Berater sollten sich von selbsternannten „Berater-Gurus“ nicht bluffen lassen
Einblick ins Beratergeschäft

Berater sollten sich von selbsternannten „Berater-Gurus“ nicht bluffen lassen

Bernhard Kuntz
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Warum bin ich nicht so bekannt und erfolgreich wie der Berater x oder der Vortragsredner y? Das denken Berater, Trainer und Coaches oft, und merken dabei nicht, dass sie sich nur von der Selbstinszenierung ihrer angeblich so erfolgreichen Kollegen bluffen lassen.

Berater gibt es viele, aber wie viele Päpste gibt es? Richtig einen – zumindest in der katholischen Kirche. Anders ist es im Beratermarkt. Dort tummeln sich Dutzende von Päpsten. Für fast jedes Trainings- und Beratungsthema gibt es mindestens einen, auf dessen Stirn das Selbstklebe-Etikett „…-Papst“ prangt.

Wobei für diese Würdenträger gilt: Im Gegensatz zum katholischen Oberhirten haben sie sich alle selbst ernannt. Dasselbe gilt für die zahllosen „führenden Experten für …“, die als Berater, Trainer oder Vortragsredner ihr Brot verdienen. Auch bei ihnen weiß niemand: Wer schrieb ihnen das Attribut „führend“ zu? Ihre Großmutter? In der Regel waren sie es selbst.

Der Berater-Markt: auch ein Markt der Eitelkeiten

Der Beratermarkt ist auch ein Markt der Eitelkeiten – das wissen alle Insider. Ebenso, dass manche Berater im Lauf ihrer Berufsjahre ein sehr ausgeprägtes Ego entwickeln – ähnlich wie manch Lehrer, der Tag für Tag als Autoritätsperson vor seinen Schülern steht. Und weil diese Personen nur selten kritisches Feedback erhalten, denken sie irgendwann: „Ich bin der Größte“. Mit einem entsprechenden Habitus treten manche Berater auf, und entsprechend vermarkten sie sich.

Über dieses Sich-wichtig-tun könnte man lächeln und dies als Schrulle von Profil-Neurotikern abtun. Doch Vorsicht, das ist gefährlich! Denn ganz gleich – wie lächerlich solche Selbstattributionen wie „…-Papst“ oder „der weltweit führende Experte“ zuweilen wirken (und oft auch sind, wenn man die Biografien der Berater kennt), dahinter steckt meist eine Strategie, die darauf abzielt, Marktzutrittsschranken für Mitbewerber zu errichten. Entsprechend massiv sollten Berater gleich welcher Couleur gegen solche Versuche der Selbsterhöhung von Berufskollegen vorgehen – sobald sie diese registrieren.

Berater: Wehret den Anfängen, doch keine Panik

Angenommen ein Berater schreibt auf seiner Webseite, er sei „die Nr. 1 im Vertrieb“. Dann sollte der Mitbewerber ihn anrufen und bitten, diese Aussage von seiner Webseite zu entfernen. Und wenn das nichts fruchtet? Dann sollte er ihm per Anwalt eine Abmahnung schicken – wegen unlauteren Wettbewerbs. Denn wenn ein Berater von sich behauptet, er sei die Nummer 1 im Vertrieb, dann können seine Mitbewerber bestenfalls die Nummer 2 sein. Das heißt: abmahnen! Dasselbe gilt, wenn ein Berater behauptet, er sei „der führende Experte für …“. Abmahnen! Vergleichende Werbung ist zwar erlaubt, doch sie muss anhand von Zahlen, Daten und Fakten belegbar sein. Und das dürfte fast allen „führenden Experten“ schwer fallen.

Eine Grund zur Panik sind die lauten Mitbewerber-Töne jedoch nicht, denn überspitzt formuliert sind die meisten selbsternannten „führenden Experten“ Dünnbrettbohrer. Gerade weil ihnen ein echtes Expertenprofil fehlt und sie ihre angebliche Kompetenz biografisch nicht unterfüttern können, greifen sie oft zu solchen Selbstattributionen. Insofern sind sie auch ein Zeichen der Hilflosigkeit. Die echten Größen im Beratungsmarkt haben das nicht nötig.

