
Familienunternehmen: Wenn die Unternehmensvisionen von Eltern und Kindern kollidieren
Die Unternehmensnachfolge ist mehr als ein formaler Akt. Sie ist ein emotionaler und strategischer Prozess, bei dem unterschiedliche Vorstellungen von Führung, Werten und Zukunft aufeinandertreffen. Während die Elterngeneration oft auf bewährte Strukturen setzt, strebt die nachfolgende Generation häufig nach Innovation und Digitalisierung. Wie kann durch gezielte Kommunikationsstrategien und gegenseitiges Verständnis der Generationenkonflikt überwunden, um eine erfolgreiche Unternehmensübergabe zu gestalten?
Aktuell stehen laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn jährlich in rund 30.000 Familienunternehmen Übergaben an, wovon etwa 480.000 Beschäftigte betroffen sind. Die Nachfolge ist oft nicht ganz unproblematisch.
In Familienunternehmen prallen oft zwei unternehmerische Welten aufeinander: Die eine ist geprägt von Erfahrung, Risikobewusstsein und dem Wunsch, Bestehendes zu sichern. Die andere ist inspiriert von Innovation, Nachhaltigkeit und dem Wunsch, neue Wege zu gehen. Während die Elterngeneration häufig auf Bewährtes vertraut, möchten die Nachfolger das Unternehmen zukunftsfähig machen: digitaler, nachhaltiger, internationaler. Dieser „Generation Clash“ ist kein Einzelfall, sondern ein wiederkehrendes Muster in der Nachfolgeberatung.
Und er ist weder überraschend noch grundsätzlich problematisch. Im Gegenteil, denn wenn dieser Spannungsbogen gut begleitet wird, kann daraus eine große Stärke entstehen: Eine Symbiose, die Bewahrung und Erneuerung miteinander verbindet.
Wenn Tradition und Transformation aufeinandertreffen
Ein Fall aus der Beratungspraxis macht das deutlich: In einem familiengeführten Textilunternehmen setzte der Vater konsequent auf klassische Vertriebswege, langjährige Lieferketten und die Stabilität des stationären Handels. Seine Tochter hingegen wollte das Unternehmen zukunftsfest machen, auf Nachhaltigkeit umstellen und über einen digitalen Vertrieb neue Märkte erschließen. Der Konflikt entzündete sich nicht nur an den Strategien, sondern auch an Emotionen: Am Lebenswerk, an Verantwortung, an unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie man „richtig führt“. Die Lösung kam durch Mediation und Struktur: Der Vater blieb für den laufenden Betrieb verantwortlich, die Tochter baute parallel das neue Geschäftsfeld auf. Beide lernten, sich gegenseitig Raum zu geben – und profitierten am Ende voneinander.
Der Schlüssel: Kommunikation auf Augenhöhe
Solche Erfolgsgeschichten sind möglich, wenn der Dialog zwischen den Generationen nicht als Pflichtübung, sondern als strategische Maßnahme verstanden wird. Oft erlebt am in der Praxis, dass es nicht an Ideen mangelt, sondern an gegenseitigem Verständnis. Eltern befürchten den Kontrollverlust, Kinder fühlen sich unterschätzt. Regelmäßige Strategiegespräche, moderierte Familienworkshops und geschützte Räume für offene Worte können helfen, Erwartungen, Wünsche und Sorgen auszusprechen. Nur wenn klar ist, worum es beiden Seiten wirklich geht, kann daraus eine tragfähige gemeinsame Perspektive entstehen.
Struktur schafft Sicherheit
Neben Empathie braucht es Klarheit. Familienverfassungen, Leitbilder und Governance-Strukturen helfen dabei, Rollen, Zuständigkeiten und Entscheidungswege verbindlich festzulegen. So wird verhindert, dass strategische Entscheidungen in familiäre Dynamiken abrutschen oder umgekehrt. Auch die Einbindung externer Berater kann helfen, Konflikte zu strukturieren, emotionale Spannungen zu entschärfen und neue Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dies ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Professionalität: Wer sich traut, über Differenzen zu sprechen, legt den Grundstein für unternehmerisches Wachstum und familiären Zusammenhalt.
Veränderung muss nicht radikal sein
Veränderung braucht Raum – aber keine Revolution. Besonders erfolgreich sind Familienunternehmen, die neue Geschäftsmodelle im Kleinen testen, bevor sie das Große verändern. Pilotprojekte, zeitlich begrenzte Rollenübernahmen oder der parallele Aufbau neuer Geschäftsfelder haben sich als gute Mittel bewährt, um Innovation risikobewusst umzusetzen. Wichtig dabei: Veränderung gelingt nicht, wenn sie nur von einer Seite ausgeht. Es braucht Bewegung auf beiden Seiten und die Bereitschaft, von- und miteinander zu lernen.
Nachfolge bedeutet mehr als nur Übergabe
Die Nachfolge ist kein reiner Führungswechsel, sondern ein tiefgreifender Identitätswandel für alle Beteiligten. Für die Eltern bedeutet sie oft, loszulassen und gleichzeitig das Vertrauen aufzubringen, dass ihre Kinder das Erbe nicht nur fortführen, sondern weiterentwickeln. Für die Kinder wiederum heißt sie, Verantwortung zu übernehmen, nicht nur für das Geschäft, sondern auch für die Geschichte dahinter. Gelingen kann dieser Übergang, wenn er gut geplant, schrittweise gestaltet und von gegenseitiger Wertschätzung getragen wird.
Fazit: Aus dem Konflikt kann Stärke wachsen
Der Generation Clash ist keine Krise, er ist ein Spiegel des Wandels. Wer ihn bewusst gestaltet, statt ihn zu verdrängen, schafft eine Kultur der Entwicklung. Familienunternehmen, die Tradition und Innovation nicht gegeneinander ausspielen, sondern miteinander verbinden, sind nicht nur zukunftssicher und werden zu Vorbildern für unternehmerischen Wandel mit Substanz. Es braucht Offenheit, Mut zur Struktur und die Bereitschaft, neue Wege gemeinsam zu gehen. Dann wird aus dem Spannungsfeld zwischen Eltern und Kindern ein gemeinsamer Pfad in Richtung Zukunft.
Literatur & Weblinks
- Nachfolge in Familienunternehmen: IfM Bonn. Abgerufen am 23.06.2025.
- Langlebigkeit von Familienunternehmen. WIFU Stiftung. Abgerufen am 23.06.2025
Bildnachweis: istockphoto.com/MangoStar_Studio
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