Perfektionismus: Fluch oder Segen für ein Team?
Teamführung

Perfektionismus: Fluch oder Segen für ein Team?

Britta Balogh-Coach
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Wer perfektionistische Ansprüche an seine tägliche Arbeit in einem Unternehmen stellt, kann auf die Dauer schneller ein Burn-out erleiden. Auch kann Perfektionismus in einem Team für die Führungskraft und die anderen Teammitglieder ein Desaster sein. Wie gehen Sie in einer Abteilung am besten mit dem Perfektionismus Ihres Kollegen um?

Wirkung des Perfektionismus

Menschen mit einem funktionalen Perfektionismus geben ihr Bestes und sind an hohen Leistungen orientiert. Sollten sie das Ziel verfehlen, wirkt sich dies nicht zerstörerisch aus. Die Personen bleiben positiv und optimistisch.

Der dysfunktionale Perfektionismus hingegen birgt einige Risiken. Hier unterliegen Personen dem Drang nach Höchstleistung und Anerkennung. Oftmals überschreiten sie in ihren Bemühungen nach Wertschätzung und Ansehen ihre Grenzen. Versagensängste treten zutage und befeuern den Perfektionismus.

Perfektion kann folglich auch zerstörerisch wirken. Grund dafür kann z.B. der persönliche Antreiber sein mit der Nachricht: „Du bist nicht gut genug, mach es besser, mach es perfekt.“ Wenn es der Führungskraft in einem persönlichen Gespräch möglich ist, dies zu erkennen, kann sie dem entgegenwirken. Denn mit dem Verständnis, dass der/die Getriebene großen Druck verspürt, dem eigenen Anspruch gerecht werden zu müssen und dem hohen Bedürfnis nach Anerkennung, kann sie personengerecht darauf eingehen.

Das bedeutet nicht dem Bedürfnis nachzugeben, sondern vielmehr Hilfestellung zum Druckabbau zu geben, Erschöpfungszustände, Depression, Burn-out, Ängste und Zwänge entgegenzuwirken und zu verdeutlichen, was der Perfektionismus für das Team bedeutet. Denn zwanghafter Perfektionismus bremst ein Team aus und kostet die Führungskraft enorm viel Zeit und Kraft. Damit nicht genug – viele Unternehmen erwarten, dass Abläufe und Strukturen immer weiter perfektioniert werden.

Perfektionismus wird laut Forschungsstudie zum Problem von Unternehmen

Proudfoot, ein amerikanisches Consulting-Unternehmen, hat herausgefunden, was es Unternehmen kostet, die eigenen Arbeitsstrukturen möglichst zu perfektionieren.

Für Deutschland bedeutet dies: Für jedes Unternehmen gehen pro Jahr und Mitarbeiter 26 Arbeitstage verloren. Redundanzen, das heißt unnötige Doppelarbeiten und häufige Wartezeiten sind hier die signifikantesten Störgrößen. In Summe verbrennen deutsche Unternehmen Jahr für Jahr somit satte 135 Milliarden Euro. Alles in allem ist der Hang zur Übergenauigkeit eine hochtourig laufende Geldvernichtungsmaschine, die zig Milliarden Euro verbrennt.

Das Problem für Teams

Ein erfolgreiches Team lebt von der verzahnten Zusammenarbeit, einem gemeinsamen Ziel, mit Deadlines. Haben Sie nun ein Teammitglied, was perfektionistisch arbeitet, hält diese Person den ganzen Betrieb auf. Es mag sein, dass das Ergebnis von großem Wert für das Gesamtergebnis ist – was den Idealfall darstellt. Dennoch zwingt der Perfektionist die anderen Teammitglieder in die Warteschleife. Das ist höchst unbefriedigend für die betroffenen Kollegen und führt zu Unmut. Darüber hinaus müssen diese, im Fall einer Überforderung oder gar des Ausbrennens des Perfektionisten den Ausfall auffangen.

Es ist daher in jeder Hinsicht eine Gratwanderung für ein Team und eine anspruchsvolle Führungsaufgabe. Anders ist es für eine:n Einzelkämpfer. Sofern er/sie sich den Zeitaufwand für ein herausragendes Ergebnis leisten kann, ist dem nichts entgegenzuhalten. Dennoch sollte in beiden Fällen regelmäßig eine Analyse des Kosten-Nutzen-Aufwandes stattfinden und das Pareto Prinzip in Erinnerung gerufen werden.

Aufgabe der Führungskraft sollte sein, die Ressourcen des Teams und die flüssigen Abläufe zu schützen und zu verhindern, über Perfektionismus auszubrennen. Das Pareto-Prinzip ist hilfreich, um zu verdeutlichen, warum wir nicht zwingend perfekt, dafür effektiv sein sollten. Wir kennen das Prinzip auch unter der „80/20-Regel“, die besagt, dass wir in 20% unserer Zeit 80% einer jeden Aufgabe lösen können. Folgen wir dem, schließt es Perfektionismus aus. Reichen nicht auch 80% der Perfektion aus, um erfolgreich und zufrieden zu sein?

