Die 6 wichtigsten Zutaten für Selbstorganisation
New Work

Die 6 wichtigsten Zutaten für Selbstorganisation

Porträtfoto von Anne M. Schüller, Coach und Autorin
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In der Digitalökonomie überleben die Schnellen, die Anpassungsfähigen und die Innovativen - so zählt eine schrittweise zunehmende Selbstorganisation zu den probatesten Vorgehensweisen, um sich fit für die Zukunft zu machen.

In sich selbst organisierenden Einheiten arbeiten Mitarbeiter jenseits von Hierarchien autonom und eigenverantwortlich. Die Mitarbeiter sind hoch motiviert, weil sie Gestaltungsfreiheit erhalten, gemeinsame Siege erringen, sich weiterentwickeln und den Sinn ihrer Arbeit in einem Gesamtzusammenhang sehen – kurz: New Work.

Selbstorganisation ist oft eine Schattenkultur in Unternehmen

Hierzu braucht es ein Umfeld, das Vorschriften abbaut, auf Fehler smart reagiert, Vertrauen zulässt und Freiräume schafft. Leitplanken statt Handschellen, Empfehlungen statt Statuten und Mut zum Versuch sind die Devisen.

Selbstorganisation gibt es natürlich auch in klassischen Unternehmen, allerdings nur auf den Hinterbühnen. Solche Selbstorganisation entsteht autogen, das heißt von selbst, um all das vernünftig abzuwickeln, was eine offizielle Organisation mit ihren Vorschriftenbergen üblicherweise erschwert oder eigentlich unmöglich macht.

Die ausdrücklich gewollte Selbstorganisation holt dies aus der Schattenkultur auf die Vorderbühne und lässt es offiziell zu. Doch nicht allen Mitarbeitern wird der Sprung in die Selbstorganisation auf Anhieb gelingen. Ganz generell werden am besten Trittsteine gelegt, um ein sanftes Hineingleiten in die neue Gestaltungsfreiheit zu erleichtern. Denn man muss üben, um zu brillieren.

Auch Selbstorganisation braucht Rahmenbedingungen

Die Systemforschung weiß längst: In der Selbstorganisation entsteht aus einer Eigendynamik heraus Ordnung ebenso wie der Wunsch nach einem gemeinsamen guten Ergebnis. So sind Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, dass die Mitarbeiter ohne Kontrolle von Oben vollumfänglich selbst agieren und eigenverantwortlich zum Erfolg kommen können. Solche Strukturen beinhalten auch Verhaltensgrenzen, die wie die Umrandung eines Fußballplatzes den Rahmen des Zusammenspiels definieren.

In einem Fall wurde den Mitarbeitern freigestellt, über die Höhe ihres Budgets zur Weiterbildung völlig autonom zu entscheiden. Dieses Angebot wurde zunächst nur sehr verhalten in Anspruch genommen. Nachdem es dann Beispielbudgets pro Jahr und Mitarbeiter zusammen mit ein paar wenigen praktischen Regeln gab, wurde der Spielraum tatsächlich selbstbestimmt ausgeschöpft. Die Freiheit, über ein quasi unbeschränktes Budget verfügen zu können, hatte zunächst zu einer Verunsicherung geführt, die man zum Glück beseitigen konnte.

Anstupser, die in Richtung Selbstorganisation führen

Um in die richtige Richtung zu steuern, lassen sich jenseits von Direktiven auch smarte Anstupser setzen. Dieser Ansatz ist durch den Wirtschaftsnobelpreisträger Richard H. Thaler als Nudging bekannt geworden. Auch dazu ein Beispiel: Es gibt Unternehmen, da kostet das Erstellen und Kontrollieren von Reisekostenabrechnungen praktisch genauso viel wie die Reisen selbst. Wie geht man dagegen vor?

1. Reiserichtlinien zusammenstreichen. Sophia von Rundstedt, Geschäftsführerin des Outplacement-Anbieters von Rundstedt erzählt: „Früher waren das bei uns sieben Seiten und kein Mensch hat das verstanden. Übrig geblieben ist eine Seite.“

2. Ein paar wenige Leitlinien formulieren, wie etwa diese: Jeder tätigt ausschließlich sinnvolle Ausgaben.

3. Kontrolle streichen. Stattdessen die Reisekosten jedes Einzelnen transparent ins Intranet stellen. So kann jeder sehen, wer’s über- und untertreibt.

Das Kollektiv als Korrektiv funktioniert immer dann, wenn Transparenz gegeben ist. Anonymität, Geheimnistuerei, Misstrauensgehabe und Herrschaftswissen hingegen sorgen für eine vergiftete Unternehmenskultur mit all ihren bösen und teuren Folgen.

Die wesentlichen Zutaten für Selbstorganisation

Selbstmotivation, fortwährender Lernwille, hohe Freiheitsgrade, ein Höchstmaß an Flexibilität und umfangreiche Mitgestaltungsmöglichkeiten sind in der Selbstorganisation üblich. Statt auf Entscheidungen von Oben zu warten, berät man sich – das ist Pflicht – mit den Kollegen, entscheidet dann selbst und übernimmt auch die Verantwortung dafür.

Verantwortung bedeutet in diesem Zusammenhang, die Folgen sowohl für eigene Entscheidungen als auch für Gruppenhandlungen zu tragen und gegenüber einer Instanz dafür zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Diese Instanz kann eine externe Stelle (der Kunde, das Unternehmen) oder das innere Selbst sein. Sechs Zutaten werden benötigt, um Verantwortungsübernahmebereitschaft zu erlangen:

  • das notwendige Wissen,
  • das notwendige Können,
  • Regeln der Zusammenarbeit,
  • Spielraum zur Entfaltung,
  • Rückendeckung,
  • interne Fehlertoleranz.

Zudem müssen Feedback-Kompetenz und Konfliktbewältigungsstrategien antrainiert werden. Denn autonome Teams regeln alles unter sich. Da kann es auch schon mal Spannungen geben und sogar ganz schön krachen.

Der Unterschied zwischen Fremdbestimmung und Selbstorganisation

In der Selbstorganisation sind die Leistungen jedes Einzelnen transparent, sie werden im Team besprochen und vom Team auch eingefordert. Klar formulierte Absprachen und gemeinsam erstellte Regeln der Zusammenarbeit werden beispielsweise in einem Kulturbuch festgehalten. Werden diese missachtet, erzeugt das sozialen Druck und kollektive Ahndung.

Das Vorgehen einer Führungskraft bei Fremdbestimmung und Selbstorganisation lässt sich wie folgt deutlich machen:

  • „Baut eine Brücke über diesen Fluss! Macht das so und so!“, sagt die konventionelle Führungskraft dirigistisch.
  • „Wir müssen über diesen Fluss! Findet heraus, was die beste Möglichkeit ist und setzt diese gemeinsam um“, sagt der neue Leader ermunternd.

Hierbei sorgt die Führungskraft entlang von Leitplanken der Zusammenarbeit für die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel. Nur im Notfall greift sie direktiv ein. Ansonsten agiert sie als Moderator der Lösungsfindung, ist vor allem fördernd tätig und gibt Rückendeckung. So stürzt die Gruppe auch nicht ins Chaos.

Foto/Thumbnail: ©ArturVerkhovetskiy/Depositphotos.com

Über den Autor

Porträtfoto von Anne M. Schüller, Coach und Autorin

Anne M. Schüller Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk XING zum XING-Spitzenwriter 2018 gekürt und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Customer Touchpoint Manager aus.  www.anneschueller.com
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