Wie Unternehmen mit innovativen Rekrutierungsstrategien gegen Fachkräftemangel vorgehen
Active Sourcing gefragt

Wie Unternehmen mit innovativen Rekrutierungsstrategien gegen Fachkräftemangel vorgehen

Porträtfoto vonPorträtfoto vonPorträtfoto von Carolin Fischer, Content-Managerin und Redakteurin für onpulson.de, einem Fachportal für Unternehmer und Führungskräfte aus dem Mittelstand
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Die deutsche Wirtschaft steht im Jahr 2025 vor einer ihrer größten Belastungsproben. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, einst ein schleichendes Problem, hat sich zu einer akuten Wachstumsbremse entwickelt. Wie können Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

Quer durch alle Branchen, vom Handwerk über die IT bis zum Gesundheitswesen, klaffen Lücken beim Personal, die sich nicht mehr mit traditionellen Stellenanzeigen füllen lassen. Demografischer Wandel und die digitale Transformation wirken als Brandbeschleuniger in einem ohnehin schon angespannten Markt. Für Betriebe geht es längst nicht mehr nur darum, offene Positionen zu besetzen. Es geht um die Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells. Wer heute nicht umdenkt, verliert morgen den Anschluss. Die Antwort liegt in einem radikalen Wandel der Rekrutierung. Gefragt sind Mut, Kreativität und die Bereitschaft, alte Pfade zu verlassen.

Die Renaissance der Headhunter: Mehr als nur Vermittlung

In einem Markt, in dem die besten Fachkräfte nicht mehr aktiv suchen, sondern gefunden werden wollen, erleben Personalberatungen und Headhunter eine neue Blütezeit. Ihre Rolle hat sich jedoch gewandelt. Früher oft als reine Vermittler von Lebensläufen betrachtet, agieren spezialisierte Berater heute als strategische Partner auf Augenhöhe. Ihre Aufgabe beginnt nicht mit der Suche, sondern mit einer tiefgehenden Analyse des Unternehmens, seiner Kultur und der exakten Anforderungen an eine Position.

Gerade bei der Besetzung von Schlüsselpositionen oder bei der Suche nach hochspezialisierten Experten, die auf klassischen Jobportalen nicht zu finden sind, ist ihre Expertise oft der einzige Weg zum Erfolg. Headhunter verfügen über ein über Jahre gepflegtes Netzwerk und die notwendige Diskretion, um auch passiv suchende Kandidaten, das heißt jene in festen Anstellungen, für einen Wechsel zu interessieren. Dieser Zugang zum verdeckten Arbeitsmarkt ist ihr größtes Kapital. Der Prozess ist aufwändig und kostenintensiv, doch die Investition rechtfertigt sich durch die Vermeidung von Fehlbesetzungen und die schnelle Schließung kritischer Vakanzen.

Danilo Baldauf, Geschäftsführer der Starke Jobs GmbH & Co.KG, räumt mit einem alten Vorurteil auf: „Moderne Personalberater liefern nicht nur eine Liste von Namen, sondern ein Gesamtpaket: Sie bewerten die fachliche Eignung, den kulturellen Fit und beraten das Unternehmen bei der Gestaltung eines attraktiven Angebots. Sie sind Marktanalysten, Psychologen und Verhandlungsführer in einer Person“, so der Experte.

Digitale Spurensuche: Talente dort abholen, wo sie sich aufhalten

Parallel zur externen Beauftragung bauen immer mehr Unternehmen eigene Kompetenzen im sogenannten „Active Sourcing“ auf. Anstatt passiv auf Bewerbungen zu warten, gehen Recruiter selbst proaktiv auf die Suche. Berufliche Netzwerke wie LinkedIn und XING sind dabei sehr wichtige, aber längst nicht die einzigen Jagdgründe. Je nach Zielgruppe durchforsten sie beispielsweise spezialisierte Plattformen wie GitHub für Softwareentwickler oder spezifische Fachforen.

Der Kern des Active Sourcing ist der Aufbau einer Beziehung, bevor überhaupt eine konkrete Stelle frei ist. Es geht darum, mit potenziellen Kandidaten in einen Dialog zu treten, ihre Arbeit wertzuschätzen und das eigene Unternehmen als interessanten Arbeitgeber zu positionieren. Dies erfordert Fingerspitzengefühl und eine persönliche Ansprache, die weit über eine standardisierte Kontaktanfrage hinausgeht.

Erfolgreiche Active Sourcer sind Netzwerker, die die Sprache ihrer Zielgruppe sprechen. Sie bauen Talentpools auf, das heißt eine Datenbank mit interessanten Kontakten. Auf diese können sie bei Bedarf schnell zurückgreifen. Diese Methode ist ressourcenintensiv, zahlt sich aber langfristig aus, weil sie den Rekrutierungsprozess erheblich beschleunigt und die Qualität der Kandidaten verbessert.

