Gedächtnistraining: Ein gutes Gedächtnis fördert die Kreativität
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Gedächtnistraining: Ein gutes Gedächtnis fördert die Kreativität

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Boris Nikolai Konrad, Gedächtnistrainer und Weltmeister im Namen merken, verrät uns im Interview, warum ein gutes Gedächtnis trotz Wikipedia und iPhone nach wie vor wichtig ist und spricht über das Potential richtig eingesetzter Lerntechniken.

Onpulson: Sie sind erfahrener Gedächtnistrainer. Wofür benötige ich überhaupt Gedächtnistraing und warum kommen Menschen zu Ihnen?

Boris Nikolai Konrad: Jeder kennt die Situation, dass er sich an etwas nicht erinnern kann, was er sich gemerkte hatte. Wer viel lernen muss, etwa in Schule, Studium und Ausbildung, oder später im Beruf immer weniger Zeit dafür hat, merkt schnell, dass es doch interessant ist, sich mit dem eigenen Gedächtnis intensiver auseinander zu setzen. Wer dann mehr dazu erfahren möchte erfährt schnell, dass es in der Tat sehr effektive Gedächtnistechniken gibt mit denen wir viel mehr und schneller lernen können als ohne. Um das dann zu erlernen, wenden sich meine Kunden an mich.

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Boris Nikolai Konrad, Gedächtnistrainer und Gedächtnisweltrekordhalter

Onpulson: Im Informationszeitalter sind wir doch von jedem Stück Wissen nur wenige Klicks entfernt – trotzdem profitieren wir von einem guten Gedächtnis? Warum sollte man sich mit Lerntechniken beschäftigen?

Boris Nikolai Konrad: Das weltweit vorhandene „Wissen“ vermehrt sich unglaublich schnell. Gleichzeitig ist es immer leichter verfügbar, das ist richtig. Moderne Internetangebote werben mit dem Slogan „ihr virtuelles Gedächtnis“. Doch um gefundenes Wissen richtig einordnen und bewerten zu können, muss ich auch Vorwissen parat haben.

Wenn ich etwas lese und es mir dann nicht einmal die wesentlichen Aussagen merke, werde ich große Probleme haben, später weitere Informationen zu diesem Thema richtig zu verarbeiten. Ich muss immer häufiger und immer mehr nachschlagen und komme zu keinem Ergebnis mehr. Heutige Schüler können häufig viel bessere Sacharbeiten zu Hause erstellen, weil alles nötige Wissen inklusive der Meinung verschiedener Experten schnell gefunden und zusammen kopiert ist. Aber wenn sie den Inhalt dann frei wieder geben sollen und noch selbst bewerten müssen stehen sie auf dem Schlauch. Profitiere ich wirklich von Online-Übersetzungsdienste, wenn ich beim Bäcker in England kein Brötchen mehr bestellen kann ohne mein Smartphone auf Suche zu schicken?

Ich denke die Beispiele machen klar, dass es immer mehr digitale Hilfen gibt, um Wissen zu finden und dass wir diese natürlich auch nutzen und davon profitieren sollten, aber das sie zu keinem Zeitpunkt das Gedächtnis ersetzen können. Hinzu kommt, dass jemand mit einem guten Gedächtnis, der sich an Namen erinnern und frei vortragen kann, immer kompetenter wirkt (und es oft auch ist) als jemand, der auf Notizen angewiesen ist.

Onpulson: Was hat Sie am herausragenden Gedächtnis so sehr gefesselt, dass Sie es zu ihrer Profession gemacht haben?

Boris Nikolai Konrad: Ich habe zu Ende meiner Schulzeit kurz vor dem Abitur von Gedächtnistechniken erfahren und wollte für mein Abitur und das Studium davon profitieren, was mir auch gelungen ist. Dabei war ich sehr überrascht, in 13 Schuljahren nicht darüber informiert worden zu sein, wie ich besser lerne. Dass man es kann wird einfach vorausgesetzt. In Wahrheit wissen die meisten Lehrer selbst nicht von dem enormen Potential richtig eingesetzter (!) Lerntechniken, was sehr schade ist. Daher wollte ich daran selbst etwas ändern und die Techniken bekannter machen und lehren. Hinzu kam, dass ich den Gedächtnissport für mich entdeckt habe und es faszinierend finde, sich im sportlichen Wettkampf mal nicht mit dem Körper sondern mit dem Geist zu messen und es mir auch viel Spaß macht dafür zu trainieren und hier Bestleitungen aufzustellen.

