er seine Angebote nicht einmal nachfasst? Oder ihnen von sich aus immer die günstigste Lösung vorstellt, weil er glaubt, so schneller verkaufen zu können?

Falsche Hemmungen führen zu hohen Schäden

Angenommen, ein Interessent holt sich zwei Angebote ein. Das qualitativ Bessere liegt bei 10.000 Euro, das objektiv Schlechtere bei 9.000 Euro. Nun hält sich der Verkäufer mit dem besseren Angebot aufgrund falscher Bescheidenheit zurück und hofft, dass sich der Interessent von sich aus meldet. Der Verkäufer mit dem schlechteren Angebot fasst sein Angebot telefonisch nach – und macht den Abschluss.

Wer hat Schuld? Der Kunde, weil er zu „dumm“ ist, und beim günstigeren Mitbewerber gekauft hat? Oder der Verkäufer, der zu träge war – und es anscheinend nicht einmal versucht hat, seinen potentiellen Kunden vor seinem Mitbewerber zu schützen? Wenn dies dem Anbieter, der etwas hochpreisiger unterwegs ist, öfters passiert – wird dieser dann womöglich sogar zu seinem Chef gehen und sagen „Ich könnte mehr verkaufen – wir müssen aber billiger werden!“?

Verkäufer, die objektiv gesehen bessere Angebote aus falscher Bescheidenheit nicht einmal erwähnen und versuchen zu verkaufen, richten hohe Schäden an:

  • Der Interessent kauft im schlimmsten Fall eine für sich weniger gute Lösung. Womöglich hat dieser nun schnell unnötige Folgekosten und Ärger.
  • Dem Verkäufer selbst fehlt Umsatz und Anerkennung durch einen (weiteren) zufriedenen Kunden.
  • Der Arbeitgeber des Verkäufers, der aufgrund falscher Hemmungen unter seinen Möglichkeiten verkauft, macht weniger Umsatz, erwirtschaftet weniger Deckungsbeiträge, kann weniger in seine unternehmerische Zukunft investieren.

5 Neins am Tag sammeln

Verkäufer, die nicht jeden Tag mindestens fünf Neins hören, egal ob sie Zusatzangebote machen, Angebote nachfassen oder Kunden ideale und hochpreisige Lösungen vorstellen, machen etwas falsch. Sie haben noch deutlich Luft nach oben. Denn eines muss allen Beteiligten klar sein: Interessenten und Kunden brauchen in der heutigen Zeit Sparringspartner auf Augenhöhe.

Die im Sinne des Kunden diese im Zweifelsfalle umberaten, eventuell auch in einen kleinen Konflikt gehen – immer mit dem Ziel, dem Kunden die bestmöglichste Leistung nahezubringen. Denn wie ist es, wenn Kunden erst nach dem Kauf merken, dass sie eine schlechte Wahl getroffen haben? Sie werden nicht sagen „Oh, ich hätte dem Verkäufer klarer meine Wünsche und Bedürfnisse kommunizieren müssen. Ich hätte ihm mehr Mut zusprechen sollen, so dass er sich traut, mir qualitativ und damit auch preislich höhere Lösungen vorzustellen.“

Nein, das wird nicht passieren. Enttäuschte Kunden werden sagen: „Da kaufe ich nicht. Dort arbeiten schlechte Verkäufer, die keine Ahnung haben.“

Bildnachweis: ©Depositphotos.com

Über den Autor

Porträtfoto von dem Verkaufstrainer Oliver Schumacher

Oliver Schumacher Oliver Schumacher ist Sprechwissenschaftler (M.A.) und Diplom-Betriebswirt (FH). Schumacher ist Experte für Verkaufserfolge. Der Buchautor liefert inspirierende Vorträge, praxisorientierte Verkaufstrainings und motivierende Verkaufsbegleitungen. Seine Kunden schätzen seinen Pragmatismus, seine Leidenschaft für das Verkaufen und seine humorvolle Art und Weise, in der er durchaus komplizierte Sachverhalte anschaulich und umsetzbar präsentiert. www.oliver-schumacher.de
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