Wachstumschancengesetz: Auswirkungen und Potenziale
Steuerliche Erleichterungen

Wachstumschancengesetz: Auswirkungen und Potenziale

Porträtfoto von Prof. Dr. Christoph Juhn, Geschäftsführender Partner von der JUHN Partner GmbH
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Positive Wirtschaftsimpulse und steuerliche Subventionen – nach fünfmonatigem Hin und Her trat nun das Wachstumschancengesetz in Kraft. Neben verschiedenen neuen Abschreibungsmöglichkeiten und verbesserten Thesaurierungsbedingungen beinhaltet es auch bürokratische Erleichterungen als Anreiz für Investitionen.

Nach umfassenden Diskussionen, Verzögerungen und Änderungen ist es seit dem 22. März offiziell: Das lang umkämpfte Wachstumschancengesetz (WCG) ist da und die Wirtschaft kann aufatmen. Am 28. März, einen Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, trat das WCG in Kraft. Auch wenn das Gesetzespaket im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf deutlich abgespeckt wurde, enthält es zahlreiche positive Investitionsanreize und steuerliche Erleichterungen.

Zudem sieht es einen Abbau bürokratischer Hürden vor, von denen vor allem Kleinunternehmer und Arbeitgeber profitieren. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die das WCG in seiner finalen Form umfasst, und welche Vorteile ergeben sich daraus für Unternehmen?

Abschreibungen für bewegliche Wirtschaftsgüter

Als eine der bedeutendsten Neuregelungen führt das WCG die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) auf bewegliche Wirtschaftsgüter wieder ein. Nach ihrer offiziellen Abschaffung 2008 durch das Unternehmenssteuerreformgesetz fand bereits für die Zeiträume 2009 bis 2010 sowie im Rahmen der gesetzlichen Coronahilfen 2020 bis 2022 eine zeitlich begrenzte Wiedereinführung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zur Konjunkturförderung statt.

Auch das WCG sieht nur eine befristete Rückkehr dieser Abschreibungsart vor. Sie lässt sich auf Wirtschaftsgüter anwenden, deren Erwerbs- oder Herstellungsdatum zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 2024 liegt. Ein Wechsel zur linearen Methode bleibt jederzeit möglich und gilt für das letzte Abschreibungsjahr verpflichtend. Bei der degressiven Abschreibung beträgt der Satz das Zweifache des linearen Abschreibungssatzes, maximal jedoch 20 Prozent.

Zusätzlich erhöht das WCG seit dem 1. Januar 2024 den Prozentsatz der Sonderabschreibung auf abnutzbare Wirtschaftsgüter nach § 7g EStG von 20 auf 40 Prozent, was grundsätzlich eine kürzere Abschreibungsdauer ermöglicht. In der Folge stehen Unternehmen schneller mehr liquide Mittel für weitere Investitionen zur Verfügung. Weiterhin lässt sich die Sonderabschreibung nur von Unternehmen nutzen, deren Gewinn im Vorjahr der Anschaffung unterhalb der Höchstgrenze von 200.000 Euro lag.

Abschreibungen für Wohngebäude

Neben neuen Abschreibungsmöglichkeiten für bewegliche Wirtschaftsgüter nimmt das WCG auch die Einführung einer fünfprozentigen degressiven AfA für Wohnungsneubauten vor. Diese gilt zeitlich befristet für Wohngebäude, deren Anschaffung oder Fertigstellung zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2029 liegt. Dabei soll der höhere Abschreibungssatz im Vergleich zur linearen AfA mit 3 Prozent dazu dienen, den Wohnungsbau als Kapitalanlage wieder attraktiver zu machen. Auch hier bleibt der Wechsel zurück zur linearen AfA möglich, was sich besonders dann lohnt, sobald der Abschreibungswert bei der linearen Methode genauso hoch wie oder höher ist als der Wert bei der degressiven.

Verbesserte Thesaurierungsbedingungen

Zur Tätigung von Investitionen benötigen Unternehmen ausreichend Liquidität. Eine Möglichkeit, diese sicherzustellen, besteht darin, erwirtschaftete Gewinne nicht auszuschütten, sondern stattdessen die Methode der Thesaurierung zu wählen – das heißt die Gewinne im Unternehmen zu horten. Mit dem WCG strebt die Bundesregierung an, dieses Vorgehen zu fördern und attraktiver zu gestalten, weshalb die Thesaurierungsbedingungen für Unternehmen gelockert und steuerliche Anreize geschaffen wurden. Bisher sahen die gesetzlichen Regelungen vor, dass Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, nicht dem Einkommensteuertarif, sondern dem niedrigeren Thesaurierungssteuersatz von 28,25 Prozent unterliegen. Entnommene Steuern sowie die als Aufwand berücksichtigte Gewerbesteuer mussten jedoch vom Thesaurierungsvolumen abgezogen werden, wodurch sich dieses deutlich reduzierte.

Durch die Neuregelung im WCG entfällt dieser Abzug, was Unternehmen die volle steuerliche Vergünstigung durch die Thesaurierung und damit mehr liquides Eigenkapital sichert. Zudem räumt das Gesetz allen Personengesellschaften ein, diese Körperschaftsteuer-Option zu wählen. In der Regel unterliegen die Gewinne von Personengesellschaften und Einzelunternehmen dem persönlichen Einkommensteuersatz der Gesellschafter oder Unternehmer, der oft zwischen 35 und 45 Prozent liegt. Kapitalgesellschaften hingegen zahlen nur circa 30 Prozent Steuern, zusammengesetzt aus Körperschaft- und Gewerbesteuer plus Solidaritätszuschlag.

