Digitalisierung im Recruiting: Ersetzen Chatbots ein Bewerbungsgespräch?
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Digitalisierung im Recruiting: Ersetzen Chatbots ein Bewerbungsgespräch?

Claudio Catrini
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Der digitale Fortschritt macht vor keiner Nische unseres Lebens halt. Viele Unternehmen versuchen die neuen Möglichkeiten der Technik so einzusetzen, dass der ideale Bewerber völlig automatisiert gefunden wird: die vorherrschende Meinung der Benutzer ist, dass Künstliche Intelligenz, Chatbots oder Big-Data für eine höhere Trefferquote bei der Mitarbeiterauswahl sorgen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird im folgenden Artikel erörtert.

Recruitingsdigitalisierung u.a. per Chatbots sind die Zukunft?

Unternehmen suchen passende Mitarbeiter und arbeitssuchende Menschen suchen zu ihnen passende Unternehmen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde dieser Prozess vor allem durch Zufall bestimmt.

Ein Arbeitssuchender hat eine Stelle über die Zeitung gesucht und – voilá – das suchende Unternehmen hat die vakante Stelle inseriert. Oder der Arbeitssuchende hat von seinem Freund erfahren, dass in der Firma XY eine Stelle frei geworden ist, auf die man sich bewerben kann. So oder so ähnlich haben Sie selbst vielleicht Ihren Job gefunden.

Heutzutage kann man als Unternehmen viel gezielter nach Arbeitskräften suchen und zu ihnen eine Beziehung aufbauen. Die entsprechende Zielgruppe kann viel leichter von den Unternehmen anvisiert werden. Wenn in Zeitungen inseriert wird, dann ergeben sich riesige Streuverluste und Kosten fallen an. Wenn eine digitale Werbung auf den Sozialen Medien geschaltet wird, dann sehen diese nur die Menschen, die sich auch tatsächlich dafür interessieren. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Unternehmen bekommen immer bessere Daten über Bewerber

Viele Unternehmen sind bereits diesen Weg gegangen. Sie bauen digital Beziehungen zu Kunden und zukünftigen Mitarbeitern auf. Was ist nun neu? Neu ist vor allem, dass der Mitarbeiter immer später in diesen Prozess einsteigt, sofern er überhaupt einsteigt. Durch die Rückverfolgung und die Analyse der Besucher der Unternehmensseiten kann ein hervorragender Zielavatar für alle Positionen im Unternehmen erstellt werden.

Mit der Zeit erhält das Unternehmen immer bessere Daten darüber, wer sich für das Unternehmen in welcher Form interessiert. Mit diesen kann das Unternehmen eine immer intensivere Beziehung aufbauen, ohne dass vielleicht eine Stelle zu vergeben ist. Doch wenn es eine zu besetzende Stelle gibt, dann ist relativ schnell klar, auf welche Personen zurückgegriffen werden kann.

Und jetzt kommt der Clou: All das geschieht völlig automatisch, ohne dass von Unternehmensseite her jemand involviert war. Das Unternehmen schafft sich ein Reservoir von zukünftigen Mitarbeitern, ohne großen Aufwand von Zeit, Energie und Geld.

Chatbots leisten für Personaler effiziente Vorarbeit

Im Grunde hat es das schon alles gegeben. Doch seit kurzer Zeit hat sich die Qualität dieser Prozesse massiv verbessert. Chatbots machen es nun auf einem völlig neuen Level möglich, eine persönliche Beziehung zu zukünftigen Mitarbeitern aufzubauen, ohne dass Unternehmensmitarbeiter involviert sein müssen.

Wenn sich dann tatsächlich jemand um eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, können klassische Bewerbungsfragen, wie die folgenden, von Chatbots abgearbeitet werden:

  • Was sind Ihre Stärken/Schwächen?
  • Haben Sie Berufserfahrung in diesem Bereich?
  • Welche Referenzen können Sie vorweisen?
  • Was möchten Sie verdienen?

Chatbots schaffen nun die Basis für die weitere Vorgehensweise. Wird der Bewerber nun eingeladen, oder passt er nicht in das vorgegebene Profil? Vielleicht passt er aber auf ein anderes Profil.

