Die Übergabephase von Unternehmen richtig managen
Unternehmensnachfolge

Die Übergabephase von Unternehmen richtig managen

Klaus Kissel
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Die Übergabephase von Unternehmen ist sowohl für den bisherigen, als auch den künftigen Inhaber eine schwierige Zeit – denn beide müssen in ihr ihre Rolle im Unternehmen neu definieren. Sie müssen zudem gemeinsam viele Entscheidungen treffen, obwohl sie aufgrund ihrer Biografie und Lebenssituation oft unterschiedliche Einschätzungen und Ziele haben.

In der Übergabephase von Unternehmen sieht man viele Träume und Wunschvorstellungen platzen – sowohl beim bisherigen Unternehmensinhaber und -führer, als auch bei der Person, die von ihm den Betrieb oder die Betriebsanteile sowie das Zepter übernimmt. Die Ursache hierfür ist immer seltener, dass der bisherige Inhaber des Unternehmens sich zu spät mit dem Thema Nachfolgeregelung befasste.

Denn in den letzten Jahren setzte sich in Unternehmerkreisen die Erkenntnis durch: Dieser Schritt muss von langer Hand geplant sein – insbesondere dann, wenn

  • der Nachfolger nicht der eigene Sohn oder die eigene Tochter, sondern ein „Fremder“ ist und
  • der Betrieb nicht mangels Alternative „verschenkt“, sondern zu einem angemessenen Preis verkauft werden soll.

Deshalb machen sich viele Unternehmer bereits, wenn die ersten grauen Haare ihre Schläfen zieren, Gedanken darüber:

  • Was passiert mit meinem Unternehmen, wenn ich in absehbarer Zeit ausscheiden möchte? Und:
  • Wer könnte dann mein Nachfolger sein?

Unternehmensnachfolge muss länger geplant werden

Dies gilt insbesondere für die Inhaber von Unternehmen, die außer von ihrer fachlichen Expertise primär von der Vertrauensbeziehung leben, die sie über viele Jahre zu ihrer Stammklientel aufgebaut haben – wie zum Beispiel viele Industriezulieferer und -dienstleister, aber auch Steuerberatungs- und Rechtsanwaltkanzleien. Denn sie können ihren Kunden nicht heute verkünden, dass diese morgen einen neuen zentralen Ansprechpartner haben.

Der Nachfolger muss vielmehr in einem längeren Prozess zunächst mit dem Geschäft des Unternehmens und den Besonderheiten seiner Klientel vertraut gemacht sowie bei den Kunden eingeführt werden. Sonst ist die Gefahr groß, dass just das verloren geht, was weitgehend den Wert des Unternehmens ausmacht: die gewachsenen Beziehungen zu den Kunden.

Unterschiedliche Perspektiven bewirken Konflikte

Deshalb ist es bei besagten Unternehmen meist nötig, dass dessen bisheriger und künftiger Inhaber, nachdem die Unternehmensübergabe vertraglich wurde, noch eine längere Zeit zusammenarbeiten und gemeinsam das Unternehmen führen. Dieser Übergabeprozess erstreckt sich oft über zwei, drei Jahre und ist in der Regel für alle Beteiligten keine leichte Zeit. Denn in ihr prallen meist nicht nur zwei Generationen, sondern auch zwei unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Während der scheidende Inhaber primär daran denkt, wie der Übergabeprozess – also die nächsten zwei, drei Jahre – gestaltet werden, stehen für den künftigen (alleinigen) Inhaber die Fragen zentral:

  • Wohin soll sich das Unternehmen mittel- und langfristig entwickeln? Und:
  • Was ist nötig, damit das Unternehmen auch nach dem Ausscheiden des bisherigen Inhabers erfolgreich im Markt agiert (und ich die finanziellen Verpflichtungen, die ich mit dem Kauf des Unternehmens einging, erfüllen kann)?

Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen resultieren unterschiedliche Prioritätensetzungen im Arbeitsalltag, woraus sich in der Zusammenarbeit häufig Konflikte ergeben.

Hinzu kommt: Alle Beteiligten müssen, wenn der Übergabeprozess eingeläutet wird, sich selbst und ihre Rolle neu definieren. So muss zum Beispiel der bisherige Inhaber, der es gewohnt ist, allein Entscheidungen zu treffen, den neuen Mit-Inhaber und künftigen alleinigen Inhaber fortan nicht nur in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen, sondern diesem auch sukzessiv die (alleinigen) Entscheidungsbefugnisse übertragen.

