So lassen sich multinationale Teams coachen
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So lassen sich multinationale Teams coachen

Ernesto Laraia
Am

Je internationaler ein Unternehmen agiert, umso größer ist sein Bedarf an grenzüberschreitenden Personalentwicklungsmaßnahmen, das heißt multinationale Teams coachen. Hiermit haben die meisten Personalabteilungen und Bildungsanbieter noch wenig Erfahrung.

In den vergangenen Jahren haben viele mittelständische Unternehmen ihre Auslandsaktivitäten verstärkt – aus unterschiedlichen Motiven. Verlagerten einige Betriebe Teile ihrer Produktion ins Ausland, um konkurrenzfähig zu bleiben, erwarben andere Unternehmen ausländische Firmen, um ihre Marktposition zu stärken. Und wieder andere gründeten mit ausländischen Partnern Joint-Ventures, um ein weltweites Vertriebssystem aufzubauen.

Je internationaler ein Unternehmen agiert, umso häufiger müssen seine Mitarbeiter mit Kollegen aus dem Ausland und im Ausland zusammenarbeiten. In vielen Betrieben ist dies bereits alltägliche Praxis. Denn: Wenn ein Unternehmen zum Beispiel außer in Deutschland auch über Produktionsstätten in Slowenien und Brasilien sowie über Niederlassungen in den USA und in China verfügt, dann müssen häufig auch Projekte realisiert werden, bei denen die Schreibtische der Beteiligten in verschiedenen Ländern stehen.

Zulieferer folgen ihren Kunden

Auch die Bedürfnisse der Kunden erfordern oft eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Angenommen ein Unternehmen beliefert Autohersteller mit Sensoren und diese arbeiten stets internationaler. Dann muss auch ihr Zulieferer international agieren. Nur so bleibt er ein attraktiver Partner.

Um dieses Ziel zu erreichen, genügt es nicht, weltweit Produktionsstätten und Niederlassungen zu eröffnen, denn die Unternehmen erwarten von ihren Zulieferern auch im Ausland den gewohnten Service. Deswegen müssen sie die hierfür nötige Kompetenz aufbauen. Das erfordert einen Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen den Mitarbeitern im In- und Ausland. Außerdem muss die Fähigkeit der Mitarbeiter zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entwickelt werden. Entsprechend steigt die Nachfrage nach inter- beziehungsweise multinationalen Personalentwicklungsmaßnahmen und Trainings, an denen Mitarbeiter aus mehreren Ländern teilnehmen – das heißt multinationale Teams müssen gebildet werden.

Mehr „grenzüberschreitende“ Qualifizierungsmaßnahmen

Folglich werden auch die Bildungs- und Beratungsanbieter häufiger mit Anfragen konfrontiert wie: Können Sie auch unsere Mitarbeiter in Spanien und Indien trainieren? Beschäftigten Sie auch Trainer, die multinationale Teams trainieren können? Für solche Kundenanforderungen sind noch wenige Bildungsanbieter gewappnet – unter anderem weil man beim Versuch, einen solchen Mitarbeiterpool aufzubauen, schnell registriert: In Deutschland gibt es recht wenige Trainer, die multinationale Teams trainieren können. Denn: Solche Trainings stellen an Trainer höhere Anforderungen als die Arbeit mit rein deutschen Teams. Wenn ein Trainer mit Teilnehmern aus mehreren Ländern arbeitet, dann muss er nicht nur fachlich fit sein. Er benötigt noch weitere Fähigkeiten. Er muss zum Beispiel die Mittlersprache beherrschen, in der die Gruppe kommuniziert. Meist ist dies Englisch.

Oft sind die Fremdsprachenkenntnisse deutscher Trainer aber schlechter als die ihrer Kunden. Denn für viele Führungskräfte sowie Projektmanager multinational agierender Unternehmen ist es heute bereits Alltag, mit ausländischen Kollegen zu kommunizieren und sei es nur per E-Mail und Telefon. Für sie ist es auch selbstverständlich, dass bei Meetings, an denen Ausländer teilnehmen, Englisch gesprochen wird. Trainer sind in solche Arbeitszusammenhänge selten eingebunden. Dasselbe gilt für die meisten Unternehmensberater.