Dies ist sowohl für den Bewerber angenehm, weil er an diesem Punkt nicht vergebens zu einem Vorstellungstermin reisen muss, aber auch für das Unternehmen, da die Selektion für die Stelle keinerlei Ressourcen bindet. Erst, wenn die Basisanforderungen erhoben und erfüllt sind, kommt es zu einem Termin.

Nachteile dieser Vorgehensweise

Natürlich ist auch hier nicht alles Eitel Sonnenschein. Es besteht nämlich die Gefahr, dass Chatbots falsch oder schlecht programmiert sind. Dann werden Kunden oder potenzielle Mitarbeiter vergrämt und nicht angezogen. Je nachdem, wann dieser Fehler behoben wird, kann dies ärgerliche Konsequenzen in nicht unerheblichem Ausmaß zur Folge haben. In der Praxis ist dies jedoch derzeit relativ selten der Fall.

Ein weiterer Nachteil ist, dass Chatbots noch nicht den ganzen Bewerbungsprozess bis zur Einstellung übernehmen können. Wobei dies auch nicht ganz korrekt ist. Für manche Tätigkeiten, je nach Komplexität, könnten Chatbots schon den gesamten Prozess, bis hin zur Einstellung, abbilden. Je komplexer die Tätigkeiten werden und je mehr Social-Skills gefragt sind, desto eher werden noch Menschen zur tatsächlichen Beurteilung notwendig sein. Je weiter jedoch die Technik schreitet, desto eher können auch solche komplexen Prozesse von einer Künstlichen Intelligenz abgewickelt werden.

Auf Win-Win-Situation zusteuern

Insgesamt kann man festhalten, dass der Einsatz digitaler Tools im Recruitingprozess eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstellt. Das Unternehmen spart Geld, Zeit und Ressourcen durch die optimierte Ansprache potentieller Kandidaten. Gleichzeitig ergeben sich durch diese verbesserte Ansprache höhere Trefferquoten. Mitarbeiter müssen sich nicht mehr mit unpassenden oder unqualifizierten Bewerbern abgeben und können ihre Zeit sinnvoller und produktiver einsetzen.

Für die Bewerber ergeben sich auch Vorteile. Sie brauchen keine aufwändigen und teuren Reisen auf sich nehmen und wissen sehr schnell, woran sie sind. Wenn sie diese automatisierten “Hürden” übersprungen haben und tatsächlich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden, dann ist die Chance bereits sehr groß, auch eingestellt zu werden. Das zeitnahe Feedback ermöglicht es Bewerbern eventuell schnell zu reagieren und sich bei anderen Firmen zu bewerben. Auch an dieser Stelle wird Zeit gespart. Gleichzeitig erhalten Bewerber ungeschöntes Feedback, was ihre Qualifizierung betrifft, sodass sie eventuell auch in diesem Bereich Aktionen setzen und eventuelle Ausbildungen nachholen können.

Fazit

Chatbots, Künstliche Intelligenz und Big Data werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Ressourcen aller Beteiligten geschont werden. Derzeit befindet sich die Entwicklung dieser Tools noch in den Kinderschuhen, weil es keine Möglichkeit gibt, die soziale Kompetenz zukünftiger Mitarbeiter automatisiert und ohne Beisein eines Menschen, befriedigend zu beurteilen.

Unter den Deckmantel der sozialen Fähigkeiten fallen Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit und dergleichen, die mitentscheiden, ob der Mitarbeiter die ideale Besetzung für die Stelle ist oder nicht.

Foto/Thumbnail: ©wutwhan/Depositphotos.com

Über den Autor

Claudio Catrini

Claudio Catrini Claudio Catrini ist Verhandlungsexperte und TOP 10 Trainer. Er hat durch über 20 Jahre Verhaltensstudien am Menschen gelernt, wie wichtig es für eine gewinnbringende Kommunikation ist, die Eigenschaft des Rechthabens zu minimieren und seine eigene Art der Kommunikation an die Persönlichkeitsstruktur des Gegenübers anzupassen. www.claudio-catrini.de
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