Der gläserne Arbeitgeber: Warum Kultur zur härtesten Währung wird

Die beste Rekrutierungsstrategie verpufft, wenn das Unternehmen selbst nicht attraktiv ist. Im Kampf um Talente ist eine positive und authentische Unternehmenskultur unumgänglich. Potenzielle Bewerber informieren sich heute umfassend, bevor sie sich bewerben. Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor bieten ungeschönte Einblicke in den Arbeitsalltag und werden zur Pflichtlektüre für Jobsuchende. Ein schlechter Ruf dort kann selbst das großzügigste Gehaltsangebot zunichte machen.

Employer Branding, das heißt der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke, ist daher unverzichtbar geworden. Es geht darum, die eigenen Stärken zu kennen und seine Kultur, seine Werte und Arbeitsweise authentisch nach außen zu tragen – auch Mitarbeitende können hierzu befragt werden.

Die Präsenz nach außen geschieht über Karrierewebseiten, die echte Einblicke gewähren, oder über Social-Media-Kanäle, auf denen Mitarbeitende als Botschafter auftreten und aus ihrem Alltag berichten. Die Glaubwürdigkeit steht und fällt mit der Echtheit.

Hochglanzbroschüren, die eine Realität versprechen, die nicht existiert, werden schnell entlarvt. Unternehmen müssen transparent machen, was sie bieten – sei es eine besondere Arbeitsatmosphäre, herausragende Entwicklungsmöglichkeiten oder eine überzeugende Vision. Nur so entsteht eine Anziehungskraft, die über das reine Jobangebot hinausgeht.

Flexibilität als Lockmittel: Das Ende der starren 40-Stunden-Woche

Was man auch wissen sollte: Die Erwartungen der Arbeitnehmenden haben sich verändert. Ein gutes Gehalt allein reicht oft nicht mehr aus, um Top-Talente zu überzeugen. Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor geworden. Flexible Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten oder eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sind keine exotischen Experimente mehr, sondern konkrete Angebote, mit denen Unternehmen punkten. Dies sollten Unternehmen auf dem Schirm haben.

Die Corona-Pandemie hat bewiesen, dass viele Tätigkeiten ortsunabhängig erfolgreich ausgeführt werden können. Unternehmen, die an einer strikten Präsenzkultur festhalten, schränken ihren potenziellen Bewerberkreis unnötig ein. Wer hingegen deutschland- oder sogar europaweit rekrutiert, weil der Arbeitsort flexibel ist, vervielfacht seine Chancen. Viele Betriebe scheuen sich allerdings vor dem bürokratischen Aufwand, der dies mit sich bringt. Hier besteht dringender Reformbedarf von Seiten der Politik.

Auch bei den Zusatzleistungen ist Kreativität gefragt. Statt des klassischen Dienstwagens, der für einen Mitarbeitenden in der Innenstadt vielleicht gar nicht attraktiv ist, kann ein Mobilitätsbudget, das für ÖPNV, Fahrradleasing oder Carsharing genutzt werden kann, die bessere Alternative sein. Angebote zur mentalen Gesundheit, Kinderbetreuungszuschüsse oder die Möglichkeit für ein Sabbatical sind weitere Bausteine, um ein Gesamtpaket zu schnüren, das auf die individuellen Lebensphasen und Bedürfnisse der Beschäftigten eingeht.

Gold in den eigenen Reihen: Das Potenzial der internen Personalentwicklung

Bei der fieberhaften Suche nach externen Talenten wird eine der wertvollsten Ressourcen oft übersehen: Die eigene Belegschaft. Die gezielte Weiterbildung und Förderung der eigenen Angestellten ist eine der nachhaltigsten Strategien gegen den Fachkräftemangel. Interne Rekrutierung ist kostengünstiger, schneller und birgt ein geringeres Risiko, da die Mitarbeitenden bereits mit der Unternehmenskultur vertraut sind.

Ein strategisches Programm zur Personalentwicklung identifiziert frühzeitig die Kompetenzen, die das Unternehmen in Zukunft benötigen wird, und baut diese gezielt bei den eigenen Beschäftigten auf. Dies kann durch Umschulungen (Reskilling) für gänzlich neue Aufgabenbereiche oder durch Weiterqualifizierungen (Upskilling) zur Vertiefung bestehender Fähigkeiten geschehen.

Solche Programme senden ein starkes Signal an die Belegschaft: Das Unternehmen investiert in seine Mitarbeitenden und bietet ihnen langfristige Perspektiven. Dies steigert nicht nur die Motivation und die Bindung, sondern schafft auch eine Kultur des lebenslangen Lernens. Anstatt eine fertige Fachkraft teuer einzukaufen, formt das Unternehmen sie selbst – ein Ansatz, der Loyalität schafft und Wissen im Haus hält.

  1. In sechs Schritten zur Arbeitgebermarke. IHK. Abgerufen am 28.07.2025.
  2. Zunehmender Fachkräftemangel und geringe internationale Rekrutierung. Bildungsspiegel. 29.10.2024.

Bildnachweis: istockphoto.com/AndreyPopov

Über den Autor

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Carolin Fischer Carolin Fischer ist Content-Managerin und Redakteurin bei onpulson.de. Sie ist spezialisiert auf die Themen "Personal", "Mittelstand" und "Karriere". Zuvor hat sie mehrere Jahre für die Süddeutsche Zeitung in München gearbeitet und ist heute noch u.a. im PR-Bereich tätig.
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