KI im Mittelstand: 3 Gründe, warum KMU (vorerst) keine KI-Strategie brauchen
Schmerzpunkte analysieren

KI im Mittelstand: 3 Gründe, warum KMU (vorerst) keine KI-Strategie brauchen

Porträtfoto von Dominik Kaufmann, Gründungspartner der Strategieberatung KAUFMANN / LANGHANS
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Viele mittelständische Unternehmen haben in den letzten Monaten erste KI-Erfahrungen gemacht – doch der große Wurf bleibt vielerorts noch aus und die Verunsicherung wächst. Anbei drei Gründe, warum KMU nicht mit einer KI-Strategie starten sollten – und wie der Einstieg über Use Cases, Daten und Sprints gelingt.

Laut einer McKinsey-Studie sehen 86 Prozent der Führungskräfte im Mittelstand ungenutztes KI-Potenzial in ihrem Unternehmen. Brauchen KMUs nun eine KI-Strategie, um dieses Potenzial zu heben? Die klare Antwort lautet: Nein – zumindest nicht als Startpunkt.

Der Strategie-Reflex: Warum nach dem Papier oft nichts passiert

Viele Mittelständler starten ihre KI-Reise mit einem Strategiedokument – und wundern sich, warum danach nichts passiert. Der Reflex ist nachvollziehbar: Gerade bei einem Thema mit so vielen Unklarheiten und Risiken sucht man nach Struktur, nach Planung und Sicherheit. Das Problem: Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz ist so enorm dynamisch, dass sich dieser Weg aktuell eher als kontraproduktiv erweist. Denn wer sich dem Thema KI über zu viel Theorie nähert, verliert wertvolle Zeit – und riskiert, den Anschluss an schnellere Wettbewerber zu verpassen.

Warum aber verlieren Unternehmen an Wettbewerber:

  • Grund 1: KI entwickelt sich zu schnell für starre Strategiepapiere: Die KI-Entwicklung ist rasant. Neue Modelle, Tools, Anbieter und Regulierungen entstehen inzwischen praktisch im Wochentakt. Jeden Tag neue Meldungen über Milliardeninvestitionen. Gleichzeitig wachsen die Trainingskapazitäten für führende KI-Modelle um das Vier- bis Fünffache pro Jahr. Was heute als Best Practice gilt, kann morgen bereits überholt sein. Unternehmen, die angesichts dieser Geschwindigkeit zu viel Zeit in das Schreiben von Strategiepapieren investieren, laufen Gefahr, von der Realität überholt zu werden, bevor sie überhaupt zur Umsetzung ihrer Strategie kommen. Insbesondere im Mittelstand bewährt sich stattdessen ein pragmatischer Ansatz: Früh mit konkreten Use Cases starten, um technologische Möglichkeiten kennenzulernen, realistisch einzuschätzen und die Dynamik in der eigenen Branche aus erster Hand zu verstehen. Denn klar ist: Die entscheidenden Erkenntnisse entstehen im Doing, nicht im Planen.
  • Grund 2: Ohne saubere Prozesse und Daten bleibt KI Stückwerk: Viele KI-Initiativen scheitern nicht an der Technologie, sondern an der nüchternen Unternehmensrealität: Unklare Prozesse, fragmentierte Datenlandschaften, fehlende Verantwortlichkeiten. Dabei entscheiden drei Grundprinzipien über Erfolg oder Misserfolg eines KI-Projekts:  1) Datenqualität und Zugänglichkeit: KI braucht einheitliche, aktuelle und ausreichend strukturierte Daten. 2) KI-fähige Prozesse: Abläufe müssen klar definiert sein, damit sie datengestützt analysiert, automatisiert oder teilautomatisiert werden können. 3) Klare Verantwortlichkeiten: Schnittstellen, Ownership und Change-Bereitschaft sind entscheidend für die Umsetzung. In vielen Unternehmen liegen Informationen heute über E-Mail-Postfächer, Sharepoints, ERP-Systeme und Excel-Listen verstreut. Ohne grundlegende Vereinheitlichung lässt sich so kaum ein KI-Projekt nachhaltig skalieren. Entsprechend wirkt KI hier wie ein Brennglas: Sie zeigt sehr schnell, wo organisatorische und technische Lücken geschlossen werden müssen.
  • Grund 3: Zusätzliche „KI-Strategien“ verwässern den Fokus: Immer häufiger entstehen neben der Unternehmensstrategie separate Strategien für KI, Daten oder Cloud. Was gut gemeint ist, führt in der Praxis oft zum Gegenteil: Mehr Komplexität, mehr Silos, weniger Orientierung. Es drohen Doppelstrukturen und Zielkonflikte. Besser ist es, technologische Entwicklungen von Beginn an integrativ in der Unternehmensstrategie mitzudenken – denn auch die mächtigste Technologie ist immer ein Mittel zum unternehmerischen Zweck und nicht ein Selbstzweck. Statt eine zusätzliche KI-Strategie aufzusetzen, braucht es eine Unternehmensstrategie, in der die zentralen Chancen und Bedrohungen, die KI für das eigene Unternehmen bedeutet, angemessen reflektiert sind.

Praxisweg: Use Cases zuerst – eine KI-Roadmap entsteht danach

Ein sinnvoller KI-Einstieg beginnt aber bei konkreten Herausforderungen und Schmerzpunkten im Unternehmen: Wo bremsen uns heute Prozesse? Wo entstehen Fehler? Welche Aufgaben binden unverhältnismäßig viel Zeit? Entscheidend ist nicht die perfekte Planung, sondern ein schneller, überschaubarer Einstieg in wenige, klar umrissene Use Cases.

Dazu hilft es, zusammen mit den Fachabteilungen entlang von Painpoints mögliche KI-Use-Cases zu identifizieren, zu priorisieren und in Sprints in die Umsetzung zu bringen. So wird schon nach kurzer Zeit sichtbar, wo tatsächlich Wert entsteht, welche Voraussetzungen fehlen und welche Anpassungen organisatorisch oder technisch notwendig sind.

Aus diesen Sprints und Pilotprojekten ergibt sich dann Schritt für Schritt das größere Bild: Welche Datenstrukturen werden benötigt? Wie sollten Rollen und Verantwortlichkeiten aussehen? Welche Tools sind sinnvoll? So entsteht schließlich eine belastbare KI-Roadmap – aus der Praxis heraus, nicht am grünen Tisch.

  1. The 2025 AI Index Report. Stanford University Human-Centered Artificial Intelligence (HAI).
  2. KI im deutschen Mittelstand 2025. Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt). 2025.

Über den Autor

Porträtfoto von Dominik Kaufmann, Gründungspartner der Strategieberatung KAUFMANN / LANGHANS

Dominik Kaufmann Dominik Kaufmann ist Gründungspartner der Strategieberatung KAUFMANN / LANGHANS. Er berät mittelständische Unternehmen aus unterschiedlichen Industrien bei der Strategieentwicklung und -umsetzung. Zuvor war er Projektleiter bei der von McKinsey-Alumni gegründeten Strategie- und Organisationsberatung undconsorten und Market Manager bei der Daimler AG. Er hat BWL und Public Policy in Stuttgart, Berlin, Rouen und Tokyo studiert und ist als Scrum Master zertifiziert. Dominik Kaufmann ist Alumnus der Studienstiftung und Mitglied bei Mensa e.V.. KAUFMANN / LANGHANS
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