Arbeitgebermarkt 2025: Warum sich die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt erneut verschieben
Erneut hat der Arbeitsmarkt in kürzester Zeit eine deutliche Verschiebung erlebt. Was eine längere Periode als klare Stärke der Arbeitnehmenden galt, entwickelt sich zu einem Umfeld, in dem Arbeitgebende wieder mehr Einfluss ausüben. Viele Fachkräfte konnten über Jahre hinweg zwischen Angeboten wählen und ihren Gehaltsrahmen selbstbewusst formulieren. Doch diese Phase scheint vorerst beendet.
Der Markt hat sich erneut gewandelt: Es herrscht derzeit ein Rückkehr zum Arbeitgebermarkt – nicht in gleicher Intensität wie früher, doch ist die Richtung erkennbar. Für Menschen, die aktiv nach einer beruflichen Veränderung suchen, bedeutet diese Entwicklung eine ungewohnt anspruchsvolle Ausgangslage.
Warum sich der Arbeitsmarkt wieder zugunsten der Arbeitger verschiebt
Anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit, die sich bei vielen Unternehmen breit gemacht hat, bildet einen wesentlichen Auslöser für diese Dynamik. Die Konjunkturausblicke für 2025 fielen verhalten aus, verschiedene Wirtschaftsforschungsinstitute erwarteten ein kaum messbares Wachstum, teilweise sogar ein Anhalten der bereits gewohnten Rezession.¹ Vor diesem Hintergrund reduzierten zahlreiche Betriebe ihre Personalausgaben, veröffentlichten weniger Stellenausschreibungen und verschärften ihre Auswahlprozesse. Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft unterstreicht diese Zurückhaltung: Nur 18 Prozent der befragten Unternehmen äußerten Wachstumspläne, während mehr als ein Drittel sogar eine Verkleinerung anstrebt.²
Diese Rahmenbedingungen prägen das Recruiting signifikant. Entscheidungen werden gründlicher abgewogen, da Fehlbesetzungen eine größere Auswirkung auf das Unternehmen haben und deshalb strikt vermieden werden sollen. Gleichzeitig lässt sich der lange präsente Fachkräftemangel nicht in allen Segmenten gleichermaßen spüren.
Während Bereiche wie Ingenieurwesen, Pflege und Handwerk weiterhin deutliche Lücken aufweisen, sinkt die Nachfrage in konjunktursensiblen Tätigkeitsfeldern wie Marketing oder Projektmanagement merklich. Hinzu kommt, dass sich der Berufseinstieg für viele Hochschulabsolventen schwieriger gestaltet. Medienberichte verweisen auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit unter jungen Akademikern, was auf einen komplexeren Übergang ins Berufsleben hinweist.³
Arbeitsmarkt-Ausblick: Was Unternehmen langfristig beachten müssen
Trotz des aktuell wieder deutlich ausgeprägteren Arbeitgebermarktes zeichnet sich ab, dass diese Phase kein dauerhafter Zustand sein wird. Unternehmen profitieren momentan von größeren Bewerberpools und können ihre Erwartungen präziser formulieren, wodurch Investitionen in Employer Branding vorübergehend weniger dringlich erscheinen. Dennoch verändern sich die bekannten strukturellen Rahmenbedingungen nicht. Digitalisierung, demografischer Wandel und gesellschaftliche Transformationsprozesse wirken langfristig weiter und beeinflussen die Personalstrategien eines jeden Betriebs.
Die Studie „Recruiting-Strukturen – ein Benchmark“ der DGFP, der HTWK Leipzig und des Online-Portals Wollmilchsau zeigt, dass Unternehmen sich auch während der anhaltenden Rezession auf diese Entwicklungen vorbereiten. Der Anteil eigener Recruiting-Abteilungen stieg von 62 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell 65 Prozent. Parallel dazu nimmt die Nachfrage nach sogenannten Future Skills weiter an Gewicht zu. Eignungen wie Anpassungsfähigkeit, Lernbereitschaft und soziale Kompetenz werden essenziell, weil technologische Veränderungen und neue Arbeitsmodelle den beruflichen Alltag zunehmend prägen
Neue Realität für Jobsuchende: Strategie statt Anspruchsdenken
Für Menschen, die sich auf der Suche nach einer neuen Stelle befinden, führt diese Entwicklung zu anspruchsvolleren Verhandlungsbedingungen. Gehaltsforderungen deutlich über dem Marktwert oder weitreichende Ansprüche an Flexibilität und Homeoffice lassen sich nicht mehr so leicht realisieren wie in den vergangenen Jahren des Arbeitnehmermarktes. Entscheidend sind daher eine solide Vorbereitung, strategisches Denken und eine realistische Einschätzung der eigenen Position. Besonders Berufseinsteiger müssen berücksichtigen, dass reine Fachkompetenz nicht mehr ausreicht. Wer zusätzlich Lernbereitschaft und die gefragten Soft Skills zeigt, verbessert seine Perspektiven.
Zudem gewinnen alternative Karrierewege an Bedeutung. Quereinstiege, projektbasierte Einsätze oder fähigkeitsorientierte Auswahlprozesse öffnen neue Türen. Erfolgreich ist, wer sich sicher in modernen, dynamischen Arbeitsumgebungen bewegen kann. Unternehmen wiederum sollten die derzeitige Marktphase nutzen, um Personalentscheidungen bewusst und zukunftsorientiert zu gestalten – bevor die Entwicklung erneut zugunsten der Arbeitnehmenden umschlägt. Wir erleben damit keinen Rückfall in alte Strukturen, sondern eine Übergangsphase, in der sich Rollenbilder neu ordnen. Wer heute eine passende Position finden möchte, benötigt neben Fachwissen vor allem die Fähigkeit, sich in einem herausfordernden, aber zugleich chancenreichen Arbeitsmarkt zu behaupten.
Literatur & Weblinks
¹Arbeitsmarkt 2025: Sind die Zeiten des Arbeitnehmermarktes vorbei? workwise, Lisa Schlegel, 6.3.2025.
²IW Konjunkturumfage Frühjahr 2025: Kein Aufschwung in Sicht. Michael Grömling. 18.4.2025.
³Jung, qualifiziert, arbeitslos: Deshalb ist der Berufseinstieg für akademische Absolventen so schwer. SWR. Levin Horst, 8.11.2025.
Bildnachweis: Depositphotos.com/SergeyNivens

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