Warum Purpose für KMU unverzichtbar ist
Kein Greenwashing

Warum Purpose für KMU unverzichtbar ist

Porträtfoto von Carina Hauswald, Managing Partner bei Globeone
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Immer mehr Unternehmen positionieren sich öffentlich mit einem Unternehmenszweck, der das Gemeinwohl berücksichtigt. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leben einen Purpose zwar oft bereits seit Generationen, kommunizieren ihn aber häufig kaum. Warum sie das ändern sollten und welche Vorteile sie davon haben.

Die unumgängliche Transformation in eine nachhaltige Zukunft stellt viele Organisationen derzeit vor große Aufgaben. Zusätzlicher Druck kommt durch globale Krisen wie den Krieg in der Ukraine, gestiegene Energiekosten, eine immer kritischere Öffentlichkeit, eine nach wie vor hohe Inflation und den wachsenden Fachkräftemangel. Angesichts der vielen Herausforderungen sind Unternehmen stärker als je zuvor gefragt, ihren positiven Beitrag zur Gesellschaft aufzuzeigen und zu leben. Denn Unternehmen mit einem klar kommunizierten Purpose haben das Potenzial, schwierige Transformationsprozesse besser zu meistern, überdurchschnittlich zu wachsen und innovativer sowie produktiver als der Wettbewerb zu agieren – das zeigen diverse Studien, Marktbeobachtungen und Erfahrungen aus vielen Purpose-Projekten.

Doch einen gesellschaftlich relevanten Zweck glaubhaft zu leben, das gelingt längst nicht jedem Unternehmen, wie mediale Berichterstattungen über „verantwortungslose“ Konzerne und zunehmende Klagen von Umweltorganisation und Verbraucherschützern gegen vermeintliches „Greenwashing“ mancher Unternehmen zeigen. Ein Unternehmen ist nach gängiger Definition gut gerüstet für einen glaubwürdigen Purpose, wenn es als ehrlich, authentisch, verantwortungsvoll, nachhaltig und zukunftsfähig gilt. Nur dann kann es überzeugend alle Interessensgruppen auf der sachlichen und emotionalen Ebene ansprechen und seinen Purpose unzweifelhaft vermitteln: Es ist „Purpose ready“.

Wer überzeugte mit Purpose?

Welche Unternehmen aus Sicht der Öffentlichkeit „Purpose ready“ sind, zeigt der regelmäßig aufgelegte Purpose Readiness Index (PRI) von Globeone. Für die Ende 2022 erstellte Auflage sind rund 4.300 Konsumenten über ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut befragt worden, ob aus ihrer Sicht mehr als 130 überwiegend deutsche Unternehmen und Institutionen authentisch für einen gesellschaftlich relevanten Daseinszweck stehen. Das Ergebnis: Nur knapp einem Zehntel der untersuchten Unternehmen und Institutionen gelang es zum Zeitpunkt der Studie, voll und ganz mit einem glaubwürdigen Sinn zu überzeugen – allen voran dm, Deutsches Rotes Kreuz und Rossmann. Diese Organisationen können Themen wie Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit erfolgreich gegenüber Mitarbeitern, Konsumenten und der kritischen Öffentlichkeit kommunizieren.

Insgesamt sind nur knapp ein Zehntel der branchenübergreifend für den Purpose Readiness Index (PRI) untersuchten Marken auf höchstem Niveau „Purpose ready“.

Traditionskonzerne und Einzelhändler überzeugen mit Purpose

Neben den drei Top-Kandidaten schneiden im Purpose Readiness Index (PRI) vor allem starke Endverbrauchermarken und erfolgreiche Traditions- und Familienkonzerne wie Miele, Zeiss, Bosch, Kärcher, Nivea, Osram, Siemens oder Dr. Oetker sowie kundennahe Einzelhandelskonzerne wie Edeka, Rewe, Aldi Süd, Fielmann und Lidl gut oder sehr gut ab. Mit Indexwerten von mehr als 70 sind die Spitzenreiter unter ihnen uneingeschränkt „Purpose ready“: Verbraucher halten sie für ausgesprochen ehrlich, authentisch, nachhaltig und verantwortungsbewusst.

