Frederik Neuhaus: „Suche immer wieder das kritische Gespräch über Dein Geschäftsmodell”
Frederik Neuhaus berichtet im Gründerporträt, wie er in der Freizeit bei seiner Tätigkeit als Handball-Trainer auf die Idee kam, die App clockin ins Leben zu rufen, mit der KMUs weltweit eine einfache Lösung geboten wird, den ewigen Papierkram abzuschaffen und die eigenen Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Als nächstes ist die Internationalisierung des Start-ups geplant.
Name: Frederik Neuhaus
Geburtsjahr: 1987
Position: Gründer und CEO (Geschäftsführer) von clockin.de
Weitere Gründungen: Gründer und Geschäftsführer DNN GmbH
Vita:
- 2007 Ausbildung Bankkaufmann Sparda-Bank
- 2008 Gründung/Geschäftsführer DNN Marketinglösungen GbR
- 2010 Mitarbeiter Personalmanagement Sparda-Bank
- 2010 BA Business Administration, Steinbeishochschule Berlin
- 2014 MA Global Business Management, University of California, Berkeley
- 2015 Gründung/Geschäftsführer DNN GmbH
- 2016 Start Pilotprojekt “clockin”
- 2017 NRW Wirtschaftsministerium verleiht dem clockin-Projekt den #DWNRW-Award
- 2016-2017 Ausbildung Handball-Trainier
- 2018 Gründung/Geschäftsführer clockin GmbH
- 2019 clockin GmbH wird für den Innovationspreis Münsterland nominiert
- 2020 NRW-Innovationspreis für die clockin GmbH vom Netzwerk ZENIT
- 2021 3.Liga- 1.Herren Handballtrainer Ahlener SG
Lebensmotto: If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.
Über das Unternehmen
Mendelstraße 11
48149 Münster
Was ist das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens?
Allein in Europa gibt es 23 Millionen KMU. Die meisten davon regeln ihre Verwaltungsarbeit noch immer auf Papier oder mit umständlich auszufüllenden Excel-Listen. Das ist fehleranfällig und extrem zeitaufwändig. Es lähmt das Geschäft. Gerade die COVID19-Pandemie zeigt, wie gefährlich lästige Bürokratie, Zettelwirtschaft und fehlender Pragmatismus sein kann.
Wir von clockin bieten KMU weltweit eine einfache Lösung, die eigenen Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Über unsere App lassen sich mit wenigen Klicks Arbeitszeiten erfassen und auftragsbezogene Leistungen dokumentieren. In der angeschlossenen Büro-Software können Mitarbeiter und Kunden verwaltet und Projekte einfach geplant werden. clockin ermöglicht tausenden KMU aber zum Beispiel auch Krankenhäusern, Feuerwehren und öffentlichen Einrichtungen auf diesem Weg einen besonders einfachen Einstieg in die digitale Transformation. Interessenten können uns zunächst kostenlos testen und buchen im Anschluss ihr clockin Paket, was sich an den individuellen Bedürfnissen der Nutzer orientiert. Überall wo gearbeitet wird, kann clockin auch einen Mehrwert liefern, weil die Software die gesamte Arbeit auf Zetteln ersetzt. Sie stellt die Weichen für die Zukunft.
Erst kommt die Vision, dann die Gründung. Wie sind Sie auf Ihre Geschäftsidee gestoßen?
Das ist eine verrückte Geschichte. Über meine Tätigkeit als Handball-Trainer bin ich mit einem Sponsor unseres Vereins ins Gespräch gekommen, der einen Kanaltechnik-Betrieb in Ahlen führt. Thomas Bittmann war extrem genervt von der Zettelwirtschaft in seiner Firma. Zettel waren schmierig ausgefüllt oder gingen verloren und er verbrachte viele Feierabende und Wochenenden damit, die Stundenzettel seiner Mitarbeiter einzusammeln und auszuwerten. Ich, der zu dem Zeitpunkt gerade aus dem Silicon-Valley zurück gekommen war, musste lachen und war mir sicher, dass es eine derartige Lösung doch schon längst geben müsste. Irrtum!
