Fachanwältin für Arbeitsrecht

Livia Merla: „Arbeitgeber können eine Kündigung nicht allein mit dem Coronavirus begründen“

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Im Gespräch mit Livia Merla, Fachanwältin für Arbeitsrecht und geschäftsführende Partnerin der Kanzlei MGP Merla Ganschow & Partner über typische Fallstricke bei Kündigungen für Unternehmer, die Gestaltung eines Arbeitsvertrages, bei der grundsätzlich Vertragsfreiheit gilt und über den Kündigungsschutz in Corona-Zeiten, der denselben Voraussetzungen wie vor der Pandemie unterliegt.

Onpulson: Frau Merla, Sie sind Fachanwältin für Arbeitsrecht und geschäftsführende Partnerin der Kanzlei MGP Merla Ganschow & Partner mbB, einer niedergelassenen Kanzlei, die sich auf Arbeitsrecht und Steuerberatung spezialisiert hat. Im Jahr 2017 wurde die Kanzlei gegründet und inzwischen beschäftigt die Kanzlei Merla Ganschow & Partner insgesamt über 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Erzählen Sie uns, was der ausschlaggebende Grund gewesen ist, sich für ein Jura-Studium und für den Beruf des Rechtsanwalts zu entscheiden.

Livia Merla: Die Entscheidung Rechtsanwältin zu werden, war vielmehr ein schleichender Prozess. Nachdem ich zunächst ein Studium im Bereich Marketing und Kommunikation begann, merkte ich schnell, dass ich mich umorientieren und perspektivisch in die Selbstständigkeit gehen wollte. Ein Stück weit spielte mit Sicherheit auch die Empfehlung eines Familienmitgliedes aus dem juristischen Bereich eine Rolle. Die Entscheidung ausschließlich im Arbeitsrecht tätig zu werden, fasste ich jedoch bereits zu Beginn des Studiums.

Onpulson: Kommen wir gleich zum Thema Arbeitsrecht. Zwischen welchen Arten von Kündigungen lässt sich grundsätzlich unterscheiden?

Livia Merla: Grundsätzlich kann man zwischen drei Arten von Kündigungen unterscheiden. Zum einen gibt es die ordentliche Kündigung, welche in der Praxis den Regelfall darstellt. Bei einer ordentlichen – auch fristgemäße Kündigung genannt, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfrist.

Desweiteren gibt es fristlose Kündigungen. Eine fristlose Kündigung darf nur im Ausnahmefall bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen und führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer ohne weitere Kündigungsfrist.

Einen Sonderfall nimmt die Änderungskündigung ein. Eine Änderungskündigung ist immer dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber Konditionen des Arbeitsverhältnisses ändern möchte, welche jedoch nicht mehr von seinem Direktionsrecht gedeckt sind. Im Prinzip spricht der Arbeitgeber in diesem Fall eine Beendigungskündigung aus und bietet gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzuführen.

Onpulson: Und aus welchen Gründen wird in der Praxis am häufigsten gekündigt?

Livia Merla: Der in der Praxis wohl meistgenannte Kündigungsgrund ist der betriebsbedingte Kündigungsgrund. Betriebsbedingte Gründe liegen einer Kündigung immer dann zugrunde, wenn ein Arbeitsplatz dauerhaft weggefallen ist, der Arbeitnehmer nicht auf einer anderen freien Stelle weiterbeschäftigt werden kann und eine ordnungsgemäße Sozialauswahl getroffen wurde.

Für den Arbeitgeber ist die Darlegungs- und Beweislast einer betriebsbedingten Kündigung vor den Arbeitsgerichten jedoch sehr hoch. Dies führt häufig dazu, dass Arbeitgeber mit ihrer Kündigung unterliegen.

Onpulson: Worauf müssen Arbeitgeber achten, dass eine Kündigung von vornherein rechtssicher gestaltet ist?

Livia Merla: Möchte man als Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, muss zunächst sorgfältig geprüft werden, ob der zu Kündigende dem Kündigungsschutz unterliegt. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter länger als sechs Monate im Unternehmen arbeitet und dort mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist ein verhaltens-, personen- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund erforderlich.

Unabhängig davon kann eine Kündigung auch unwirksam sein, wenn sie gegen Treu und Glauben verstößt oder aus allein diskriminierenden Motiven erfolgt. Darüber hinaus ist eine Kündigung bei Vorliegen eines Sonderkündigungsschutz, wie z.B. einer Schwerbehinderung oder Schwangerschaft ohne Zustimmung der zuständigen Behörde per se unwirksam. Zudem sollten zwingend alle Formalien einer Kündigung beachtet werden. Dies sind alles Umstände, die vor Ausspruch einer Kündigung beachtet werden sollten.

Onpulson: Was sind die typischen Fallstricke für Unternehmer bezüglich einer Kündigung?

