Extremfall Bahn: Warum eine Person für echten Wandel oft nicht reicht
Transformation meistern

Extremfall Bahn: Warum eine Person für echten Wandel oft nicht reicht

Porträtfoto von Hagen Schönfeld, Gründer und Geschäftsführer von Masterpiece
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Die Deutsche Bahn ist ein Extremfall. Die Herausforderung für die neue Vorstandsvorsitzende, Evelyn Palla, ebenfalls. Zugleich zeigt der Führungswechsel exemplarisch auf, was Change-Management 2025 verlangt: Ein Bündel aus Vision, Agilität, Empathie und methodischer Strahlkraft. Und es stellt sich die Frage, ob eine einzelne Führungskraft all das leisten kann?

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Bahn als Sonderfall zwischen Markt und Politik: hohe Komplexität

  • Transformation braucht Vision, Agilität, Empathie und Umsetzung

  • Knowing-Doing-Gap: Zeit, Komplexität, Kosten bremsen

  • Digitalkompetenz & KI als Hebel, Kultur & Teamführung als Rahmen

  • Führung ist Netzwerkleistung

Die Komplexität der Deutschen Bahn übersteigt diejenige der meisten rein privatwirtschaftlich agierenden Konzerne. Zwar ist die Bahn formal eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht, jedoch hinsichtlich ihrer Struktur, Eigentümerverhältnisse und strategischen Ziele deutlich unübersichtlicher.

Als bundeseigener regulierter Mobilitäts- und Transportkonzern besetzt sie eine Sonderstellung zwischen Markt und Politik. Sie vereint in einer Holding sowohl Infrastrukturbetreiber als auch Verkehrs- und Logistikunternehmen. Diese Doppelrolle – gepaart mit dem politischen Einfluss – führt zu anderen Entscheidungsprozessen, Zielsetzungen und Restriktionen als bei frei agierenden Unternehmen.

Der Rückzug von Richard Lutz als Bahnchef und die Neubesetzung des Postens durch Evelyn Palla markieren einen Wendepunkt, der trotzdem genau die gleichen Fragen bezüglich moderner Führung aufwirft, vor denen viele Unternehmen stehen.

Warum Transformationen so oft scheitern

In Zeiten digitaler Transformation, technologischer Disruption, Fachkräftemangels sowie steigender Erwartungen der Kunden und Mitarbeitenden ist klar: Veränderung erfordert mehr als Prozesssteuerung.

Ein Blick auf die Nutzung digitaler Technologien zeigt erheblichen Nachholbedarf deutscher Betriebe. Laut Bitkom-Studie geben 53 Prozent der Unternehmen an, Probleme bei der Bewältigung der Digitalisierung zu haben, 72 Prozent verfügen nicht über eine zentrale Transformationsstrategie.

Oft scheitern Firmen nicht an fehlender Einsicht, sondern an der Umsetzung. Laut DIHK-Umfrage betrachten Betriebe fehlende Zeit (60 Prozent), zu hohe Komplexität (54 Prozent) und finanzielle Belastung (42 Prozent) als größte Herausforderungen. Hinter diesen Hindernissen steckt ein bekanntes Muster: der Knowing-Doing-Gap – Wissen ist vorhanden, doch Mut und Kompetenz zur Umsetzung fehlen. Wer Neues einführt, muss alte Strukturen hinterfragen – und damit unbequeme Fragen provozieren.

Wandel als Dauerzustand

Change-Management bedeutet heute weit mehr als Koordination. Empathie, Kommunikationsstärke und Beziehungsfähigkeit sind zentrale Grundlagen moderner Führung. Gerade in hybriden Arbeitswelten, in denen räumliche Distanz zu Missverständnissen und Entfremdung führen kann, braucht es empathische Führungspersönlichkeiten, die Vertrauen schaffen und psychologische Sicherheit fördern.