„Intercultural Awareness“ ist nötig

Manch Trainer erwidert zwar auf die Frage, ob er auch in englischer oder französischer Sprache trainieren könne: „Das habe ich zwar noch nie getan. Ich traue mir das aber zu.“ Wirklich multinationale Teams trainieren, das können die Betreffenden aber selten. Denn für das reine Vermitteln von Fach- und Produktwissen genügt es zwar meist, wenn sich ein Trainer während seiner Schulzeit und auf Reisen fundierte Fremdsprachenkenntnisse angeeignet hat. Doch wenn es um das Anwenden des Produktwissens geht, ist mehr Kompetenz gefragt. Denn dann werden auch Einstellungs- und Verhaltensfragen angesprochen und um diese zu bearbeiten, benötigen Trainer eine „Intercultural Awareness“.

Unter diesem Begriff fassen Experten ein Bündel von Fähigkeiten zusammen. Hierzu zählt das Bewusstsein, dass Personen aus verschiedenen Kulturkreisen in denselben Situationen unterschiedliche Verhaltensmuster zeigen. Dieses Wissen haben noch relativ viele Trainer. Weit weniger ausgeprägt ist aber das Bewusstsein, dass diese Verhaltensmuster Ausdruck von Einstellungen und Werthaltungen sind, die für die Gesellschaft, in der die Person lebt, konstituierend sind. Welche Einstellungen und Werthaltungen dies sind, erfahren Fremde oft erst, wenn sie in die betreffende Kultur eintauchen und mit deren Mitgliedern zusammen leben und arbeiten.

Die für das Trainieren multinationaler Teams erforderliche Kompetenz kann ein Trainer nicht am Schreibtisch erwerben. Hierfür muss er einige Zeit im Ausland gelebt und gearbeitet haben. Ansonsten nimmt er die Unterschiede im Verhalten zwar wahr, er kann sie aber nicht interpretieren. Deshalb fällt es ihm in multinationalen Trainings zum Beispiel schwer, mit den Teilnehmern zu analysieren, warum bei der Zusammenarbeit die Kommunikation nicht funktioniert – auch weil der Trainer die kulturellen Wurzeln seines eigenen Verhaltens nicht kennt. Deshalb kann er auch das Verhalten von Personen mit einem anderen kulturellen Background nicht angemessen interpretieren.

Personalabteilungen agieren meist noch national

Diese Kompetenz fehlt auch den Personalentwicklungsabteilungen vieler deutscher Unternehmen. Ihre „multikulturelle Kompetenz“ ist oft geringer ausgeprägt als die der Fachabteilungen. Denn im Gegensatz zu ihren Kollegen in den Marketing-, Einkaufs- und Forschungsabteilungen sind die firmeninternen Personalentwickler nicht gezwungen, Tag für Tag mit ausländischen Kollegen oder Lieferanten zu kommunizieren. Ihnen fehlen solche Arbeitszusammenhänge, weil die Personalarbeit, sogar in vielen Konzernen noch weitgehend national strukturiert ist. Entsprechend vorsichtig nähern sich die Personaler meist dem Thema internationale oder multinationale Personalentwicklung. Zu Recht – denn die „deutsche“ Führungskultur eines Unternehmens kann man nicht eins zu eins auf die ausländischen Töchter übertragen, weil sie viele kulturell bedingte Elemente enthält. Dies beginnt bei der Personalführung, setzt sich bei der Zusammenarbeit fort und endet damit, wie Mitarbeiter für (nicht) erbrachte Leistungen gelobt und getadelt werden. Deshalb muss jedes Personalentwicklungskonzept eine nationale Interpretation erfahren – selbst wenn seine Grundmaximen grenzüberschreitend gelten.

Über den Autor

Ernesto Laraia

Ernesto Laraia Ernesto Laraia ist Direktor des Bereichs "Internationale Personalentwicklung" bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Er lehrt am Karlsruher Institute of Technology (KIT) Interkulturelles Projekt Management.
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