Deutsche Unternehmen drücken bei Künstlicher Intelligenz aufs Tempo
Regulierungen erwünscht

Deutsche Unternehmen drücken bei Künstlicher Intelligenz aufs Tempo

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Künstliche Intelligenz erlebt in der deutschen Wirtschaft einen spürbaren Schub. Inzwischen nutzen 15 Prozent der Unternehmen KI, vor einem Jahr waren es erst 9 Prozent. Deutlich zurückgegangen ist gleichzeitig der Anteil derer, für die der KI-Einsatz im eigenen Unternehmen kein Thema darstellt: von 64 auf 52 Prozent. Gut zwei Drittel (68 Prozent) halten KI für die wichtigste Zukunftstechnologie.

Zusammenfassung

  • Anteil der Unternehmen, die KI einsetzen, steigt binnen eines Jahres von 9 auf 15 Prozent
  • Zwei Drittel sehen KI als wichtigste Zukunftstechnologie
  • Große Mehrheit lässt ChatGPT und generative KI aber noch links liegen

Dem stehen 29 Prozent gegenüber, die in KI einen Hype sehen, den man massiv überschätzt. Für das eigene Unternehmen sieht die große Mehrheit von 68 Prozent KI als Chance, ein Fünftel (20 Prozent) jedoch als Risiko. Und jedes Neunte (11 Prozent) denkt, dass KI keinen Einfluss auf das eigene Unternehmen haben wird.

Das sind Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die der Verband 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus allen Branchen in Deutschland repräsentativ befragt hat.

„Zwar setzt nur jedes fünfte Unternehmen, das KI als wichtigste Zukunftstechnologie sieht, selbst auch KI ein. Aber die deutsche Wirtschaft drückt beim Thema Künstliche Intelligenz seit diesem Jahr stärker aufs Tempo. An der Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln müssen wir dauerhaft arbeiten“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. „Damit Deutschland bei KI Fahrt aufnehmen kann, müssen die Unternehmen ihre Anstrengungen und auch Investitionen weiter verstärken. Zugleich ist aber auch die Politik gefordert dafür zu sorgen, dass es nicht bei Absichtserklärungen und Strategien zur KI-Förderung bleibt, sondern die Nutzung und Entwicklung von KI in Deutschland deutlich erleichtert wird. Insbesondere die Nutzung wenig sensibler Daten muss erleichtert werden.“

Unternehmen trauen KI bei Sprache mehr zu – und nutzen ChatGPT & Co. nicht

Unternehmen trauen verglichen mit dem Vorjahr KI vor allem rund um Text und Sprache mehr zu. So sprechen 84 Prozent KI sehr großes oder eher großes Potenzial für Textanalyse und Textverständnis im eigenen Unternehmen zu, vor einem Jahr waren es erst 74 Prozent. Spracherkennung hat für 74 Prozent großes Potenzial (2022: 66 Prozent), für generative KI zur Erstellung von Texten, Bildern oder Musik sagen das 70 Prozent. Die Einstellung zu dieser neuen Form der KI hat man erstmals abgefragt.

Auch den anderen Arten von KI spricht die Mehrheit der Unternehmen großes Potenzial zu, etwa für Gesichtserkennung (68 Prozent, 2022: 61 Prozent), Prognosen (67 Prozent, 2022: 71 Prozent), Mustererkennung (67 Prozent, 2022: 66 Prozent) und Bilderkennung (60 Prozent, 2022: 57 Prozent). „ChatGPT war für viele Menschen ein Eye Opener und hat auch in den Unternehmen intensive Diskussionen ausgelöst. Damit bekommt das Thema Künstliche Intelligenz die breite Aufmerksamkeit, die es verdient“, so Wintergerst.