Beides ist mir über die Jahre gut gelungen, so dass ich inzwischen auf eine Vielzahl erfolgreicher Seminare und Vorträge ebenso wie auf etliche erfolgreiche Gedächtnisturniere zurückblicken kann. Und da ich Dingen gerne auf den Grund gehe habe ich inzwischen die neurowissenschaftliche Forschung über außergewöhnliche Gedächtnisleistungen aufgenommen um hier offene Fragen warum und wie die Techniken funktionieren und auch wo sie ihre Grenzen haben genauer zu erforschen.

Gedächtnistraining ist eine Frage der Übung

Onpulson: Gehirntraining und Lernen werden jedoch oft als zusätzliche Mühe bzw. Anstrengung gesehen. Wie lässt sich dies ausgleichen?

Boris Nikolai Konrad: Desto weniger man sich mit dem eigenen Gehirn beschäftigt und desto weniger man es gefordert hat, desto mehr ist es natürlich eine Überwindung das nun zu ändern. Ich erlebe aber in meinen Vorträgen regelmäßig, dass mit den ersten Erfolgserlebnissen auch die Begeisterung kommt. In nur 45 Minuten kann ich jedem Publikum beibringen, sich in wenigen Minuten eine Liste mit 20 Begriffen – die auch für Inhalte stehen – in der richtigen Reihenfolge einzuprägen, vorwärts und rückwärts, lückenlos.

Das halten die meisten vorher für aussichtslos und sind dann – zu Recht! – umso mehr von sich und den Methoden begeistert, wenn es doch klappt. Genauso schaffen sie es plötzlich sich doppelt so viele oder noch mehr Namen zu merken. Dann wird auch gerne die Mühe akzeptiert, die das Anwenden zunächst bedeutet. Wenn sich das eigene Gehirn an die Denkweise gewöhnt, fällt es einem auch immer leichter und schon nach wenigen Wochen wird das Gehirn einem selbst sagen: „Hey, warum benutzt du keine Lerntechnik? Das ist doch viel leichter!“ wenn man etwas lernen muss.

Man sollte das auch mit dem körperlichen Training vergleichen: Wenn ich meinen Körper trainiere, Sport treibe, dann erwarte ich, dass es mich anstrengend und sogar ermüdet und freue mich sogar darüber. Das ist beim Gedächtnis nicht anders. Daher muss Gehirntraining auch fordern: Sudoku zum Beispiel mag eine gute Übung für das kreative und logische Denken sein, aber wenn ich dann mal 100 gelöst habe, ist es keine Herausforderung mehr. Dann sollte man sich neue suchen. Beim reinen Gedächtnistraining kann man die Anforderung stetig erhöhe und variieren und profitiert daher dauerhaft davon.

Onpulson: In welchem Zusammenhang stehen Kreativität und Gedächtnis?

Boris Nikolai Konrad: Das Gedächtnistraining mit Lerntechniken (Memotechnik) basiert auf der Verwendung von Bildern um damit Inhalte und Informationen zu kodieren. Vielen Erwachsenen fällt es anfangs schwer sich solche ungewöhnlichen Bilder auszudenken. Dafür bedarf es einiger Kreativität und Fantasie. Daran mangelt es aber niemanden. Oft ist es aber so, dass diese Fähigkeit eingeschlafen ist. Als Kinder konnten wir das alle: Sich Bilder auszudenken, nur mit kleinen Spielsachen in ganze Fantasiewelten einzutauchen. Das sollte man übrigens bei Kindern unbedingt fördern! Wenn durch TV und Computer diese Welten immer vorgegeben sind, kann sich die Kreativität gar nicht erst entwickeln. Aber wenn sie einmal da war, kann sie durch sehr logische Tätigkeiten und rein textuelles Lernen einschlafen, wenn sie nicht benutzt wird. Da brauch man dann ein wenig Überwindung sich darauf einzulassen. Aber auch hier gilt: Wenn man es ein paar Mal erfolgreich probiert hat, läuft es ganz schnell von alleine!

Lernen bedeutet, dass im Gehirn neue Verknüpfungen zwischen Gehirnstellen entstehen. Als kreativ angesehen werden ungewöhnliche Ideen angesehen, die ebenfalls durch „ungewöhnliche“ Verknüpfungen im Gehirn erzeugt werden, die oft spontan entstehen. Auch hier sieht man die Verwandtschaft. Kreativität kann man trainieren, sein Gedächtnis auch. Gutes Gedächtnistraining wird dabei auch immer die Kreativität anregen.

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