Alles, was es gab, waren schlecht entwickelte Lösungen mit wenigen Funktionen, die am Ende mehr Probleme erschaffen haben als alte zu lösen. In westfälischer Manier haben wir beide dann kurzerhand beschlossen selbst etwas auf den Weg zu bringen. Ende der Geschichte war der Start eines Pilotprojekts, zu dem wir Mitarbeiter aus dem Kanaltechnik-Betrieb und Entwickler aus meiner Digital-Agentur an einen Tisch gebracht haben. Das war eine lustige Mischung, erzielte aber einen ungemein wichtigen Effekt, den wir bis heute spüren. Es war der Grundstein für die besonders praxisnahe Entwicklung von clockin.
Neben einer guten Idee spielt auch die Team-Zusammensetzung oft eine entscheidende Rolle. Wie setzt sich das Team bei Ihnen zusammen?
Absolut. Egal ob als Drittliga-Trainer oder Geschäftsführer setze ich auf Menschen, die neben einem hohen Maß an Talent einen absoluten Teamplay-Charakter mitbringen und sich für unsere gemeinsame Mission begeistern lassen. Bei clockin wollen wir jedem Arbeitgeber ein Angebot machen, einfach in die digitale Transformation einzusteigen. Egal ob jung oder alt. Bei clockin war es mir deshalb wichtig, alle Generationen im Team abzubilden. Ich brauche junge wilde Mitarbeiter:innen, die die Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz und Sensorik im Auge haben genau so, wie ich erfahrene Mitarbeiter:innen brauche, die noch eine Welt ohne Smartphone und Internet kennen. Nur so gelingt es uns, unser Anliegen zu erfüllen und Digitalisierung wirklich für jeden Betrieb einfach zu machen.
Wie differenzieren Sie sich von Ihren Wettbewerbern?
Unsere Lösung ist aus der Praxis heraus entwickelt worden. Die Funktionalitäten von clockin orientieren sich immer am Alltag unserer Kunden. Ihr Feedback entscheidet maßgeblich darüber, was als nächstes weiterentwickelt wird. Wir bieten unseren Kunden eine besonders praxisnahe zuverlässige Software an, die eben nicht aus irgendeinem IT-Elfenbeinturm heraus in die Welt gesetzt wurde. Die meisten Mitarbeiter von KMU sind keine IT-Nerds, die Lust haben sich während ihrer Arbeitszeit mit komplexen Anwendungen herumzuschlagen. Deshalb ist in der clockin App für Mitarbeiter, aber auch in der damit verbundenen Browser-Anwendung am PC zur Mitarbeiter-, Kunden, und Projektverwaltung alles auf Leichtigkeit ausgelegt. clockin ist da, wenn man es braucht, drängt sich aber an keiner Stelle auf und verschwindet dann auch wieder in der Tasche, damit jederzeit das Kerngeschäft im Vordergrund steht. Wir machen Kunden das Angebot digitale Transformation aus einem Guss zu bekommen.
Was war Ihre Motivation Unternehmer zu werden?
Mein Anliegen war es schon immer die Digitalisierung voranzutreiben. Deshalb habe ich mit zwei Freunden bereits zu Schulzeiten eine Firma für digitales Marketing gegründet, die mittlerweile zu einer deutschlandweit operierenden Digital-Agentur ausgebaut wurde. Zu Beginn meines Lebens habe ich auf den traditionellen Karriereweg gesetzt, eine Bankausbildung gemacht und studiert. Dort habe ich deutsche Bürokratie, lange Dienstwege und große Hierarchien kennengelernt. Die Zeit im Silicon Valley hat mein Blick auf die Dinge dann für immer verändert. Die pragmatische Herangehensweise und der Mut Veränderung zu gestalten, hat mich tief beeindruckt. Ich wünsche mir da ein Umdenken in Deutschland und Europa. Wenn sich die Mentalität der Deutschen nicht bald ändert, werden wir schon bald kein relevanter Standort für Fortschritt und Innovation sein. Das hier im Jahr 2021 noch immer auf Zetteln gearbeitet wird, wie in den 80er Jahren, ist für mich unbegreiflich. Genau da setzen wir mit clockin an. Wir digitalisieren das, was jahrzehntelang links liegen gelassen worden ist. Ich verstehe das als unseren Auftrag.