Wenige setzen generative KI ein

Die Einsicht in die Bedeutung von generativer KI schlägt sich aber noch nicht vollständig in ihrer Nutzung in den Unternehmen nieder. Aktuell setzen nur 2 Prozent generative KI zentral im Unternehmen ein, weitere 13 Prozent planen dies. Rund ein Viertel (23 Prozent) hat zwar noch keine Pläne zur Verwendung generativer KI, kann sich dies aber grundsätzlich vorstellen. Ebenso viele (23 Prozent) können sich dies aber nicht vorstellen. Und mehr als jedes dritte Unternehmen (37 Prozent) hat sich damit noch gar nicht beschäftigt.

„Generative KI bietet in den verschiedensten Bereichen spannende Einsatzmöglichkeiten, zugleich ist die Technologie bereits heute breit verfügbar und zu geringen Kosten einfach auszuprobieren“, so Wintergerst. „Wirklich kein Unternehmen sollte die Diskussion über den Einsatz von generativer KI auf die lange Bank schieben. Wer heute abwartet, muss sich demnächst umso mehr anstrengen, die anderen einzuholen.“

Beschäftigte eigeneninitiativ?

Auch wenn ein Unternehmen keine Strategie zum Einsatz generativer KI hat, kann es durchaus sein, dass die Technologie ungesteuert und eigeninitiativ von Beschäftigten eingesetzt wird. Zwar geht die Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) fest davon aus, dass dies bei ihnen nicht der Fall ist und es niemanden gibt, der generative KI für die eigene Arbeit verwendet.

Weitere 23 Prozent wissen es zwar nicht genau, nehmen aber an, dass niemand aus ihrer Belegschaft ChatGPT & Co. beruflich verwendet. In 1 Prozent der Unternehmen ist diese Praxis dagegen weit verbreitet, 7 Prozent wissen von Einzelfällen und 9 Prozent sind sich nicht sicher, gehen aber davon aus, dass einzelne Beschäftigte generative KI beruflich einsetzen. Regeln gibt es dazu bislang so gut wie nicht. Nur jedes hundertste Unternehmen (1 Prozent) hat Regeln für den Einsatz von generativer KI durch einzelne Beschäftigte festgelegt, 16 Prozent planen dies für die Zukunft und 28 Prozent wollen darauf auch künftig verzichten. Rund die Hälfte (48 Prozent) hat sich mit dem Thema noch überhaupt nicht beschäftigt.

Das größte Potenzial generativer KI wird in der Unterstützung bei Berichten, Übersetzungen oder sonstigen Texten gesehen (82 Prozent). Mit deutlichem Abstand dahinter folgen Aufgaben in Marketing und Kommunikation (59 Prozent), etwa bei der Bilderstellung, in der IT-Abteilung (58 Prozent), etwa für Code-Generierung, und bei Forschung und Entwicklung (50 Prozent), etwa zur Auswertung von Daten.

Meinungen gespalten

Dahinter reihen sich ein der Einsatz in der Produktion (44 Prozent), zum Beispiel als Assistenzsystem bei der Maschinensteuerung, im Kundenkontakt (39 Prozent), etwa für die Bearbeitung von Anfragen, in der Personalabteilung (26 Prozent), zur Kommunikation mit Bewerbern, bei der Unterstützung des internen Wissensmanagements (23 Prozent), etwa als Chatbot mit Zugriff auf Unternehmensinformationen und im Management (19 Prozent), etwa in der Strategieentwicklung. Schlusslicht ist die Rechts- oder Steuerabteilung (12 Prozent), beispielsweise für die Vertragsgestaltung. „Generative KI kann schon heute viel mehr, als die meisten Unternehmen ihr zutrauen“, kommentiert Wintergerst die Einschätzung. „Es ist überraschend, dass insbesondere das Potenzial im Kontakt mit Kundinnen und Kunden, beim unternehmensinternen Wissensmangement oder auch bei Vertragserstellung und -prüfung noch kaum gesehen wird. Hier gibt es bereits praxistaugliche Anwendungen.“

Wie gespalten die deutsche Wirtschaft beim Thema generative KI ist, zeigen weitere Ergebnisse der Befragung. So sagen 42 Prozent aller Unternehmen, dass diejenigen, die generative KI einsetzen, einen Wettbewerbsvorteil haben. 19 Prozent rechnen sogar damit, dass generative KI ihr Geschäftsmodell verändern wird.