Mit der 2021 eingeführten Option zur Körperschaftsbesteuerung wurden Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften im Hinblick auf die Thesaurierung steuerlich gleichgestellt, bislang galt dies jedoch nur für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften. Das WCG öffnet diese Möglichkeit nun für alle Personengesellschaften inklusive eingetragener Gesellschaften bürgerlichen Rechts (eGbR) – dadurch stärkt das Gesetz im internationalen Wettbewerb vor allem die Position mittelständischer Familienunternehmen.

Erweiterter Verlustvortrag

Sollte ein Betrieb dennoch Verluste erzielen, erfolgt in der Regel eine Verrechnung mit Gewinnen in der Steuererklärung desselben Veranlagungszeitraums. Kommt dabei insgesamt ein negatives Einkommen heraus, macht das Unternehmen auch steuerlich betrachtet einen Verlust, der sich durch einen Verlustabzug ausgleichen lässt. Dabei werden negative Einkünfte mit positivem Einkommen aus anderen Veranlagungszeiträumen verrechnet, wodurch sich der steuerpflichtige Gewinn und dadurch die Steuerlast reduziert. Dies kann entweder rückwirkend geschehen oder in der Zukunft.

Letzteres nennt sich Verlustvortrag und spekuliert darauf, dass zu einem späteren Zeitpunkt positives Einkommen generiert wird. In der Regel ist ein solcher Verlustvortrag in der Summe begrenzt auf insgesamt eine Million Euro – zwei Millionen für gemeinsam veranlagte Eheleute – zuzüglich 60 Prozent des Gesamteinkommens. Für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 hebt das WCG diese Grenze auf bis zu 70 Prozent an.

Bürokratische Erleichterungen

Zusätzlich zu verschiedenen Steuersubventionen bringt das WCG eine Reihe bürokratischer Erleichterungen für Unternehmen mit sich. Eine wesentliche Änderung betrifft die Umsatz- und Gewinngrenzen für die Bilanzierungspflicht, die nun auf 800.000 Euro Umsatz und 80.000 Euro Gewinn angehoben wurden – im Vergleich zu den bisherigen 600.000 Euro bzw. 60.000 Euro. Bis zu diesem Schwellenbetrag sind Betriebe nicht zur Bilanzierung verpflichtet und können stattdessen eine vereinfachte Einnahmen-Überschuss-Rechnung abgeben, was nicht nur den zeitlichen, sondern auch den finanziellen Aufwand der Erstellung eines Jahresabschlusses verringert.

Zudem entlastet das WCG im Bereich der Umsatzsteuer besonders Kleinunternehmer: Es befreit sie einerseits von der Übermittlungspflicht von Umsatzsteuererklärungen und -voranmeldungen, solange ihre Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bisher 1.000 Euro) betragen hat. Für diese Betriebe gilt die Ist-Besteuerung anstatt der Soll-Besteuerung, was bedeutet, dass die Umsatzsteuer anstatt nach vereinbarten Entgelten nach vereinnahmten Beträgen berechnet wird.

Eine weitere bedeutende Neuerung betrifft die Fünftelregelung bei Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, Abfindungen oder Entschädigungen. Ab 2025 wird die Fünftelregelung erst bei der Abgabe der Steuererklärung angewendet und nicht mehr bei der Ermittlung der Lohnsteuer. Dies entlastet Arbeitgeber rechtlich, da sie nicht mehr für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer haften müssen.

Die Fünftelregelung ermöglicht es, einmalige hohe Einnahmen gleichmäßig über fünf Jahre zu verteilen, um eine übermäßige Steuerbelastung zu vermeiden, die aufgrund der Steuerprogression entstehen könnte.

Fazit: Gewappnet in die Zukunft?

Im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf enthält das finale Wachstumschancengesetz zwar keine Klimainvestitionsprämie mehr und auch einige neue Freigrenzen fielen dem Rotstift zum Opfer, doch auch in seiner jetzigen Form enthält es noch immer umfangreiche Entlastungsmaßnahmen für die Wirtschaft: Dank neuer Abschreibungsarten und verbesserter Thesaurierungsbedingungen steht Unternehmen künftig mehr Liquidität zur Verfügung, was Investitionen potenziell erleichtert. Gleichzeitig sorgen vereinfachte Regeln bezüglich der Bilanzierungspflicht und Abgabe der Umsatzsteuererklärung sowie eine Überarbeitung der Fünftelregelung für weniger Bürokratie und eine rechtliche Entlastung von Arbeitgebern. Ob das WCG als Wirtschaftsreform tatsächlich den erhofften Investitionsboom nach sich ziehen wird, bleibt jedoch abzuwarten.

Bildnachweis: ©istockphoto.com/AndreyPopov

Über den Autor

Porträtfoto von Prof. Dr. Christoph Juhn, Geschäftsführender Partner von der JUHN Partner GmbH

Prof. Dr. Christoph Juhn Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und Gründer der JUHN Partner GmbH und der JUHN BESAU GmbH. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht und Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A). www.juhn.com
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