Das wissen auch erfahrene Weiterbildungs- und Beratungseinkäufer. Ihnen ist zum Beispiel klar: Die meisten selbsternannten „Vertriebsgurus“ können Verkäufern maximal einige Tricks und Kniffe für den Arbeitsalltag beibringen – zum Beispiel, wie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie bei der Telefonakquise zum Geschäftsführer eines kleinen Mittelständlers durchgestellt werden. Doch einem Vertriebsleiter eines Investitionsgüterherstellers ist nach ein, zwei Minuten klar: Vom Projektverkauf im B-to-B-Bereich haben diese „Profis“ keine Ahnung. Mit solchen „Nussknacker-Aufgaben“ wollen sie sich in der Regel auch nicht befassen: Sie halten lieber Standard-Vorträge auf Butterfahrten für die Mitarbeiter von Strukturvertrieben.

Nicht jede Berater-Aussage für bare Münze nehmen

Trotzdem dienen die Lautsprecher der Szene Trainern und Beratern, Vortragsrednern und Coaches immer wieder als Vorbilder. Sie merken nicht, dass sie sich nur von deren Selbstvermarktungs-Fassade bluffen lassen. Verkündet zum Beispiel ein Berater, sein Tageshonorar betrage 10.000 Euro, oder ein Vortragsredner, er erhalte für das Halten seines Standardvortrags dieselbe Summe, dann nimmt dies manch Kollege für bare Münze. Dabei ist diese Aussage ein Teil ihrer Vermarktungsstrategie.

Wahr ist: Mindestens 95 Prozent der selbsternannten „Top-Speaker“, die durch Stadthallen touren, kann man für einen Bruchteil ihres offiziellen Tagessatzes buchen – Gründe, warum sie „ausnahmsweise mal“ von ihren normalen Sätzen abweichen, gibt es viele.

Ebenso gern verkünden die Berater-Idole, sie gäben keinen Cent für Werbung aus. Sie hätten dies aufgrund ihrer Marktposition nicht nötig; genug Aufträge bekämen sie auch so. Auch das glauben viele Kollegen. Doch auch hier sind Zweifel angesagt: Zwar stimmt es, dass diese Berater in der Regel keinen Cent für Anzeigen ausgeben. Trotzdem buttern sie Jahr für Jahr hohe fünf- oder gar sechsstellige Eurobeträge in ihr Marketing – für das Schreiben-lassen von Büchern und Artikeln, für das Drehen-lassen von Kurz-Videos für ihre Webseite und YouTube, für das Füttern-lassen der Social-Media-Kanäle, für das Sich-Vermarkten-lassen durch Redneragenturen und Seminarbroker. Von Nichts-kommt-nichts, das wissen gerade die Flaggschiffe in der Berater- und Speakerszene genau. Entsprechend tief greifen sie in der Regel in ihr Portemonnaie, um sich zu inszenieren und zu profilieren.

Bekanntheit nicht mit Erfolg gleichsetzen

„Wir wollen alle reich und sexy werden“, beschrieb Ex-Außenminister Joschka Fischer einmal seine Motivation. Dies gilt auch für viele Berater. Sie wollen irgendwann keine No-names mehr sein, die fast niemand kennt – selbst wenn sie finanziell ein gutes Auskommen haben. Sie wollen öffentliche Anerkennung. Ein verständlicher Wunsch, ein menschlicher Wunsch – und jeder kann darauf hinarbeiten, dass er Realität wird. Doch auf dem Weg dorthin sollte sich kein Berater vom Habitus derjenigen blenden lassen, die es angeblich bereits geschafft haben.

Und keinesfalls sollte er dem Trugschluss erliegen, Bekanntheit in der Beraterszene mit wirtschaftlichem Erfolg gleichzusetzen. Denn diese beiden Faktoren gehen oft nicht Hand in Hand. Davon könnte manch „Lichtgestalt“ in der Beraterszene ein Lied singen, tut es aus verständlichen Gründen aber nicht. Manch No-name, dessen Namen in der Beraterszene kaum jemand kennt, der aber bei seinen Zielkunden gut verankert ist, hat am Jahresende ein praller gefülltes Bankkonto als besagte „Erfolgstrainer“ oder „Top-Keynote-Speaker“.

Berater erhalten Aufträge von Kunden, nicht Kollegen

Denn Aufträge erhalten Trainer und Berater, Business-Coaches und Vortragsredner in der Regel immer noch von Unternehmen – und nicht von den Kollegen, die zu ihnen aufschauen und sie bewundern. Auch deshalb sind die Selbstdarsteller in der Beraterszene meist Einzelkämpfer (mit einer Teilzeitkraft als Assistentin) und nicht Inhaber größerer Beratungsunternehmen.

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Foto/Thumbnail: ©AllaSerebrina/Depositphotos.com

Über den Autor

Bernhard Kuntz

Bernhard Kuntz Bernhard Kuntz ist Inhaber der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unterstützt. Er ist Autor u.a. der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“.  www.die-profilberater.de  
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