Für Teammitglieder, die diesem Prinzip eher folgen können, ist es kein Problem sich daran zu orientieren. Für die Perfektionisten  ist es ein großes Problem. Sie können den Schalter nicht einfach umlegen, denn das Ergebnis ist für sie die pure Erfüllung. Sie blicken am Ende ihrer Anstrengung auf das vollkommene Ergebnis und empfinden eine tiefe Befriedigung und Stolz. Keiner möchte diese  Grundbedürfnisse missen.

Verständnis für Perfektionisten

Die Führungskraft sollte verstehen, dass für Perfektionisten eine nicht ausreichende Leistung eine Bedrohung darstellt und diese wird im Gehirn als Erfahrung abgespeichert. Erfahrung und Sicherheit sind evolutionäre Grundwerte, weshalb es so schwierig ist, sie durch neue Muster und Erfahrungen zu ersetzen. Das braucht Zeit.

Entsteht für das Team Zeitdruck, greifen die Betroffenen auf bewährte Verhaltensmuster zurück. Für die einen bedeutet das: „Arbeite schneller und länger“. Für den Perfektionisten hingegen: „Sei noch perfekter“. Von außen logisch-rational betrachtet wird schnell klar: Das kann nicht funktionieren. Für den  Perfektionisten geht die Spirale regelrecht abwärts: Wenig Zeit – mehr Perfektion, verbraucht noch mehr Zeit, ergibt noch mehr Zeitdruck und noch mehr Stress, was leicht zu einem Breakdown führen kann. Die Personen sind in ihren Gehirnstrukturen gefangen und brauchen Zeit und Energie, sich daraus zu befreien.

Die Führungskraft sollte einerseits verstehen, dass es schlicht unmöglich ist, von jetzt auf gleich einen Schalter umzulegen. Andererseits sollte sie den Prozess so gut wie möglich unterstützen, bzw. durch Coaches begleiten lassen, denn für den Perfektionisten besteht die Chance auf ein stressfreieres, zufriedenes, weniger getriebenes, erfolgreiches (Arbeits-) Leben und für das Team und das Unternehmen weniger Ausfall und Verlust.

Wie können Sie Perfektionisten führen?

Regen Sie an, gemeinsam oder allein in die Selbstanalyse zu gehen die Verhaltensmuster warhzunehmen und sie zu notieren. Das Gehirn hat es viel leichter, sich neue Verhaltensweisen zu merken, wenn diese vorher verschriftlich wurden.

  • Schenken Sie viel ehrlich gemeinte Anerkennung und Wertschätzung.
  • Im nächsten Schritt können Sie die Sorge äußern, dass die Gefahrt besteht über kurz oder lang auszubrennen und sie dem entgegenwirken möchten und müssen. Unterbrechen Sie jedoch nicht abrupt und schroff den Arbeitsflow, denn dann fühlt sich der-/diejenige kritisiert und verletzt.
  • Erklären Sie das Pareto-Prinzip und gehen Sie mit dem Teammitglied in den Perspektivwechsel. Häufig können sich Perfektionisten nicht vorstellen, dass andere wenig Zeit und/oder zu wenig Fachwissen haben, um die umfangreiche Ausarbeitung lesen und schätzen zu können. Und ganz wichtig: Machen Sie deutlich, dass Sie, die Teammitglieder und die Empfänger der Arbeit mit einem 90-prozentigen Ergebnis 100 Prozent zufrieden sind. Unterstreichen Sie immer wieder die Wertschätzung an der geleisteten Arbeit.
  • Führen Sie Ihre Perfektionisten eng und seien Sie konkret in Ihren Vorgaben, z.B.: Max. 5 Seiten, keine 50. Das ist für Ihr Teammitglied extrem schwierig und das sollte Ihnen klar sein.
  • Bleiben Sie dran. Sie befinden sich mit Ihren Perfektionisten in einem eher langwierigen Prozess. Geben Sie immer wieder Feedback und Anerkennung.
  • Erklären Sie immer wieder, dass Fehler Chancen des Lernens sind. Fehler dürfen sein und sind eine Bereicherung! Mit diesem Verständnis wird es dem/der Betroffenen einfacher, vom Perfektionismus abzurücken.

Fazit: Perfektionismus positiv nutzen

Perfektionismus kann etwas sehr Erfüllendes und Erhabenes sein. Er kann jedoch auch zerstörerisch wirken, die Betreffenden ausbrennen, das Team ausbremsen, Sie als Führungskraft überfordern und hohe Kosten produzieren. Sie sind umfänglich gefordert und sollten stetig am Ball bleiben. Möchte Sie ernsthaft eine Änderung im Team herbeiführen, Ihrem Perfektionisten behilflich sein und gemeinsam grandiose Ergebnis feiern, dann lohnt es sich, den Veränderungsprozess zu beginnen.

Bild: istockphoto.com/AntonioGuillem

Über den Autor

Britta Balogh-Coach

Britta Balogh Britta Balogh ist seit über 22 Jahren selbstständig. Als Karrierecoach, Trainerin und Autorin unterstützt, begleitet und entwickelt sie Führungskräfte und Teams auf ihrem Berufsweg. Sie ist als Top-Coach gelistet. In Ihren Coachings und Artikeln behandelt sie Themen wie Führung, Kommunikation, Konflikte, Soft Skills und die Business Etikette In ihren Blogbeiträgen untersucht sie diese Themen und gibt Hinweise für Führungskräfte und Personalentwickler. www.balogh-coaching.de
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