Warum das Wissen um vernetztes Arbeiten zu einem Wettbewerbsvorteil wird?
sozioökonomische Transformation

Warum das Wissen um vernetztes Arbeiten zu einem Wettbewerbsvorteil wird?

Porträtfoto von Dr. Anja Kossik, Geschäftsführerin der PromiseIBC, einem Consultingunternehmen
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Führungskräfte haben es in der Hand, mit neuen Leadership-Fähigkeiten den anstehenden Systemwandel erfolgreich zu gestalten und aktiv zu nutzen. Die kommende Welle sozioökonomischer Transformation braucht grundlegend neue Denk- und Handlungsmuster und ein völlig anderes Führungsverständnis: Ein Paradigmenwechsel steht bevor.

Nachdem wir uns nun fast 30 Jahre lang mit der digitalen Transformation, mit ihren Auswirkungen und Anforderungen – und den dafür notwendigen „digital Skills“ – beschäftigt haben, sollten wir unsere Aufmerksamkeit wieder nach vorne auf die notwendigen Fähigkeiten für die nun anstehende, sozioökonomische Transformation richten: Die „Human Skills“. Denn selbst wenn die Digitalisierung noch bei weitem nicht in allen Bereichen vollständig abgeschlossen ist, so sind bereits die ersten Anzeichen einer großen Veränderung wahrzunehmen, in der das Wissen um die Funktionsweisen und die Fertigkeiten für das Gestalten, Fördern und letztendlich auch Nutzen tragfähiger sozialer Systeme zu einem wesentlichen Baustein erfolgreicher Führungsarbeit wird.

Soziale Systeme bilden sich überall dort, wo Personen zusammenkommen, um gemeinsam an Zielen und Aufgaben zu arbeiten: In Projekten, Experten-Meetings, Kooperationen und Arbeitsgruppen. Überall dort, wo neues und wertvolles Wissen entwickelt und in die Anwendung gebracht wird. Die bewusste Führung und Entwicklung dieser Arbeitsformen wird aber im Vergleich zu den heutigen Linienaufgaben sträflich vernachlässigt. Dabei wird die Stärkung von wertschätzenden und wertschöpfenden Beziehungen zwischen den Know-how-Trägern zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor in der Wissengesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Die nächste Wirtschaftswelle verstehen

Doch wie können Führungskräfte zu einem derartigen – wie wir es nennen – „Wellenreiter“ werden? Dazu muss man verstehen, dass bahnbrechende Innovationen, die Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend verändern, in regelmäßigen Abständen von rund aktuell 40 Jahren auftreten. Derartige Neuerungen – dazu zählen beispielsweise die Dampfmaschine, die Eisenbahn, die Automobilität und zuletzt die Digitalisierung – bewirken lange Wellen des wirtschaftlichen Auf- und danach wieder Abschwungs. Diese Wellen gehen gleichzeitig auch immer mit radikalen Strukturveränderungen in der Gesellschaft einher. Und wir stehen gerade wieder am Beginn einer neuen Welle. Waren aber bisher immer bahnbrechende Technologien Auslöser für einen Konjunkturzyklus, so ist diese neue Welle erstmals nicht technologiegetrieben, sondern menschenzentriert. Das heißt, sie stellt den Menschen und mit seinen sozialen Interaktionen und den dazu notwendigen emotionalen Kompetenzen in den Mittelpunkt.

Die Enthierarchisierung von Gesellschaft und Unternehmen

Die immer kürzer werdenden Abstände zwischen fundamentalen Krisen, die damit verbundene Anforderung der Märkte nach größerer Flexibilität und das Bedürfnis der Organisationen nach höherer Resilienz und Anpassungsfähigkeit sind mit klassischen, hierarchisch aufgebauten Führungsstrukturen nicht mehr vereinbar. In unseren Beratungsprozessen können wir die Tendenz erkennen, dass nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch das Arbeitsumfeld immer demokratischer organisiert wird. Damit sehen wir in Unternehmen immer häufiger eine partizipative Gestaltung von Kommunikations- und Reflexionsprozessen und damit einhergehend auch eine Dezentralisierung von Entscheidungsfindungen.

Die gute alte Linienorganisation hat somit ausgedient, denn sie erlaubt Organisationen nicht oder nur sehr eingeschränkt auf eine ihrer wesentlichsten Ressourcen zurückzugreifen: Den ungehinderten Austausch von Wissen innerhalb eines gut und effektiv funktionierenden sozialen Systems.

Neid, Missgunst, Angst, Gleichgültigkeit und Egoismen wirken aber heute wie Sand im Getriebe unserer sozialen Systeme. Das führt auch dazu, dass bestimmte Themen nicht ins Laufen kommen, Konflikte die Zusammenarbeit stören und Teams nicht an einem Strang ziehen, um die heutigen, komplexen Aufgaben zu lösen.