KI bringe wenig Nutzen

Zugleich meinen aber 51 Prozent, dass generative KI zwar spektakulär aussehe, in den Unternehmen aber nur wenig Nutzen bringe. Auch hinsichtlich der Auswirkungen generativer KI auf die Beschäftigung gibt es sehr unterschiedliche Annahmen. 30 Prozent rechnen damit, dass durch den Einsatz von generativer KI Personal entlassen wird. Umgekehrt meinen mit 29 Prozent ähnlich viele, dass generative KI dabei hilft, den Fachkräftemangel zu bewältigen und ebenfalls 29 Prozent erwarten, dass generative KI die eigenen Beschäftigten produktiver macht.

Fragt man die Unternehmen, die sich aktiv mit dem Einsatz generativer KI beschäftigen, was den Einsatz generativer KI im Unternehmen hemmt, dann spielt Regulierung eine entscheidende Rolle. Größtes Hemmnis sind Anforderungen an den Datenschutz (85 Prozent), aber auch die Sorge vor künftigen rechtlichen Einschränkungen (81 Prozent) sowie Verunsicherung durch rechtliche Unklarheiten (76 Prozent) nennen Befragte häufig.

Daneben spielen zwei unternehmensinterne Gründe für viele Unternehmen eine wichtige Rolle: Fehlendes technisches Know-how (84 Prozent) und fehlende personelle Ressourcen (78 Prozent). Ebenfalls nennen Befragte ein Mangel an Daten (69 Prozent) oder an Zeit (68 Prozent). Dagegen ist fehlende Akzeptanz der Beschäftigten nur in jedem zweiten Unternehmen (50 Prozent) ein Hemmnis, noch seltener spielen die Sorge, dass Daten in falsche Hände geraten (43 Prozent), fehlende Use cases oder allgemein fehlendes Vertrauen (je 42 Prozent) sowie die Kosten (40 Prozent) eine Rolle. 34 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie sich auf andere Zukunftstechnologien fokussieren. „Beim KI-Einsatz geht es den Unternehmen nicht um Subventionen, sie brauchen Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen, etwa mit Blick auf den Datenschutz“, so Wintergerst.

Ein Drittel glaubt, bei KI den Anschluss verpasst zu haben – ein Viertel investiert

Fragt man die Unternehmen, wo sie sich selbst beim Einsatz von KI allgemein – das heißt auch jenseits generativer KI – im Vergleich zu ihren Wettbewerbern sehen, sagen nur 2 Prozent „an der Spitze“ und 13 Prozent „unter den Vorreitern“. Zugleich verorten sich 43 Prozent unter den Nachzüglern und 38 Prozent glauben sogar, dass sie den Anschluss verpasst haben. Wintergerst: „Bei KI erleben wir gerade riesige Entwicklungssprünge. Auch wer in der Vergangenheit gezögert hat, sollte den KI-Einsatz jetzt zumindest prüfen.“ Im laufenden Jahr will jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) in KI investieren, 2022 oder früher haben bereits 41 Prozent investiert. Im kommenden Jahr oder danach planen aber sogar drei Viertel aller Unternehmen (74 Prozent) Investitionen in Künstliche Intelligenz.

Wer KI nutzt bewertet Vorteile und Risiken der Technologie anders

Unternehmen, die KI bereits einsetzen, sehen die größten Vorteile darin, dass KI allgemein die Wettbewerbsfähigkeit stärkt (71 Prozent), in der Gesamtwirtschaft nennen dies nur 44 Prozent. 52 Prozent der Unternehmen mit KI-Einsatz heben die Vermeidung menschlicher Fehler hervor (33 Prozent Gesamtwirtschaft) und 51 Prozent sehen, dass Prozesse beschleunigt werden (39 Prozent Gesamtwirtschaft). Weniger deutlich auseinander sind die Einschätzungen wenn es um schnellere und präzisere Problemanalysen geht (49 Prozent KI-Nutzer, 48 Prozent Gesamtwirtschaft) oder bei Expertenwissen durch KI, das sonst nicht im Unternehmen vorhanden wäre (41 Prozent KI-Nutzer, 38 Prozent Gesamtwirtschaft).

