Authentisch und persönlich bleiben trotz Remote-Work
Digitale Gesprächsführung

Authentisch und persönlich bleiben trotz Remote-Work

Porträtfoto von Michael Kienzle, Trainer
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Schon vor 10 Jahren wurde der Begriff Industrie 4.0 geprägt. Doch erst durch Corona hat die digitale Kommunikation den aktuellen Stellenwert erhalten. Mittlerweile hat jeder Vierte täglich mehr als 10 dienstliche Video-Calls. Lesen Sie hier, wie Sie Ihr Gegenüber trotz digitaler Übertragung authentisch und persönlich erreichen.

Kennen Sie noch die Frage „Mach mehr digital oder persönlich“? Das war vor einiger Zeit noch „Die“ eine häufig gehörte Frage. Seit der Corona-Pandemie wird uns diese Entscheidung nicht nur abgenommen, sie gilt für noch viel mehr Termine als es bisher üblich war.

Bisher waren „digitale Treffen“ nur für eher unverbindliche informative Termine oder kurze Gespräche von Personen, die hunderte Kilometer voneinander getrennt waren üblich. Teilweise flogen sogar hochdotierte Entwicklungsleiter beispielsweise von Deutschland nach Amerika. Wofür? Für eine 20-minütige Präsentation. Es musste einfach „persönlich“ sein – egal wie teuer.

Professionell trotz Technik

Begründet wurde dieser teilweise enorme Aufwand mit der Wirksamkeit des persönlichen Auftritts. Doch mittlerweile ist vielen Unternehmen klar geworden: Es geht auch digital, persönlich und wirksam.

Allerdings muss man leider sagen, das digitale Gespräche oft nur technisch professionell vorbereitet sind. Zu Beginn der Corona-Krise wurden Webcams, Mikrofone, Kameras aller Preisklassen mit Gold aufgewogen und an jeder Ecke gab es Ratgeber zu Technik, Ton, Licht und Tipps wie „räumen Sie den Hintergrund auf“. Deshalb an dieser Stelle nur die wichtigsten Basics:

  • Ruhige Hintergründe halten die Aufmerksamkeit
  • Richtiges Licht macht Ihre Mimik sichtbar
  • Ihre Kleidung beeinflusst die Wirkung
  • Aufräumen? Ja Basis, aber nicht die Kür

Beantworten Sie folgende Frage mal im Stillen für sich: Wie verliefen vor Corona besonders erfolgreiche Gespräche oder Gespräche, die Sie sich gerne zurück erinnern ab?

Wahrscheinlich haben Sie nun Events im Sinn, mit Menschen, mit denen Sie sich einfach gut verstanden haben. Es ist ganz egal, ob es Verkaufsgespräche, Unterhaltungen auf einer Messe oder bestimmte Seminare mit tollen Teilnehmern waren. Sie alle verbindet eines: Die Chemie und das Drumherum stimmten einfach.

Sie haben den ersten Small-Talk über das Wetter oder die Anfahrt geführt und einen Kaffee dabei getrunken. Sie haben die Stimmung aufgewärmt und – bewusst oder unbewusst – aktiven Beziehungsaufbau betrieben. Bleiben Sie in der digitalen Kommunikation so nah der Realität wie möglich, da unser Unterbewusstsein nie gelernt hat digital zu kommunizieren.

Hallo, können Sie mich hören?

Stellen Sie sich nun einmal vor Sie nehmen den Telefonhörer ab und sie hören Ihren Gesprächspartner sehr laut sagen: „Hallo? Hallo, können Sie mich hören? Hallo?“ und dann ein 2-, 3-maliges lauten Klopfen, weil jemand auf den Hörer trommelt. Ich denke es ist leicht nachvollziehbar, dass Sie jetzt schon dazu neigen, die Kompetenz Ihres Gesprächspartners anzuzweifeln.

Machen Sie stattdessen eine Generalprobe, um vom ersten Moment an souverän und kompetent zu wirken. Denn auch digital gilt: Sie haben nur eine Chance für einen guten ersten Eindruck. Und „Hallo, können Sie mich hören? Ja? Dann können wir gleich einsteigen!“ ist kein professioneller und persönlicher Gesprächseinstieg.

Wie war die Anfahrt?