Welche unternehmerischen Ziele haben Sie für die nächsten 3 Jahre?
Aufgrund des Erfolgs von clockin entwickelt sich das Tech-Startup immer mehr zu einem Unternehmen. Wir stehen jetzt vor der Herausforderung auf der einen Seite weiter zu wachsen, auf der anderen Seite aber unser gelebtes Mindset nicht zu verlieren. Unser nächstes Ziel ist jetzt die Internationalisierung. Deutschland gilt zwar in gewisser Weise als Keimzelle von Bürokratie und Zettelwirtschaft. Diese Probleme gibt es aber auch in anderen Ländern Europas und darüber hinaus. Darüber hinaus möchten wir den Einstieg in die Gesundheitsbranche schaffen. Zwar haben wir schon einige mobile Pflegedienste in unserem Kunden-Repertoir, jedoch hindert der Gesetzgeber Krankenkassen derzeit noch daran zu digitalisieren. Hier hoffen wir auf Veränderungen in der Gesetzgebung, die den Weg frei für Innovationen und Digitalisierung macht. Solange das nicht geschieht, bleibt die digitale Patientenakte, die wir schon jetzt abbilden könnten, ein Luftschloss.
Was waren die größten Herausforderungen in der Gründungsphase?
Das größte Problem zu Beginn war Zeit. Das clockin-Projekt lief zunächst neben dem normalen Arbeitsalltag ab. Nach der Veröffentlichung unserer Webseite im Jahr 2015 meldete sich nach ein paar Tagen der erste Pflegedienst an. Dadurch haben wir das gewaltige Marktpotenzial von clockin erst erkannt, musste jedoch auch sehr viele Schwerpunkte setzen, da wir nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hatten und nicht gleich den ganzen Markt bedienen konnten. Mit der Zeit konnten wir dann Schritt für Schritt mehr Zeit in das Projekt stecken und Mitarbeiter:innen einstellen.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen aus und wie wollen Sie diese meistern?
Die Pandemie hat sich positiv auf unser Geschäft ausgewirkt. Viele KMU haben die Pandemie zum Anlass genommen, sich den großen Zukunftsfragen ihres Geschäfts zu widmen. Ruckartig hat auf diesem Weg scheinbar ein Umdenken stattgefunden, so dass wir plötzlich stark erhöhte Anfragen verzeichnen konnten. Die meisten Entscheider:innen haben verstanden, dass sie sich mit digitalen Prozessen von ihrer Konkurrenz absetzen können und das Unternehmen auch nach außen hin einen modernen Eindruck vermittelt. Mit Stundenzettel schreiben kann man 2021 keine Azubis mehr gewinnen.
Ein Unternehmen zu gründen und zu expandieren kostet Geld. Wie finanzieren Sie sich?
Zum Zeitpunkt der Gründung hatten wir auf der einen Seite die Holding von Ideengeber Thomas Bittmann und unsere Digital-Agentur im Rücken, wodurch wir die notwendigen Ressourcen zur Gründung direkt aufbringen und auch bestehende Infrastruktur nutzen konnten. Nach dem Gewinn des #DWNRW-Awards ist dann der Venture-Kapitalgeber capacura aus Köln auf uns aufmerksam geworden. Zusammen mit der NRW.Bank haben beide in clockin investiert, so dass wir ein eigenes Quartier beziehen und ein Team zusammenstellen konnten. Mittlerweile stehen wir mit rund 20 Mitarbeiter:innen kurz davor uns aus eigener Kraft zu finanzieren.