Netzwerkorganisationen im Vormarsch

Das funktioniert nämlich nur, wenn man auch die Rahmenbedingungen dafür schafft und Menschen aus unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Disziplinen auf Augenhöhe eine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln können. Dieses wechselseitige Vertrauen stellt jedoch die Grundlage für erfolgreiche, offene und angstfreie Kommunikation und Kooperation dar. Eine derartige netzwerkorientierte Organisation funktioniert jedoch nach vollkommen neuen Mustern und Regeln. Diese versetzen Wissensarbeiter besser in die Lage, Informationen zu erstellen und zu nutzen, um durch die Zusammenarbeit kleiner, flexibler und selbstgesteuerter Teams Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Derartige Netzwerkstrukturen beginnen gerade in vielen fortschrittlichen Unternehmen zu entstehen. Und damit sie wie eine gut geölte Maschine funktionieren, brauchen sie ein entsprechendes Schmiermittel: Das Sozialkapital!

Leadership als Haltung ansehen

Wellenreiter sind Führungspersönlichkeiten, die die Zeichen der Zeit erkennen und die den Transformationsprozess in Richtung derartiger nicht-hierarchischer, dezentraler, netzwerkorientierter Organisationsstrukturen aktiv mitgestalten. Sie können heute schon erkennen, dass die klassischen Managementkonzepte aus dem Industriezeitalter, die ausschließlich auf der immer weiteren Steigerung von Effizienz basieren, allein nicht mehr greifen. Althergebrachte Lösungsansätze funktionieren vor allem in Krisenzeiten nicht. Denn Krisen können nicht gemanagt werden! Komplexe Aufgabenstellungen und Herausforderungen, sogenannte „Wicked Problems“ folgen ihren eigenen Regeln und benötigen damit auch ein völlig anderes Führungsverständnis.

Traditionelle auf der Lösung von normalen linearen Ursache-Wirkungsmechanismen basierende Managementprinzipien sind in solchen Fällen keine Hilfe mehr und bringt damit Führungskräfte schnell an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Die ständige Optimierung von Regeln und Prozessen hat endgültig ihre Wirksamkeit verloren. Es braucht stattdessen ein grundlegend anderes Verständnis von Leadership und Arbeitsorganisation, um die Wettbewerbsvorteile dieser neuen Welle optimal zu nutzen.

Soziale Systeme führen

In dieser neuen, sechsten Welle, die gerade im Aufschwung begriffen ist, wird die sogenannte „psychosoziale Gesundheit“ zum Gamechanger. In dieser nächsten Welle besitzt die Gesundheitsindustrie das Potenzial, zur Leitindustrie des nächsten Wirtschaftsaufschwungs zu werden. Außerdem wird es für Unternehmen zu einem Wettbewerbsvorteil, im eigenen Unternehmen eine psychosozial gesunde Organisation zu implementieren.

Dazu wird es für Führungskräfte notwendig werden, sich in ihren Projekten und Arbeitsgruppen mit den Wirkungsweisen sozialer Systeme auseinanderzusetzen:

  • Wie reagieren soziale Systeme auf Veränderungen?
  • Wie interagieren die Menschen, die ein derartiges soziales System ausmachen?
  • Und wie können diese Interaktionen so ablaufen, dass sie zu einer Steigerung der Effektivität führen?

Denn Effektivität geht über reine Effizienzsteigerung weit hinaus. Sie berücksichtigt nicht nur quantitative Kriterien der Arbeit, sondern vor allem qualitative.

Zu Wellenreitern werden

Wellenreiter erkennen das Potenzial, das im Wissen um soziale Systeme verborgen liegt und sie eignen sich die passenden Werkzeuge und Kompetenzen dafür an. Das erfordert eine offene Auseinandersetzung mit „Human Skills“ wie Vertrauensbildung und Empathiefähigkeit, die bislang eher keinen Ausbildungsschwerpunkt für Führungskräfte dargestellt haben. Leadership bedeutet jedoch, sich die Inhalte und Wirkungsweisen dieses Zukunftstrends rechtzeitig zunutze zu machen, um so das Sozialkapital im eigenen Unternehmen zu erhöhen und selbst zu einem wichtigen Träger der Unternehmenskultur zu werden.

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Über die Autoren

Porträtfoto von Dr. Anja Kossik, Geschäftsführerin der PromiseIBC, einem Consultingunternehmen

Dr. Anja Kossik Dr. Anja Kossik ist MSc und Geschäftsführerin der PromiseIBC und seit über 10 Jahren als systemische Organisationsberaterin tätig. Sie veröffentlicht regelmäßig Erkenntnisse zu einer nachhaltigeren und menschenzentrierteren Unternehmensführung aus ihrer beruflichen und wissenschaftlichen Arbeit. www.promise-ibc.com
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Porträtfoto von Karl Hitschmann, Gründer von Business Design, einer Beratungsfirma

Karl Hitschmann Karl Hitschmann ist MBA CMC und langjähriger Experte für die systemische Geschäfts- und Organisationsentwicklung. Mit BUSINESS DESIGN begründete er eine Agentur, die namhaften Unternehmen dabei hilft neues Wachstum zu erzielen, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und ihre Organisationen zu verändern. www.business-design.biz 
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