In digital übertragenen Gesprächen gelten die gleichen Regeln wie im direkten Kontakt. Begrüßen Sie sich. Trinken Sie demonstrativ einen Schluck Kaffee. Halten Sie sich an die gleichen Grundregeln wie zum Beispiel: „nicht gehetzt zum Gespräch zu erschienen“. Seien sie früher bereit und vor allem vorbereitet. Ihre Gesprächspartner merken, wenn Sie abgelenkt sind und ständig auf Unterlagen schielen. Im analogen würden sie das doch auch nicht tun, oder?

Und am wichtigsten: Seien Sie so locker und persönlich als wären Sie vor Ort. Warum beginnen Sie das Gespräch nicht beispielsweise mit einem „Hallo Frau Müller, hallo Herr Becker, ich hoffe Ihre Anfahrt war ebenso schön wie meine.“ Sie werden sehen, so gewinnen Sie ihr erstes Lächeln des Gesprächs.

Sie sind mehr als nur ein Kopf

Neben dem „Lächeln“ als Sympathiefaktor haben wir alle gelernt in Gesprächen auf unsere Körpersprache zu achten. In der Videokommunikation wird dieser Faktor stark unterschätzt und dabei gilt es hier noch viel stärker auf grundlegende Körpersprache zu achten. Benutzen Sie die Hände? Dann achten Sie darauf, dass diese auch im Bildausschnitt zu sehen sind.

Im Kameraausschnitt sollte dafür mehr als nur Kopf zu sehen sein. Zeigen Sie etwas Oberkörper, damit Ihre Gesprächspartner auch wichtige Hand und Armbewegungen wahrnehmen kann. So passt Ihre Mimik in ein größeres Ganzes und Ihre Gesprächspartner können das Gesagte und Ihre Mimik richtig einordnen.

Tschuldigung, wen meinen Sie?

Um das Gesagte besser einzuordnen ist noch etwas wichtig. Haben Sie mehr als einen Gesprächspartner? Dann kombinieren Sie jede an eine Person gerichtete Aussage mit deren Namen. Viele Menschen vertrauen unterbewusst darauf, dass der richtige Gesprächspartner sich angesprochen fühlt, nur weil sie diesen anschauen. Doch denken Sie daran: Sie schauen auf einen Monitor. Ihre Gesprächspartner wissen wahrscheinlich nicht, wen Sie ansehen.
Vielleicht blicken Sie während des Gesprächs sogar keiner Person in das Gesicht, zumindest aus deren Perspektive. Denn Sie schauen nur auf einen Punkt auf dem Monitor, der etwas von der Kamera entfernt ist. Für Teilnehmer sieht es so aus, als würden Sie immer woanders hinsehen. Und seien Sie ehrlich. Wie fühlen Sie sich, wenn ein Gesprächspartner ständig an Ihnen vorbeischaut? Sie stufen das unterbewusst als unhöflich ein.

Rücken Sie deshalb einfach das entsprechende Fenster möglichst nah an den Bildschirmrand an die Kamera ran. So erwecken Sie den Eindruck als würden sie den Leuten wirklich ins Gesicht schauen. Kontrollieren Sie Ihre Blickrichtung. Können Sie sich selbst in die Augen schauen?

Was tut die oder der da?

All diese Maßnahmen sollen Ihren Gesprächspartnern das Gefühl geben als seien Sie persönlich anwesend. Dazu gehört auch, dass Sie im Raum um Sie herum bestimmte Dinge tun. In Meetings, Workshops oder Verkaufsgesprächen tun Sie immer etwas. Entweder schauen Sie in Unterlagen, machen sich Notizen oder holen sich auch mal einen Kaffee.

Dagegen gibt es auch im digitalen Zusammentreffen nichts einzuwenden, doch denken sie daran: Die anderen sehen nicht, was Sie da tun. Ihren Teilnehmern fällt nur auf, wie Sie zum Beispiel woanders hinschauen, etwas außerhalb des Sichtbereichs tun oder sogar plötzlich ganz vom Bildschirm verschwinden. In Gesprächen vor Ort schauen Sie zum Beispiel auch nicht einfach aus dem Fenster oder checken ihre neuesten E-Mails auf dem Handy, denn das würden die anderen Personen als höchst unhöflich empfinden. Allerdings glauben genau das Ihre digitalen Gäste, wenn Sie diese nicht aufklären.

Moderieren Sie, was Sie tun. Sagen Sie zum Beispiel zu Beginn des Meetings, dass sie ab und zu auf Notizen schauen oder neue anfertigen. Je nach Rahmen und Dauer können Sie auch mal eine Kaffeepause anregen oder zumindest signalisieren, dass sie kurz eine neue Tasse holen – alles so, als wären sie tatsächlich vor Ort.