Deutsche Wohnen, Vonovia und Bild auf den letzten Plätzen

Einige Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Finanzen und Verkehr weisen dagegen „kritische Purpose-Lücken“ auf. Sie schaffen es nicht, in Purpose-relevanten Imagedimensionen positiv in der öffentlichen Wahrnehmung anzukommen. Die Schlusslichter im Ranking bilden die beiden Wohnungskonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia sowie die Medienmarke Bild. Diese Letztplatzierten verfügen laut der repräsentativen Studie aufgrund von Reputationsproblemen nur über eine sehr schwache Basis, um einen gesellschaftlich relevanten Unternehmenszwecks glaubwürdig zu vermitteln.

Immerhin fast drei Viertel der branchenübergreifend untersuchten Unternehmen verfügen in der Innen- und Außendarstellung ihrer Verantwortungsübernahme über eine gute Ausgangsbasis für eine glaubwürdige Kommunikation. Diese Organisationen nutzen in der Regel ihre Potenziale noch nicht vollständig, um sich in Anbetracht der dringenden globalen Herausforderungen mit einer authentischen Positionierung der kritischen Öffentlichkeit zu stellen.

Purpose im Wettbewerb um Mitarbeiter

Multivariate Analysen der Erhebungen für den Purpose Readiness Index (PRI) zeigen, dass Purpose-relevante Imagedimensionen knapp die Hälfte der positiven Wahrnehmung eines Unternehmens erklären können. Von dieser Wahrnehmung hängt unzweifelhaft ein großer Teil des Markterfolgs ab. Ein glaubwürdiger Purpose ist damit eine große Chance für Unternehmen und Institutionen, sich in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu positionieren – auch gegenüber potenziellen Mitarbeitern im Wettbewerb um Fachkräfte.

Vor allem die jüngeren Generationen, die Generation Y mit den nach 1980 Geborenen oder die Generation Z mit den ab 1994 Geborenen, legen nachgewiesenermaßen hohen Wert auf die Wirkung ihres eigenen Tuns und das Wohlergehen von Mensch und Umwelt. Beide Generationen haben dabei relativ klare Wertvorstellungen. Sie erwarten gesellschaftliches Engagement von der Wirtschaft und somit auch von den Unternehmen, in denen sie arbeiten.

Wer jungen Nachwuchskräften eine Identifikation mit dem Unternehmen und seinem Daseinszweck ermöglicht, findet leichter geeignete Mitarbeiter und kann sie auch langfristiger ans Unternehmen binden. Mit anderen Worten: Unternehmen mit einem glaubwürdigen Purpose, der den Wertvorstellungen der Generationen Y und Z entspricht, haben auch im „War for Talents“ die Nase vorn. Das gilt vor allem dann, wenn Unternehmen das Thema Purpose nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern als echte „Herzensangelegenheit“ für sich entdecken und aktivieren.

Neue Arbeitswelt verlangt Purpose

Ein überzeugender Unternehmenszweck ist in der neuen Arbeitswelt, die von immer schnelleren Veränderungen, Homeoffice und zunehmender Kündigungsbereitschaft („Great Resignation“) geprägt ist, wichtiger als je zuvor. Er wirkt quasi als Kitt, der auch räumlich getrennte Mitarbeiter miteinander verbindet. Er schärft Alleinstellungsmerkmale im Wettbewerb und zeigt Mitarbeitern, welchen Mehrwert sie für eine bessere Welt schaffen. Das erhöht den Stolz, genau dem richtigen Unternehmen anzugehören und senkt die Gefahr der „Great Resignation“. Wie ein Nordstern bietet ein gemeinsamer und gut kommunizierter Purpose Orientierung: Alle Mitarbeiter wissen, wofür sie morgens aufstehen und ihre jeweiligen Projekte vorantreiben – egal, ob im Office oder Homeoffice.