Ist für Sie eine Partnerschaft mit Venture-Kapitalgebern eine Option?
Definitiv. Wir sprechen momentan auch viel. Bei einer Zusammenarbeit ist uns vor allem wichtig, dass die Kapitalgeber unsere Mission tragen und es menschlich einfach passt.
Welchen Tipp möchten Sie an andere Gründer gerne weiter geben?
Sucht immer wieder das kritische Gespräch mit jemandem über euer Geschäftsmodell und begreift Fehler und Rückschläge immer als Chancen. Und vor allem: Glaubt an Eure Idee, auch wenn es gerade mal nicht so gut aussieht.
Ist Ihr Team bereits vollständig oder suchen Sie aktuell noch freie und/oder feste Mitarbeiter?
Wir sind natürlich immer auf der Suche nach Entwicklern. Langfristig werden wir aber auch unseren Marketing- und Vertriebsbereich weiter ausbauen.
Warum sollten Fach- und Führungskräfte sich bei Ihrem Unternehmen bewerben?
Weil Sie hier die maximale Freiheit erhalten ihr volles Potenzial zu entfalten und sich selbst weiterzuentwickeln. Bei clockin kann man mit dabei sein etwas aufzubauen. Woanders müssen Fachkräfte 40 Jahre das gleiche machen und verdienen gutes Geld, bei uns haben sie die Chance die Welt zu verändern.
Stellen Sie sich vor, Sie treffen den Bundeswirtschaftsminster. Was würden Sie sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland bei ihm wünschen?
Mehr Mut zu Innovation und weniger bürokratische Fesseln, speziell für Startups. Die meisten Gründungen scheitern heutzutage schon im Vorfeld, weil die rechtlichen Bedingungen und Anforderungen zu komplex sind. Wenn wir Deutschland wieder zu einem Land der Innovationen machen möchten, müssen wir die nächste Generation für die großen Fragen Digitalisierung und Klimaschutz begeistern, ihren Innovationsgeist fördern und Gründen einfacher machen.
Welche Person hat Sie in der Gründungs- und Wachstumsphase besonders unterstützt? Bei wem möchten Sie sich bedanken?
Nunja, das sind mit Sicherheit einige. Besonders wichtig war und ist natürlich das gesamte Team, ohne das clockin niemals da wäre, wo wir heute stehen. Einzelne Personen hervorzuheben würde den anderen nicht gerecht, die alle in ihrer Form einen wichtigen Anteil am Erfolg hatten. Ich gehe davon aus, dass Erfolg ein Netzwerk-Effekt ist. Gute Leute und Ideen zusammenzubringen und für optimale Rahmenbedingungen zu sorgen, ist das A und O. Insofern möchte ich mich bei allen bedanken, die an der Geschichte von clockin mitgewirkt haben.
Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne einmal zum Dinner gehen und warum?
Hier könnte ich jetzt einige Personen aus dem Startup-Bereich nennen, die bestimmt hochgradig interessant sind. Elon Musk, Mark Zuckerberg, Bill Gates etc. Besonders interessant fände ich jedoch ein Gespräch mit Steve Jobs, auch wenn das leider nicht mehr möglich ist und ich bis heute nie ein Apple-Gerät besessen habe. Dennoch hat Steve Jobs aus meiner Sicht die Welt so grundlegend verändert, wie kaum ein Zweiter. Er hat es verstanden, komplexe Dinge einfach und begehrenswert zu machen und so die Digitalisierung und die Art, wie wir heute Leben, überhaupt erst ermöglicht. Er hat es verstanden, bestehende Ideen, Konzepte und Personen auf seine Vision einzuschwören und damit völlig neue Wege geschaffen, die sich vorher niemand vorstellen konnte.
Foto/Thumbnail: ©istock.com/Demianastur
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