Geheimtipp: Beides können Sie übrigens auch sagen oder bedeuten, wenn Sie statt einem Kaffee eigentlich einmal die Toilette aufsuchen möchten.

Reichen Sie mir mal bitte die Post-its

Um maximale Wirkung in der digitalen Runde zu entfalten und die Teilnehmer ganz vergessen zu lassen, dass alles online stattfindet, binden Sie Ihre Gesprächspartner aktiv ein. Das hält nicht nur alle wach, es verbessert das kooperative Ergebnis enorm. Ganz klassisch tun Sie das sogar in Vorträgen: Sie fragen einfach Dinge.

Allerdings bietet auch der digitale Rahmen mehr aktive Mitarbeit. Eine Frage ist nicht ihr einziges Mittel, um Ihre Gäste besser zu integrieren. Es gibt zum Beispiel Werkzeuge wie digitale Whiteboards, an denen jeder mitarbeiten kann. Jeder kann ein digitales Post-it anheften, ein Punkt in einer Liste ergänzen oder etwas von A nach B schieben.
So gestalten Sie lebhafte digitale Treffen mit großartigen Ergebnissen – so als säßen sie zusammen in geselliger Runde.

Bei mir ist alles Googlesicher!

Egal ob Sie interne Meetings, digitale Messepräsentationen oder Verkaufsgespräche durchführen, Sie sollten sich bewusst sein: Sie alle sitzen zusammen am Computer. In einem analogen Vortrag nehmen Teilnehmer Ihre genannten Fakten eher einfach hin. In der digitalen Umgebung bemühen Teilnehmer gerne das Gerät, vor dem Sie eh sitzen, um Dinge wie zum Beispiel Produktinfos oder von Ihnen genannten Zahlen zu Studien einfach mal Live zu prüfen. Finden Sie Widersprüche, werfen sie diese eventuell sogar für alle hörbar in den Raum. Sorgen Sie dafür, dass Sie vorher alles richtig haben oder Sie Widersprüche begründen können. Alles, was Sie digital vermitteln, sollte also „Googlesicher“ sein.

Fazit

Als Fazit lege ich Ihnen noch ganz persönlich, über diese Zeilen hier, folgenden Glaubenssatz nahe – mit einem Augenzwinkern: Digital ist tatsächlich real.

Für manch Nicht-Mitglied im Club Generation Y oder Generation Z ist das „online“ das Gegenstück zu „IRL“ (in real life). Doch vertrauen Sie mir, das Netz gehört spätestens jetzt zu unser aller realem Leben. Lassen Sie das zu und man wird es Ihnen im nächsten Video anmerken.

Foto/Thumbnail: ©istockphoto/metamorworks

Über den Autor

Porträtfoto von Michael Kienzle, Trainer

Michael Kienzle Michael Kienzle aus Achern, ist Verkaufs- und Rhetorikprofi und Inhaber der Kienzle Success Cooperation. Er gilt als Experte für das Überzeugen von Menschen. Ein ausführliches Whitepaper zum Thema Kommunikation 4.0 gibt es auf der Webseite. www.kienzle.eu
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Kommentare

  1. von Ing. Mag. Andreas Hofstadler am 04.10.2021 | 19:33

    Wunderbar, während viele Unternehmen Industrie 4.0 predigen, sind sie intern vielleicht bei einem Bruchteil von 4.0 angekommen. Weil PC, Outlook und Handy nicht genug sind, streicht man Festnetztelefonie, führt dafür z.B.Teams odgl. ein und erwartet, dass jeder Mitarbeiter immer und überall erreichbar ist. Bleibt der Teams-Anruf aus terminlichen Gründen unbeantwortet oder wird abgewiesen, dann folgen Teams- und Outlook-Nachrichten. In den meisten Unternehmen, meiner Erfahrung nach je größer desto schlimmer, ist bei der Menge an Video-Konferenzen kaum einer der Tipps umsetzbar, weil die Datenmenge für die Netzwerke lokal und international keine Möglichkeit bietet, Kameras online zu halten. Bei Konferenzen mit 50-70 Kollegen weltweit auch hinsichtlich Vorbeteitungstipps kaum umsetzbar – unterschiedliche Länder, Ansätze und rechtliche Vorgaben zum Konferenzgegenstand. Meines Erachtens auch verstärkt ein Thema für die Evaluierung der psychischen Arbeitsbelastung samt abgeleiteter Maßnahmen.

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