Deutlich unterschiedlich werden die konkreten Auswirkungen auf das Geschäftsmodell bewertet. 37 Prozent der KI-Nutzer sagen, dass durch KI die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen möglich wird, gegenüber 24 Prozent aller Unternehmen. Und rund jedes vierte Unternehmen, das KI einsetzt (24 Prozent), sieht dank Künstlicher Intelligenz völlig neue Produkte und Dienstleistungen entstehen – in der Gesamtwirtschaft sind es nur 16 Prozent.

Bei der Frage nach dem größten Risiko von KI gibt es keinen Unterschied zwischen KI-Nutzern und die Gesamtwirtschaft. Beide nennen Verstöße gegen Datenschutzvorgaben am häufigsten (80 Prozent KI-Nutzer, 70 Prozent Gesamtwirtschaft). Bei den weiteren Risiken gibt es aber deutliche Unterschiede. So stehen für KI-Nutzer Fehler bei der Programmierung (70 Prozent, Gesamtwirtschaft 57 Prozent) und Haftungsverpflichtungen bei Schäden (69 Prozent, Gesamtwirtschaft 47 Prozent) weit oben. In der Gesamtwirtschaft machen die Unternehmen sich nach Datenschutzverstößen am meisten Sorgen über neue IT-Sicherheitsrisiken (69 Prozent, KI-Nutzer 58 Prozent) und Anwendungsfehler bei der KI-Nutzung (67 Prozent, KI-Nutzer 34 Prozent) . „Es kann sich lohnen, bei KI den Vorreitern zu folgen und von ihren Erfahrungen zu profitieren. Wir sollten deshalb den Austausch der Unternehmen untereinander stark fördern“, so Wintergerst.

Unternehmen wünschen sich praxistaugliche Regulierung

Von der Politik wünschen sich die Unternehmen Regulierung – aber mit Augenmaß. So sind fast drei Viertel (73 Prozent) der Meinung, dass klare KI-Regeln europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Zugleich sind rund zwei Drittel (68 Prozent) zurückhaltend beim KI-Einsatz, weil sie Sorge haben, gegen Vorschriften zu verstoßen. Und rund die Hälfte aller Unternehmen (48 Prozent) beklagt, dass übertriebene Regulierung der Grund dafür ist, dass Produkte wie ChatGPT nicht in der EU entwickelt werden. „Die Unternehmen wollen kein Wild West bei KI, sondern eine einfache, verständliche und vor allem praxistaugliche Regulierung“, so Wintergerst. „Auf EU-Ebene wird derzeit am AI Act gearbeitet. Aus dem AI Act darf kein Technologie-Killer werden, der zu ähnlich massiven Rechtsunsicherheiten und einem Flickenteppich unterschiedlicher Auslegungen führt, wie dies bei der Datenschutz-Grundverordnung der Fall ist.“

Auf Bundesebene sei außerdem wichtig, dass der angekündigte KI-Aktionsplan aus dem Bundesforschungsministerium mit den übrigen Regierungsvorhaben eng verzahnt wird. Wintergerst: „Eine entscheidende Bedeutung kommt der neuen Datenstrategie der Bundesregierung zu. Die Datenstrategie muss den dringend notwendigen Paradigmenwechsel beim Umgang mit Daten einleiten, damit wir das Potenzial von Daten für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen, aber auch für den Einsatz neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz wirklich nutzen können.“

Bildnachweis: ©istockphoto.com/B4LLS

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