Livia Merla: Oftmals scheitert die Wirksamkeit einer Kündigung bereits an den „Basics“. Die strikte Einhaltung der Formalien sollte daher stets beachtet werden. Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen, d.h. sie muss mit einer Originalunterschrift des Kündigungsberechtigten versehen sein. Enthält eine Kündigung lediglich eine eingescannte Unterschrift oder wird diese per E-Mail oder nur mündlich erklärt, ist die Kündigung bereits deswegen unwirksam.
Häufig wird eine Kündigung auch von der falschen Person unterschrieben. Grundsätzlich darf eine Kündigung nur von der Geschäftsführung oder einer von ihr bevollmächtigten Person erfolgen. In diesem Fall ist der Kündigung dann im Regelfall eine Originalvollmacht beizufügen.

Wird die Kündigung hingegen von der „falschen Person“ oder ohne Originalvollmacht erklärt, droht die Zurückweisung durch den Arbeitnehmer. Auch die Auswahl des Kündigungsgrundes sollte sorgfältig getroffen werden. Gerade bei einer verhaltensbedingten Kündigung sind die Anforderungen sehr hoch und setzt regelmäßig eine vorherige Abmahnung voraus.

Onpulson: Worauf sollte bei der Gestaltung des Arbeitsvertrags von Beginn an geachtet werden, um später böse Überraschungen zu vermeiden?

Livia Merla: Bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit. Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich allerdings aus diversen Gesetzen und den Arbeitnehmerschutzrechten. Insgesamt sollte ein Arbeitsvertrag daher die aktuelle Rechtsprechung berücksichtigen und einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und der Arbeitgeber finden. Unklare Regelungen oder Auslegungszweifel aus dem Arbeitsvertrag gehen zu Lasten des Arbeitgebers und führen schlimmstenfalls dazu, dass eine Regelung als gegenstandslos angesehen wird. Von daher sollte ein Arbeitsvertrag klare und präzise Klauseln beinhalten. Gerade bei den Themen Urlaub, Provision, Überstunden und Befristung kommt es regelmäßig zu Unstimmigkeiten im Arbeitsvertrag.

Onpulson: Können denn bereits beim Kündigungsgespräch Fehler gemacht werden, die später rechtliche Konsequenzen für das Unternehmen haben?

Livia Merla: Zunächst einmal ist es begrüßenswert mit dem Mitarbeiter überhaupt ein Kündigungsgespräch zu führen. Dies ist in der Praxis nicht die Regel. Ein gut vorbereitetes Gespräch kann oftmals arbeitsrechtliche Konsequenzen wie z.B. die Erhebung einer Kündigungsschutzklage vermeiden. Gleichzeitig birgt ein Gespräch hingegen auch das Risiko, dass sich der zuständige Personalverantwortliche hinsichtlich des Kündigungsgrundes „verzettelt“. Da in der Kündigung selbst kein Grund stehen muss, legt er sich bei Rückfragen im Gespräch bereits auf einen Kündigungsgrund fest, von dem dann auch nicht mehr ohne weiteres abgewichen werden kann.

Onpulson: Die Wirtschaft läuft seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr Rund, was u.a. an der gestiegenen Arbeitslosenquote zu sehen ist. Die Möglichkeit für Unternehmen Kurzarbeit einzusetzen, verhindert Schlimmeres. Reicht Corona als Kündigungsgrund, um Angestellte in Krisenzeiten zu entlassen?

Livia Merla: Arbeitgeber können eine Kündigung nicht allein mit dem Coronavirus begründen. Sofern ein Arbeitnehmer dem Kündigungsschutz unterliegt, gelten dieselben Voraussetzungen wie vor der Pandemie. Es muss ein triftiger Kündigungsgrund vorliegen. Selbstverständlich kann die aktuelle Pandemielage zu einer betriebsbedingten Kündigung führen. Hier müssen dann jedoch sämtliche Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung vorliegen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn es aufgrund der Pandemie Lage zu einer Verkleinerung des Betriebes kommt und Arbeitsplätze tatsächlich weggefallen sind. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn der Betrieb zuvor auch Kurzarbeit für die betroffenen Mitarbeiter beantragt hat. Dies kann unter Umständen zu einem Wertungswiderspruch führen, denn die Beantragung der Kurzarbeit setzt voraus, dass ein Arbeitsausfall lediglich vorübergehend ist, wohingegen eine betriebsbedingte Kündigung einen dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes voraussetzt.

Onpulson: Was wünschen Sie sich aus arbeitsrechtlicher Perspektive für den Standort Deutschland von der zukünftigen Bundesregierung?

Livia Merla: Aus meiner Sicht hat sich im vergangenen Jahr gezeigt, dass gerade im Bereich des Arbeitsrechts ein hohes Maß an Flexibilität erforderlich ist und man mit der Zeit gehen muss. Wenn ein Arbeiten im Homeoffice vor der Pandemie für ein Großteil der Unternehmen noch undenkbar war, ist dies plötzlich auch in Zukunft ein fester Bestandteil des Arbeitslebens geworden. Ich denke, dass viele der arbeitsrechtlichen Regelungen dem heutigen Wandel der Zeit und der fortschreitenden Technik hinterherhinken und nicht immer praxistauglich sind. Hier besteht in Zukunft sicherlich weiterer Handlungsbedarf.

Foto/Thumbnail: ©istockphoto/bruev

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