Konflikte verursachen emotionale Wunden

Dies fällt vielen gestandenen Unternehmern schwer – selbst wenn sie guten Willens sind. Denn sie sind mit dem Unternehmen, das sie oft über Jahrzehnte aufgebaut haben, emotional verbunden. Außerdem haben sie im Laufe der Jahre ihren eigenen Stil entwickelt, Probleme und Herausforderungen anzugehen und zu lösen. Zudem haben sie aufgrund ihrer Erfahrungen meist eine sehr dezidierte Meinung darüber, was beim Führen des Unternehmens, beim Umgang mit seinen Kunden usw. zu beachten ist. Der künftige Inhaber hingegen ist – sofern er nicht zuvor bereits Unternehmer war – in ihren Augen noch ein unternehmerisches Greenhorn, das

  • das Unternehmen sowie seinen Markt und seine Klientel noch nicht kennt,
  • sich in der Rolle des Unternehmers erst noch einfinden muss und
  • noch lernen muss, was geht und nicht geht.

Diese Grundeinstellung prägt oft unbewusst ihre Kommunikation mit dem künftigen Inhaber, was unweigerlich zu Konflikten führt – insbesondere dann, wenn der bisherige Inhaber, real oder in der subjektiven Wahrnehmung des künftigen Inhabers, sich entsprechend auch gegenüber Mitarbeitern und Kunden äußert und so dessen Autorität untergräbt. Schleichen sich solche Kommunikationsmuster in den Umgang der Beteiligten ein, dann ist der Übergabeprozess meist nicht mehr zu steuern, mit der Konsequenz, dass die geplante Übergabe entweder ganz scheitert oder im Verlauf dieses Prozesses ein großer Teil des Unternehmenswerts vernichtet wird.

Neutraler Berater als Moderator und Wegbegleiter

Deshalb empfiehlt es sich, zu diesem Prozess einen neutralen, externen Berater hinzuziehen, der den Übergabeprozess begleitet und mit den Beteiligten die verschiedenen Aspekte bearbeitet, die mit jedem Nachfolgeprozess verbunden sind – hierzu zählen unter anderem:

  • psychologische Aspekte – zum Beispiel: Welche Erwartungen habe ich als neuer beziehungsweise scheidender Gesellschafter an das Verhalten des jeweils anderen? Was ist mir als Person in dem Übergabeprozess wichtig?
  • unternehmerische Aspekte – zum Beispiel: Inwieweit ändert sich durch die (beabsichtigte) Übergabe die Kultur des Unternehmens, seine Marktposition? Was ist aus meiner Warte als neuer beziehungsweise scheidender Gesellschafter für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe wichtig?
  • kommunikativen Aspekte – zum Beispiel: Wie kommunizieren wir als neuer sowie scheidender Gesellschafter im Übergabeprozess miteinander? Wie treffen wir Entscheidungen und kommunizieren wir sie? Wie und wann informieren wir die Mitarbeiter, Kunden und sonstigen Stakeholder über die geplante Übergabe?

Über viele der vorgenannten Fragen wird in geplanten Übergabeprozessen keine explizite Verständigung erzielt. Vielmehr wursteln die Beteiligten – auch weil die Übergabe für sie Neuland ist – gemäß der Devise „Irgendwie wird es schon klappen“ so vor sich hin, bis auf beiden Seiten bereits emotionale Wunden entstanden sind, die schmerzen und ein zielorientiertes Zusammenarbeiten erschweren.

Erst wenn sich die Situation bereits krisenhaft zugespitzt hat, suchen sie – sozusagen als letzten Notnagel – oft eine externe Unterstützung mit der Intention, den Übergabeprozess wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu führen. Dies ist in der Regel auch möglich – nicht nur weil der externe Berater mit den Beteiligten den Übergabeprozess strukturiert und „Spielregeln“ für die Zusammenarbeit definiert. Mindestens ebenso wichtig ist, dass er sozusagen eine Plattform schafft, um auch heikle, mit Emotionen behaftete Themen so zu besprechen, dass für beide Seiten akzeptable und somit tragfähige Lösungen erarbeitet werden können.

Sich frühzeitig professionelle Unterstützung sichern

Viel sinnvoller als ein solches Krisenmanagement zu betreiben, wäre es jedoch, unmittelbar nachdem (oder sogar noch bevor) die Unternehmensübergabe vertraglich geregelt wurde, einen Nachfolgeberater zu engagieren. Denn im Übergabeprozess müssen der bisherige und der künftige Inhaber gemeinsam viele Herausforderungen meistern, bezüglich deren Lösung sie aufgrund ihrer Biografie und der Lebensphase, in der sie sich befinden, oft unterschiedliche Einschätzungen, Erwartungen und Bedürfnisse haben. Deshalb sind Konflikte beziehungsweise Interessengegensätze, aus denen Konflikte resultieren, nahezu unumgänglich. Darum ist eine professionelle Prozessbegleitung fast unverzichtbar, wenn der Übergabeprozess gemeistert werden soll, ohne dass emotionale Wunden entstehen und ein großer Teil des Unternehmenswerts vernichtet wird.

Über den Autor

Klaus Kissel

Klaus Kissel Klaus Kissel ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales & Managementberatung, Urbar bei Koblenz. Er ist systemischer Coach und Organisationsentwickler ist unter anderem Autor des Buches „Prinzip der minimalen Führung“ (Windmühle-Verlag).
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