Fähigkeiten wie aktives Zuhören, Reflexionsvermögen und analytisches Denken helfen, die Ausgangslage richtig zu erfassen. Gleichzeitig sind strategische Weitsicht, agiles Handeln und Umsetzungsstärke erforderlich, um Wandel nachhaltig zu gestalten. Ein moderner Führungsstil lässt Experimente zu, holt Feedback ein und schafft eine Kultur des kontinuierlichen Lernens. Entscheidend sind nicht allein akademische Titel, sondern belegbare Erfolge in vergleichbaren Transformationsprojekten.

Digitalkompetenz und Haltung als Schlüsselfaktoren

Digitale und KI-Kompetenz gehören längst zu den Schlüsselfähigkeiten. Wer künstliche Intelligenz in Prozesse integriert und Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine sinnvoll gestaltet, beschleunigt Transformation erheblich. Darüber hinaus braucht es eine authentische, inklusiv gedachte Vision, die verständlich kommuniziert wird. Nur wer seine strategische Richtung glaubwürdig vermittelt und unterschiedliche Perspektiven einbezieht, kann heterogene Teams langfristig motivieren.

Führung als Teamleistung

Ein solches Anforderungsprofil überfordert Einzelpersonen zwangsläufig. Transformation wird heute zunehmend als Netzwerkleistung verstanden. Ein CEO ist weniger Alleinentscheider, sondern Moderator eines starken Führungsteams. Neue Rollen wie Chief Transformation Officer oder Chief Experience Officer können dabei helfen, Wandel zu orchestrieren – bergen aber auch das Risiko, Verantwortung zu fragmentieren. Wirkliche Veränderung muss von der Spitze ausgehen, unterstützt durch externe Expertise mit methodischer Distanz.

Branchenwechsel als Impulsgeber

Gezielte Branchenwechsel auf C-Level können wertvolle Impulse setzen. Führungskräfte mit Erfahrung aus unterschiedlichen Industrien bringen oft die Fähigkeit mit, erfolgreiche Methoden in neue Kontexte zu übertragen und festgefahrene Strukturen aufzubrechen. Bei Evelyn Palla ist diese Außenperspektive begrenzt: Zwar war sie bei Siemens und E.ON tätig, doch als langjährige Finanzvorständin im Bahnkonzern ist sie eng mit der internen Kultur verbunden.

Worauf es für die neue Bahnchefin ankommt

Palla hat sich als Vorsitzende von DB Regio mit Restrukturierung und Neuausrichtung einen Namen gemacht. Ob diese Erfahrung für den gesamten Staatskonzern ausreicht, bleibt offen. Strategisches Denken, politische Sensibilität und medienwirksame Kommunikation sind für sie ebenso zentral wie die Fähigkeit, aus hoher Komplexität klare Prioritäten abzuleiten. Entscheidend wird sein, Rückhalt in Politik und Belegschaft zu halten – denn ohne politische Rückendeckung und klare Vereinbarungen mit Gewerkschaften wie der GDL wird auch eine starke Führungskraft scheitern.

Fazit: Führung im Wandel – Team statt Einzelkämpfer

Die Deutsche Bahn ist ein Extremfall, doch die Erkenntnis gilt branchenübergreifend: Transformation gelingt nur, wenn Führung eingebettet ist in klare Strukturen, Kultur und Teamleistung. Wandel ist kein Solo, sondern eine orchestrierte Bewegung – und selten reicht eine einzelne Person, um ihn dauerhaft zu gestalten.

Bildnachweis: Unsplash

Über den Autor

Porträtfoto von Hagen Schönfeld, Gründer und Geschäftsführer von Masterpiece

Hagen Schönfeld Hagen Schönfeld ist Gründer und Geschäftsführer der Masterpiece GmbH. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Executive Search gehört er zu den profilierten Köpfen der Branche im deutschsprachigen Raum. Seine Schwerpunkte liegen im industriellen Umfeld, mit Fokus auf technologische Innovation, Unternehmertum, Fertigungslösungen und Transformation im Lösungsgeschäft. masterpiece-advisors.de
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