Das Phänomen Ghosting bei der Besetzung von Führungspositionen
Personalrecruiting

Das Phänomen Ghosting bei der Besetzung von Führungspositionen

Porträtfoto Daniell Kuchenbaur von norecu
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Entstanden in der Online-Dating-Welt ist das sogenannte „Ghosting“ seit einiger Zeit auch im Berufsleben angekommen. Die aktuelle Situation scheint dieses Phänomen auch im Recruiting weiter zu verstärken. Beratungen als auch Unternehmen erleben Kandidaten, selbst auf Executive Level, die „ghosten“. Darunter versteht man, dass ein Bewerber im Einstellungsprozess einfach verschwindet, ohne zu kommunizieren.

Was bedeutet Ghosting im Recruiting-Prozess?

Der Begriff „Ghosting“ wird verwendet, um eine Situation zu beschreiben, in der jemand plötzlich verschwindet und sich in fortgeschrittenen Phasen des Einstellungsprozesses komplett verweigert oder aufhört zu kommunizieren. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 des Online Jobportal Indeed wurden über 80% der befragten Unternehmen in unterschiedlichster Weise von einem Bewerber „geghostet“. Sie brechen nach Gesprächen oder mit Einstellungszusage den Kontakt zum Unternehmen ab und sind nicht mehr zu erreichen. Andere erscheinen nicht am ersten Arbeitstag. Glaubt man Ghosting nur bei Auszubildenden und Berufseinsteigern zu finden, betrifft es doch alle Altersgruppen und Karrierestufen.

Doch warum verschwinden Kandidaten immer wieder?

Ghostet ein potenzieller Chief Financial Officer (CFO) oder ein Geschäftsbereichsleiter, kann man das nicht mit fehlender Erfahrung oder jugendlicher Unbedarftheit erklären. Es passiert nicht oft, aber wir hören von Mandanten immer wieder, dass jemand mitten im Prozess verschwindet. So durchlaufen Führungskräfte durchaus umfangreiche Einstellungsprozesse, erhalten Angebote und melden sich darauf wochenlang oder gar nicht mehr zurück.

In der Vergangenheit war das Ghosting ein Phänomen, welches eher von Seiten des Arbeitgebers ausging. Hier ist es immer wieder vorgekommen, dass Personalentscheider die Kandidaten über den Stand ihrer Bewerbung nicht informierten oder ihnen eine Absage ohne weitere Begründung erteilten.

Die Zeiten haben sich allerdings geändert. Unternehmen suchen händeringend nach qualifizierten Kandidaten. Diese wissen um ihre Einzigartigkeit und testen oft nur – in ihren Augen unverbindlich – ihre Chancen am Arbeitsmarkt aus. Sie sind in gut bezahlten und spannenden Positionen beschäftigt und verspüren in der Regel keinen Druck auf einen Arbeitgeberwechsel. Oder sie können sich zwischen verschiedenen spannenden Positionen entscheiden. Wird es dann konkreter oder bekommen sie gar ein Angebot, kommen einige Kandidaten aus dieser Situation scheinbar nicht so leicht wieder heraus.

Einige der Bewerber sind für eine Absage schlicht zu bequem, andere bringen nicht den notwendigen Mut auf, die Stelle abzulehnen. Somit erscheint Untertauchen und „Ghosten“ als einfachste Lösung. Die verstärkte Digitalisierung der Prozesse durch die Corona-Pandemie scheint diesen Trend nun noch zu verstärken. Die digitalen Kanäle vereinfachen eine Kontaktaufnahme zwischen Unternehmen und Kandidaten enorm, aber sie erleichtern eben auch einen Abbruch.

Wie wird die Gefahr von Ghosting reduziert?

1. Personalisieren Sie den Bewerbungsprozess

Kandidaten möchten als individuelle Personen behandelt werden. Standardmails helfen hier nicht. Die Kandidaten müssen spüren, dass die Kommunikation nicht automatisiert stattfindet. Eine persönliche Interaktion im Bewerbungsprozess ist unerlässlich, daher ist es hilfreich, den Kandidaten die Möglichkeit zu geben, mit Vorgesetzten und auch Mitarbeitern persönlich zu sprechen. Hierfür können kurze Zoom-Meetings organisiert werden, bei denen die Mitarbeiter und Bewerber sich gegenseitig kennenlernen. So merkt man direkt, ob der potenzielle Kandidat in das bereits bestehende Team passt.

2. Bleiben Sie im Gespräch

Kontinuierliche Kommunikation über den gesamten Einstellungsprozess lässt Unternehmen wertvoll bleiben und baut Vertrauen auf. Tipp: Senden Sie dem Kandidaten eine persönliche Nachricht in Form einer Teamvorstellung, eines Videos aus dem Arbeitsalltag oder den besten Orten für die Mittagspause. Das macht Unternehmen greifbarer und wahrscheinlicher, dass die Kandidaten sich revanchieren.

3. Optimieren Sie die Einstellungsprozesse

Für ein gelungenen Bewerbungsprozess lohnt es sich, Prozesse zu straffen und zu optimieren. Schauen Sie sich Beispiele an, bei denen die Kandidaten verschwunden sind. Ermittelt man den Zeitpunkt des Ghostings im Einstellungsprozess, ist es leichter, eventuelle Lücken zu schließen und dem Phänomen entgegenzuwirken.

4. Karriereziele, Werte und Gestaltungsmöglichkeiten als Entscheidungsgrundlage

Entscheidungen werden immer auf beiden Seiten gefällt. Deshalb ist es als Arbeitgeber wichtig, nicht nur die eigenen Unternehmensziele zu präsentieren, sondern auch vorzustellen, was das Unternehmen für den Kandidaten bietet. Zeigen Sie auf, für welche Werte Sie als Unternehmen stehen und welche Perspektiven sowie Möglichkeiten an der Gestaltung von Unternehmen und der Strategie offeriert werden können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, das Unternehmen ihre Kandidaten respektieren und zu jedem Zeitpunkt des Bewerbungsprozess abholen sollten. Eine persönliche und vertrauensvolle Kommunikation auf beiden Seiten sorgt für einen angenehmen Einstellungsprozess und lässt das Ghosting vermeiden.

Foto/Thumbnail: ©istockphoto/Imagvixen

Über den Autor

Porträtfoto Daniell Kuchenbaur von norecu

Daniell A. Kuchenbaur Daniell A. Kuchenbaur ist Berater der Norecu Executive Search GmbH, einer branchenübergreifende, national und international agierende Personalberatung mit Hauptsitz in München und Niederlassungen in Düsseldorf und der Schweiz. Er ist für den Bereich Finance, Accounting und IT zuständig. Seine berufliche Laufbahn begann er in der Versicherungswirtschaft. Sein Fokus liegt heute auf der Besetzung von Führungspositionen im mittleren und oberen Management bei Mittelständlern und Konzern. norecu.de
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