Wichtig ist, einen möglichst konkreten Purpose zu entwickeln, der zur Unternehmensstrategie passt und im besten Fall auch die eigene Unternehmenshistorie reflektiert. In vielen KMU und vor allem in Familienunternehmen ist ein Gründungsmythos häufig fest in der DNA des Unternehmens verankert und wird weiter tradiert, insbesondere wenn die Gründerfamilie das Unternehmen noch führt.

Die Erfolgsgeschichten der einstigen Gründer zeigen oft, was das Unternehmen einmal angetrieben hat, welches übergeordnete Ziel im Fokus stand. Diese klare Vision aus den Gründertagen kann es vereinfachen, einen für die heutige Zeit adäquaten Purpose herauszukristallisieren und konsequent auf allen Ebenen des Unternehmens umzusetzen. KMU sind hier gegenüber großen Konzernen, bei denen die Gründervision oft längst verwässert ist, klar im Vorteil. Sie können ihre vergleichsweise bessere Ausgangsposition nutzen, um die Mitarbeiterbindung zu festigen.

Mitarbeiterbindung mit Purpose stärken

Wie entscheidend eine Purpose-getriebene Unternehmenskultur für die Mitarbeiterbindung ist, zeigt der „2022 Global Culture Report“ von O.C. Tanner, einem US-Unternehmen für Mitarbeiteranerkennung. O.C. Tanner berichtet darin auf Basis von eigenen Erhebungen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gut geleisteter Arbeit um 90 Prozent sinke, wenn sich Mitarbeiter weniger mit ihrem Arbeitsplatz, ihrer Kultur und ihrem Ziel verbunden fühlten. Die Wahrscheinlichkeit eines Burnouts steige dagegen um das Elffache – und die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter innerhalb von drei Jahren das Unternehmen verlassen, nehme um das Sechsfache zu.

Persönliche Erfüllung im Beruf

Der „2023 Global Culture Report“ wiederum kommt zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter, die ein hohes Maß an persönlicher Erfüllung erreichen, im Schnitt drei Jahre länger bei ihrem Unternehmen bleiben möchten als unerfüllte Mitarbeiter. Erfüllung am Arbeitsplatz stellt sich laut O.C. Tanner ein, wenn wir uns stark mit einem Unternehmenszweck identifizieren, mit anderen Mitarbeitern im Unternehmen verbunden fühlen und gemeinsam mit ihnen ein (auch aus eigener Sicht) sinnvolles Ziel verfolgen.

Klar ist somit: Unternehmen, die ihren Mitarbeitern helfen, ihre persönliche Kultur mit der Unternehmenskultur zu verbinden, ziehen nicht nur dem Unternehmenserfolg förderliche Talente an, sondern binden sie auch an sich. Der Aufbau dieser Verbindung ist ein starkes Unterscheidungsmerkmal und ein Wettbewerbsvorteil. Eine Purpose-getriebene Unternehmenskultur kann Mitarbeiter zu besonders guten Leistungen inspirieren und dazu beitragen, dass sie ihre tägliche Arbeit mit etwas Größerem verbinden und daraus Zufriedenheit schöpfen. Wenn ein von den Mitarbeitern mitgetragenes Ziel definiert ist und sich dieses im Unternehmen täglich in allen Prozessen und Verhaltensweisen niederschlägt, profitiert davon die gesamte Organisation.

Bildnachweis: ©istockphoto.com/kieferpix

Über den Autor

Porträtfoto von Carina Hauswald, Managing Partner bei Globeone

Carina Hauswald Carina Hauswald ist Managing Partner von Globeone. Sie ist Expertin für Markenführung, Strategie und Positionierung mit einer starken Leidenschaft für B2B-Marken. Carina Hauswald hat einen Master-Abschluss in International Management und eine Spezialisierung in Strategie von der Harvard Business School. globe-one.com
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